Moneten und Medaillen – Deutsche Athleten kritisieren seit Jahren das Prämiensystem

Bischhof verweist auf andere Länder, in denen olympisches Gold höher prämiiert wird. Italien verspricht 140 000 Euro, Russland 100 000, Kasachstan 200 000.
Olympiaprämien – sie reichen bis Platz acht – sind seit gut einem Jahrzehnt zumindest alle vier Jahre ein strittiges Thema. Denn sie sind seither fast unverändert. Gleichen Inflationsverluste o.ä. nicht aus und bewegen sich weit hinter denen wirtschaftlich schwächerer Länder.

Nachvollziehbar, dass die Gemüter der Betroffenen erhitzt. Und von den Medien – wir stehen auf Seiten der zu Unrecht Benachteiligten – aufgegriffen wird…

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, zuständig für Sport, in London weicht aus. Das sei Sache der Sporthilfe. Zudem werde der Leistungssport jährlich mit mehr als 200 Millionen Euro unterstützt.

Vor London wurde informiert: Von 392 Olympiastartern seien 360 im Verlauf ihrer Karriere in den Genuss der Sporthilfe gekommen. Über neun Jahre seien so im Schnitt insgesamt rund 40 000 Euro den Begünstigten zugeflossen.

Die 32, die davon nicht profitierten, dürften unter Tennisprofis, Radprofis und den gut Betuchten im gut betuchten Reiterumfeld zu finden sein.

Wenngleich jene nicht an die Spitzenverdiener des einst nur "Amateuren" vorbehaltenen Olympiaspektakels heranreichen dürften: Die Tennisprofis Maria Scharapowa und Roger Federer sollen 2011 Einnahmen von 18 bzw. 36 Millionen akquiriert haben. Dimensionen, in den sich auch die NBA-Profis Kobe Bryant bzw. LeBron James bewegen…

"Prämien für olympische Erfolge?- Keine Ahung, wie hoch die sind. Kriegen wir da überhaupt etwas", erklärte Beachvolleyballerin Laura Ludwig beim Grand Slam in Berlin. Die dreimalige Europameisterin an der Seite von Sara Goller hat zwar in ihrer Entwicklung zur Weltklassespielerin Sporthilfe bekommen, sich aber nach Abitur voll auf die Profikarriere konzentriert. Dank der Preisgelder und etlicher potenter Sponsoren (Uhren, Autos, Brillen, Kosmetika, Sportausrüster) dürfte ihr Jahreseinkommen im mittleren sechsstelligen Bereich angesiedelt sein.

Da sind die Sporthilfe-Grundbeträge, die Weitsprung-Medaillenanwärter Sebastian Bayer für sich mit monatlich "100 plus etwa 100 Euro Zulage für den 8. WM-Rang" angibt, logischerweise zu vernachlässigen.

Bayer sagt andererseits, er sei momentan durch Bundeswehr, seinen Verein Hamburger SV, eine Versicherung sowie den individuellen Sportausrüster "gut versorgt" sei. Dass andere Länder eine höhere Prämie oder gar eine lebenslange Rente aussetzen, hänge auch mit dem teilweise höheren Stellenwert der Leichtathletik dort zusammen. Oder als Ausgleich für Nachteile in der Lebensqualität allgemein – Infrastrukturen, marode Straßen, veraltete Autos.

Auch Speerwurf-Überraschungs-Weltmeister Matthias de Zordo erstaunlicherweise im Autoland Deutschland über kein Leasing-Auto eines Premium-Herstellers verfügt, sieht er sich, momentan rundherum abgesichert, "um mich voll auf den Leistungssport orientieren zu können". Die vom Kollegen Harting angezettelte Prämien-Debatte bewertet der Enkel seines aus Italien eingewanderten Großvaters entspannt: "Sicher würde es nicht schaden, wenn die offiziellen Prämienanreize sich stärker an denen anderer Nationen ausrichten würden."

Bayer, de Zordo und natürlich Harting stehen um ein Vielfaches besser da, als der aktuelle Deutsche 100-m-Meister und Staffel-Olympionike Lucas Jakubczyk. Der Berliner muss mit 670 Euro Bafög (später zurück zu zahlen), Erspartem aus der abgebrochenen Polizeidienst-Ausbildung und Handgeld vom Verein SCC Berlin über die Runden kommen. Sporthilfe u.dgl. darf er erst ab Herbst erwarten.

Harting hat seine erste Kritik am deutschen Prämiensystem später dann eingeschränkt und präzisiert: Es ginge ihm weniger um die geringen Prämien ("in der aktiven Zeit sei man im deutschen Fördersystem gut aufgehoben"), sondern um die Tatsache, dass nach der Karriere, in der man die Knochen hingehalten und teilweise kaputt gemacht habe, die Absicherung ungenügend oder gar nicht vorhanden sei. Polen und die Türkei garantieren Olympiasiegern eine lebenslange Rente.

Worauf DOSB-Chef Thomas Bach, als Jurist normalerweise unbedachte Äußerungen meidend, nassforsch verkündete, wenn einer Leistungssport mit der Zielsetzung beginnt, durch einen Olympiasieg ausgesorgt zu haben, würde ich ihm empfehlen, Lotto zu spielen…

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