Zwei „Traumschiff“-Kapitäne und ein Schiff – Die „Deutschland“ ist ihr maritimes Schicksal

Wenn der 175 Meter lange 22.400-Tonner, einziges Fünf-Sterne-Schiff unter deutscher Flagge, beim Auslaufen sein Typhon losdröhnen lässt, hat ein Mann mit vier goldenen Streifen auf den Ärmeln das Sagen. Zumindest auf dem Bildschirm. Das charakteristische Gesicht kennen alle: Siegfried Rauch.

Auf Anhieb sympathisch, braungebrannt, die weiße Mütze auf silbergrauer Künstlermähne führt er das Schiff mit ruhiger Hand. Als „Kapitän“ wird er auch oft angesprochen, „denn der Andere kann sich ja nicht ständig an Deck sehen lassen“. Peinlich sei es ihm nur einmal gewesen, als er einen Passagier fragen musste: „Sagen Sie mal, wo geht ´s denn hier zur Brücke?“

Erstes Rauch-Schiff

Seit der Indienststellung des Schiffes durch die Reederei Peter Deilmann Reederei aus Neustadt/Holstein im Mai 1998 gehört er zum Kern des „Traumschiff“-Teams. „Chef-Hostess“ Beatrice/Heide Keller und Schiffsarzt Doc Schröder/Horst Naumann sind auch dieses Mal wieder an Bord und drehen für die beliebte Serie „Kreuzfahrt ins Glück“.

Wie Rauch dazu gekommen sei? Die Antwort gibt Produzent Wolfgang Rademann: „Ich hab ´ einfach allen Kandidaten eine Kapitänsmütze aufgesetzt, aber dem Siggi stand sie am Besten“. Wenn der inzwischen 77-jährige Schauspieler seine Fahrtzeiten addiert, kommen über dreieinhalb Jahre heraus. Nicht gerechnet die Segeltörns auf dem oberbayerischen Ammersee, an dessen Ufer der er aufgewachsen und zu Hause ist. „Mein erstes Schiff“, schmunzelt er und lässt sein Pfeifchen genüsslich schmauchen, „war allerdings eine Rettungswanne“. Er weiß, dass er damit für erstaunte Gesichter sorgt, und erklärt: „Die hat mir mal ein Freund geschenkt. Ich brauchte nur einen Mast aufzustellen, ein Betttuch dranzubinden und ab ging ´s auf den See“.

Märchenhaftes Kontrastprogramm

Heute fährt er privat wie auch im Film gern Motorrad, denn „ein Kapitän braucht auch mal Entspannung an Land“.

Schon seit jeher hat der naturverbundene Mime einen starken Bezug zu den Bergen und zum Meer gehabt, „denn die Menschen dort sind sich sehr ähnlich“. Rauch, der ursprünglich Architekt werden wollte, könnte sich durchaus vorstellen, Kapitän zu sein, „wenn ich das nautische Patent hätte“. 1958 entschloss er sich dann aber, Schauspieler zu werden.

Auf vielen Bühnen hat er gestanden und zahlreiche Kino- und Fernsehfilme gedreht. Unvergessen „Es muss nicht immer Kaviar sein“ von Johannes Mario Simmel oder „Mein Freund Winnetou“ mit Pierre Brice. Familienmensch Siegfried Rauch, seit 1964 verheiratet und Vater von zwei Söhnen, verkörpert seither den zuverlässigen und aufrichtigen Idealtypen.

„Jetzt“, sinniert er, „verkaufe ich den Leuten nur noch Träume, Märchen und Fernweh“. Davon könne es nicht genug geben „angesichts lauter Katastrophen“. Die heile Urlaubswelt sei für ihn das Kontrastprogramm „und auch Teil des Kulturauftrages, den das Fernsehen hat“. Vielleicht wird er – nicht nur dafür – eines schönen Tages mit dem Ehren-Titel „Kapitän e.h.“ belohnt.

Vielfältige Rollen

Aber auch der Echte ist ein Kapitän wie aus dem Bilderbuch: Andreas Jungblut. Seit 34 Jahren fährt der 56-jährige „Hamburger Jung“ schon zur See. „Bis auf Tanker habe ich so gut wie alle Schiffstypen kennengelernt, vom Containerschiff bis zum Atomfrachter ´Otto Hahn`“, sagt er, „auch Kümo-Reeder wollte ich mal werden“. Er winkt ab: „Zum Glück ist daraus nichts geworden“.

Ihn reize die Vielfalt seines Berufes: nicht nur Chef, sondern auch Pfarrer, Psychologe, Vater und gleichzeitig Nautiker zu sein. Und damit natürlich viele Rollen zu spielen. „Insofern bin ich auch Schauspieler“, erklärt er, „und ich mache das gern.“ Schiffsführung sei für ihn nicht hierarchisch. „Man muss keine Befehle geben und brüllen, sondern auf seine Mitarbeiter zugehen und ihnen zuhören“. Siegfried Rauch beurteilt seinen „Kollegen“ in einem Satz: „So wie er Menschen führt, führt er auch das Schiff: souverän“.

Für Rauch und viele Andere ist der Sohn eines Övelgönner Lotsen, der bei Kriegsende Kapitän war auf der „Padua“ (heute „Kruzenshtern“), die Idealbesetzung: „Ein 100%-iger Passagierschiff-Kapitän!“

Neue Herausforderungen

Ob er von seinem Schauspieler-Kollegen noch etwas lernen könne? Das sei schwierig. Er agiere mehr spontan, „ein Schauspieler dagegen hat einen vorgegeben Text und wird von der Regie gelenkt“. Während „Kapitän“ Rauch immer die Ruhe selbst geben und Zuschauer-Vorstellungen bedienen muss, widerspricht das ganz offensichtlich dem Jungblut ´schen Temperament. Dennoch würde er gern, so wie Siegfried Rauch bei der jeweiligen TV-Abschiedsgala, „die Reise am Ende auf den Punkt bringen wollen“.

Eine reichhaltige Bilanz wird er 2010 ziehen können, wenn ein gewichtiges Jubiläum ins Haus steht. Seit 25 Jahren fährt der „Deutschland“-Chef über 280 Besatzungsmitglieder und maximal 520 Passagiere schon bei der Reederei Deilmann. „Wissen Sie eigentlich, wie das mal anfing? An einer Bushaltestelle“. Damals traf er einen ehemaligen Seefahrtsschul-Kollegen, der Steuermann auf dem Vorgänger-„Traumschiff“ „Berlin“ war. „Ich wusste bis dahin gar nicht“, lacht er, „dass es Kreuzfahrtschiffe gibt“. 1985 schließlich stieg er auf der „Berlin“ ein und avancierte bereits 1993 zu deren Kapitän. „Als ich mich zum ersten Mal im Spiegel uniformiert sah, habe ich mich nicht erkannt“, erinnert er sich, „so eine Verkleidung war auf einem Frachter absolut unüblich“. Zunächst sei das für ihn eine ziemliche Umstellung gewesen. Aber eine positive, denn „was ich heute an Menschen und neuen Reisezielen kennenlerne, das ist gigantisch“.

Geborener Entertainer

Die Frachterfahrerei sei ihm auf die Dauer zu langweilig gewesen, ohne neue Herausforderungen. „Heute“, freut er sich, „ist die Seefahrt für mich immer noch lustvoll und bietet viele Anregungen. Wer da mal Blut geleckt hat”¦“.

Spektakuläre Aktionen liegen ihm: enge Schleusendurchfahrten, schwierige navigatorische Verhältnisse, die er mit Nonchalance gekonnt meistert. Wie die Schleppfahrt mit einem Wasserskifahrer auf der Kieler Förde oder die „Deutschland“ im Walzertakt mit André Rieux: „Während alle an Deck tanzten, filmte er die Szene aus dem Hubschrauber“.

Auf der Bühne ist er der geborene Entertainer, wenn er zur Begrüßung und Verabschiedung erscheint: undogmatisch, locker, witzig und entspannt – komplett sendereif. So wie er eben ist: ein Kapitän zum Anfassen. Seine Natürlichkeit, räumt Andreas Jungblut ein, würde er vor der Kamera verlieren. Da sind dann die Film-Profis gefragt.

Urlaubsziel Övelgönne

Was es gegenüber dem Fernseh-„Traumschiff“ nicht gibt? „Das Abschiedsessen im kleinen Kreis“, erklärt er, „schon rein räumlich hätten wir da Probleme“.

Das Captains dinner wird ohne Gästetisch zelebriert, um Neider von vornherein auszubremsen. Da müssten viele Repeater und Prominenz wie zum Beispiel Udo Lindenberg, Uwe Seeler, Genscher oder Gorbatschow gleichzeitig bedient werden.

Märchenhaft prominent sei er selber, lächelt der Kapitän. Auf der Südsee-Insel Samoa gebe es auch eine Jungblut-Familie. „Ein Mädel von denen ist jetzt Prinzessin, weil sie den Sohn des Königs von Tonga geheiratet hat. So was färbt ab“.

Hat ein Berufskreuzfahrer mit mehrfacher Weltumrundung noch Wünsche? „Reizen würden mich Expeditionsreisen und solche mit kombinierter Fluss- und Seefahrt“.

Sein nächstes Urlaubsziel? „Hamburg-Övelgönne. Ich will nämlich unser Elternhaus umbauen und mit meiner französischen Lebenspartnerin von der Seine wieder an die Elbe ziehen“.

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