Zwischen Nikolaus und Weihnachten – Die Eisernen beschenken sich selbst und gewähren keine Gnade für den Gast

Es ist schon ziemlich frisch an diesem Dezembersonnabend. Zum Glück lugt doch immer wieder die Sonne zwischen den dunklen Wolken hervor. Auf dem Weg zur Alten Försterei stehen die obligatorischen Wurstbrater und Bierverkäufer am Wegesrand. Heute kuschlig behütet mit roten-weißen Weihnachtsmann-Mützen. Das ist sowohl stilgerecht, weil in Union-Farben, als auch passgerecht zur Vorweihnachtszeit. Heute wird der kleine Frankfurter Kickerverein erwartet – der FSV, genauer der Fußballsportverein aus Bornheim am Rande der Mainmetropole.

Nur eine halbe Busladung Frankfurter Fans scheint sich auf die Gästetribüne der Alten Försterei verirrt zu haben. Auch von den eisernen Fans scheinen diesmal einige wohl auf den Weihnachtsmärkten verschollen zu sein. Der Stadionsprecher wird später von 12 721 zahlenden Besuchern sprechen. Ein Minusrekord in dieser Spielzeit. Die Bornheimer indes staunen. So viele Zuschauer sind sie nur gewöhnt, wenn es gegen den Ortsrivalen geht.

Als die Mannschaften einlaufen wird ihr Erstaunen wohl noch größer, denn einer ihrer Spieler wird freudig von den Gegnern begrüßt. „Karim Benyamina, ohohoho“, schallt es von der Gegentribüne. Benyamina ist immer noch Torschützenkönig bei den Eisernen. Und er ist schon ziemlich erfreut, so begrüßt zu werden. Das geschieht nicht jedem Ex-Unioner. Und so ist es auch der verlorene Sohn, der seinen einstigen Kameraden Jan Glinker im Tor der Gastgeber mit einem 25-Meter-Geschoßß zur Parade zwingt. Vielleicht ein Warnschuss für die Hausherren, die in der ersten Viertelstunde sich lässig ansahen, was die Frankfurter so anstellen. Viel war das zwar nicht, aber schön anzusehen, wie sie mit gefälligen Kombinationen den Ball bis an die Strafraumgrenze der Eisernen trieben.

Ich dachte schon: „Na, lauern die Unioner etwa im eigenen Stadion auf Konter?“ Da kam auch schon die Antwort – wie aus dem Nichts. Silvio hatte nahe des Mittelkreises einen Kopfball gewonnen und dem schnellen Ede direkt in den Lauf befördert. Der rannte leichtfüßig wie das Rentier des Heiligen Nikolaus davon. Manuel Konrad versuchte zwar noch halbherzig, den Davoneilenden am Zaumzeug zu zupfen, konnte letztlich aber nur zusehen wie der dem entgegeneilenden Torhüter Patric Klant mit einem platzierten Schuss in die rechte untere Ecke keine Chance ließ. Die Frankfurter schauten fassungslos zu, wie auf dem Rasen die Unioner ihren Torschützen feierten und die Fans auf den Rängen tobten. „Eisern Union“ und „Wir werden ewig leben“ – so schallte es über die Wipfel der Wuhlheide, so dass auch die Bratwurst- und Bierverkäufer draußen wussten, was die Stunde geschlagen hatte.

Gäste sind zwar gern gesehen hier in Köpenick, aber Gnade auf dem grünen Rasen haben die auch in der Vorweihnachtszeit nicht zu erwarten. Und so ging es auch weiter im Stadion. Nun drückten die Gastgeber. Ich dachte: „Gehste mal an Tor an. Vielleichts klingelt es bald wieder.“ Tatsächlich. Ede wurde recht außen gefoult. Legte sich die Kugel zurecht und haute sie Richtung Tor.  Eigentlich Mattuschkas Aufgabe. Aber der hält sich heute etwas zurück. Jedenfalls segelt der Ball in den Fünf-Meter-Raum. Das ist normalerweise das Reich des Torhüters. Klandt indes hüpft wie ein Hampelmann umher, ein anderer Frankfurter auch. Der lenkt mit den Haarspitzen den Ball an den Innenpfosten. Alles auf den Rängen scheit schon: Huch und Ach und Tor. Tatsächlich überquert der Ball die Torlinie im vollen Umfang. Christian Stuff, Abwehrriese von Union – der eigentlich hätte dem Ball diese Richtung vorgeben müssen – riss schon begeistert oder beschwörend die Arme hoch. Indes Frankfurts Torhüter Klandt will noch retten, was nicht mehr zu retten ist. Sprunghaft erwischt er noch den Ball, kann allerdings nicht mehr tun, als ihn mit aller Wucht ins eigene Netz zu schmettern. Jeder Volleyballspezialist hätte ihm gratuliert. Aber Schiedsrichter Christian Fischer, Lehrer für Englisch und Sport, sowie Hobbykoch und Literaturfreund, von der SG Hemer bei Gütersloh pfeift humorlos ab und gibt das doppelte Eigentor.

So geht es dann auch in die Pause. Danach ist ebenfalls mehr oder weniger Stückwerk angesagt. Die beiden Teams neutralisieren sich weitgehend. Erst in der 77. Minute setzt Silvio einen Kopfball an den linken Pfosten. Klandt hätte keine Chance gehabt. Zwei Minuten später indes nach einer Ecke von Edu köpft der lange Stuff auf das Tor. Klandt kann gerade noch abwehren, jedoch Stuff mit 1,99 Metern der längste Unioner, hat auch noch Schuhgröße 46. Die reichen, um den zurückspringenden Ball mit der Fußspitze zu erwischen und im Gehäuse der Frankfurter unterzubringen. Das 3:0 veranlasst die Kicker vom Bornheimer Hang zwar nicht, die Köpfe fortan hängen zu lassen, aber so richtig hoffnungsvoll erscheinen sie nun auch nicht mehr.

Zumal lediglich drei Minuten später schlägt erneut das Schicksal zu. Es trägt einen Namen: Simon Terodde. Der Union-Stürmer, ausgeliehen vom 1. FC Köln, wird nach zwei Monaten eingewechselt. Kaum auf dem Platz nimmt er einen Pass von Stuff auf und schiebt das Spielgerät locker am gegnerischen Torwart vorbei ins Netz. Nein, gnädig zeigen sich die Eisernen wahrlich nicht. Und wie das so ist. Selbst ein Klasse getretener Freistoß von Frankfurts Zafer Yelen trifft lediglich den Pfosten von Glinkers Kasten. Geschenke gibt es nicht an der Alten Försterei – die macht man sich nur selbst. Die drei Punkte bedeuten Rang sechs in der Tabelle. So kann es weiter gehen, meinen auch die Weihnachtsmänner an den Bier- und Bratwurstständen vor den Toren der Alten Försterei.

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