Der Grund dafür sind die gegen Mursi anhängigen Ermittlungen der „Justiz der Generäle“ wegen mutmaßlicher Verschwörung mit der palästinensischen Hamas-Bewegung. Wie die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti mitteilt, werde vermutet, dass die Hamas an den Anschlägen auf Polizeireviere, der Erstürmung von Gefängnissen und an Brandstiftungen im Januar und Februar 2011 beteiligt gewesen sein könnte.
Die Ermittler prüfen auch eine mögliche Teilnahme Mursis an den Unruhen im Gefängnis Wadi eln-Natrun im Janur 2011. Mursi und mehrere Funktionäre der Muslimbrüder sollen während des Aufstands gegen den damaligen Präsidenten Husni Mubarak aus der Haftanstalt geflohen sein. Mursi wird beschuldigt, an der Ermordung von Strafgefangenen und Polizisten sowie an Menschenraub beteiligt gewesen zu sein.
Das ägyptische Militär hatte Mursi Anfang Juli entmachtet. Die Generalstaatsanwaltschaft erließ am 26. Juli einen Haftbefehl gegen den Ex-Präsidenten. Ein Untersuchungsrichter verhängte über den islamistischen Politiker 15 Tage Arrest. Seit dem Staatsstreich, dem Putsch der Generäle mit der Absetzung des Präsidenten am 3. Juli wurde Mursi vom Militär an einem unbekannten Ort festgehalten. Die Untersuchungshaft wird in der Regel für 15 Tage verhängt und dann stets um jeweils 15 Tage verlängert.
Tausende Mursi-Unterstützer harren weiter in Protestcamps in Kairo aus und haben sich verbarrikadiert. Am Sonntag nach dem Ende des Fastenmonats Ramadan will die Interimsregierung die Lager vom Militär räumen lassen.
„Der Zug in die Zukunft ist abgefahren“, sagte Übergangspräsident Adli Mansur. Vize-Regierungschef Hazem al-Bablaui erklärte, dass das Militär die Protestcamps nur wegen des heiligen Fastenmonats noch nicht geräumt hätte. „Jetzt rufen wir die Demonstranten erneut dazu auf, auseinanderzugehen und in ihre Häuser und zu ihrer Arbeit zurückzukehren“, sagte er. „Sie werden nicht verfolgt, falls ihre Hände nicht mit Blut beschmutzt sind“, sagte er.
Wie die Übergangsregierung, die durch keine Wahl legitimiert ist sondern von den Putschgenerälen eingesetzt wurde, behauptet, errichten die Islamisten Straßensperren, drangsalieren Anwohner und benutzen Frauen und Kinder als menschliche Schutzschilder. Belegbar ist dies nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Soldaten und Polizisten haben bereits Dutzende der für den verschleppten und inhaftierten Präsidenten Protestierenden erschossen. Hunderte wurden in den vergangenen Wochen verletzt.
Laut dem russischen Nahost-Experten Wladimir Sotnikow steht Ägypten vor einem Bürgerkrieg. Als Mursi gestürzt worden sei, habe es noch die Hoffnung gegeben, dass alles friedlich ablaufe. Doch die Muslimbrüder seien nicht verhandlungsbereit, sie protestieren und fordern die Wiedereinsetzung des gestützten Präsidenten Mursi. Die islamistischen Anführer würden auf keine Kompromisse eingehen, so der Experte.
„Die Bemühungen haben nicht die erwünschten Ergebnisse gebracht“, hieß es in einer Erklärung des Amtes des ägyptischen Übergangspräsidenten Adli Mansur. „Die Phase der diplomatischen Anstrengungen geht heute zu Ende.“
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und US-Außenminister John Kerry äußerten ihre Besorgnis über die Lage in Ägypten. „Dies bleibt eine sehr fragile Situation, die nicht nur das Risiko von mehr Blutvergießen und Polarisierung in Ägypten birgt, sondern auch die wirtschaftliche Erholung behindert, die so wesentlich ist für Ägyptens erfolgreichen Wandel“, hieß es in der Erklärung von Ashton und Kerry.
Mit Material von RIA Novosti