Zumachen, verfallen lassen, abreißen? Zufall oder Methode? – Der Umbau des Dresdner Kulturpalastes wird von sächsischen Behörden erneut verschleppt

Das war völlig anders geplant. Am 31. Juli wurde der Palast geschlossen, seit August sind die Musiker der Dresdner Philharmonie in ihr Zwischenquartier im ehemaligen Kino Metropolis umgezogen. Die Baustellenvorbereitung sollte bereits im Sommer und Herbst erfolgen. Damit hätte man sogar etwas Vorsprung gewonnen. Am 3. Januar sollte der Umbau beginnen. Wiedereröffnung am 1. September 2015.

Um diesen Beschluß war im Dialog zwischen der Stadtverwaltung und den Bürgern sowie im Dresdner Stadtrat hart gerungen worden, flankiert von Gerichtsprozessen, tendenziösen Pressemeldungen und allem Drum und Dran. Da die Freigabe der Bauarbeiten an die Einordnung der Mittel in den Doppelhaushalt 2013/14 geknüpft war, zog die Verschleppung der Haushaltsdebatte im Stadtrat auch die Verzögerung des Baubeginns nach sich. Das Hochbauamt mußte das Architekturbüro von Gerkan, Marg und Partner (GMP) anweisen, die Ausführungsplanung und die Ausschreibung der Bauleistungen einzustellen. Im Stadtrat gab es angesichts von höherem Investitionsbedarf von 500 Millionen Euro bei Kindertagesstätten und Schulen erneute Zweifel, ob die Großvorhaben Kulturpalast und Kraftwerk Mitte mit einem Volumen von 169 Millionen Euro in den Jahren 2012 bis 2016 realisiert werden können. Koalitionen zerbrachen und formierten sich neu. Doch selbst Gegner des Umbaus des Kulturpalastes taten sich schwer, die Verantwortung für ein Scheitern zu übernehmen. Die SPD-Fraktion entschloß sich, dem Projekt zuzustimmen, jedoch unter der Bedingung, das Vorhaben »erneut auf den Prüfstand zu stellen«, falls im Verlaufe der Bauarbeiten die geplanten Kosten um 15 Prozent überschritten werden sollten. Die Linke gründete ihre Ablehnung vor allem auf den Verdacht, der Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann (CDU) habe die Einnahmen willkürlich schöngerechnet oder verkaufe kommunale Einrichtungen, um Geld hereinzuholen. Oder er nehme eine Haushaltssperre bewusst in Kauf.

Dennoch passierte der Haushalt am 10. Januar den Stadtrat. Eine gesonderte Abstimmung über den Kulturpalast brachte überraschend 40 Ja- zu 14 Nein-Stimmen bei 8 Enthaltungen.

Aufatmen bei den Befürwortern des Kulturpalastes, vor allem bei den Musikern der Dresdner Philharmonie, die die Strapazen der jahrelangen Provisorien willig auf sich nehmen, wenn am Ende ein neuer Konzertsaal mit exzellenter Akustik stehen wird. Alles klar: am 24. Januar gab das Hochbauamt den Architekten GMP den Auftrag zur Ausführungsplanung frei.

April, April! Im Freistaat Sachsen ist der Dresdner Stadtrat nicht so frei, seinen Haushalt zu beschließen, sondern der muß von der Landesdirektion Sachsen, die dem Innenminister  Markus Ulbig (CDU) untersteht, bestätigt werden. Das tat sie nicht, sondern bestellte den Finanzbürgermeister für Ende Februar zur Klärung eines Sachverhalts ein. So lange ist nur eine »vorläufige Haushaltsführung« erlaubt. Investitionsvorhaben dürfen nicht begonnen werden – der Kulturpalast! Sogleich titelten die »Dresdner Neuesten Nachrichten«: »Baustart für den Kulturpalast rückt in weite Ferne«. Ist das real oder interessengeleitete Interpretation?

Peter Lames, Fraktionsvorsitzender der SPD im Stadtrat, hält die Intervention der Landesdirektion für politisch motiviert. Im Freistaat Sachsen sei alles CDU-geführt, auch die Dresdner Stadtverwaltung. Die Turbulenzen um den Haushalt seien Zeichen der Uneinigkeit der sächsischen CDU. Es werde »über Bande gespielt«. Interessanterweise sei auch der Finanzbürgermeister Vorjohann (CDU) gegen den Haushalt gewesen. – Stimmt es aber, dass die Einnahmen schöngerechnet worden sind? Sind Einwände nicht berechtigt? – Es gäbe durchaus Möglichkeiten zur Erhöhung der Einnahmen, meint Lames, zum Beispiel durch eine moderate Erhöhung der Gewerbesteuer. Die eigentliche Ursache liege in der Fiskalpolitik der CDU. Das Tabu der Kreditaufnahme sei falsch. Und mit Blick auf die Wahlen zum Stadtrat im Mai 2014: »Die CDU in Sachsen ist eine Kraft, die dringend der Erholung bedarf.«

Lames hält Lösungen für möglich, doch das dauert einige Wochen. Man könne auch nicht verantworten, dass Schulinvestitionen verhindert werden. Das Junktim Kulturpalast und Kraftwerk Mitte hält Lames für einen tragbaren Kompromiss. Die SPD habe dem Umbau des Kulturpalasts entgegen ihrer ursprünglichen Meinung zugestimmt, weil auch das Kraftwerk Mitte ausgebaut wird. »Wir stehen zu unserem Wort.«

Doch was sagt die Stadtverwaltung selbst? Wird der Kulturpalast auf Eis gelegt? Oder können Vorbereitungsarbeiten geleistet werden, um den Zeitverlust in Grenzen zu halten?

Der Kulturbürgermeister Ralf Lunau (parteilos) weicht den Fragen aus und reicht sie an die Pressestelle der Stadt weiter. Der Pressesprecher Kai Schulz teilt mit: »Wir haben noch keine Baulose für den Kulturpalast ausgeschrieben, weil dies abhängig ist von der Feststellung der Rechtmäßigkeit des Dresdner Haushalts 2013/14 durch die Landesdirektion. Der Prüfprozess ist noch nicht beendet.« Schulz ergänzt, »dass nach der Verabschiedung des Haushalts das letzte Planungslos vergeben wurde. Derzeit wird mit allen Planern ein neuer Bauzeitplan verbindlich verabredet.« Verbindlich? Wenn der Haushalt (noch) nicht rechtmäßig ist? Derfn die das? Wie lange wollen die sächsischen Provinzpolitiker die Öffentlichkeit und die Dresdner Stadträte noch verschaukeln? Wollen sie einen neuen Palast der Republik: zumachen, verfallen lassen, abreißen? Baugrund wohlfeil zu haben? Die Philharmonie sucht einen neuen Intendanten. Was hat er zu tun? Das sächsische Innenministerium hat bereits vor zwei Jahren einen Antrag auf Fördermittel der EU durchfallen lassen. Zufall oder Methode?

Oder reden wir vom Kraftwerk Mitte. Auch diese Mittel sind blockiert, für 2013/14 37,2 Millionen Euro. Das stillgelegte Kraftwerk soll in Theater für die Staatsoperette und das Theater der Jungen Generation umgebaut wird. Beide Bühnen  spielen seit Jahrzehnten in ehemaligen Tanzlokalen. Lunau sieht sich in der Pflicht, nach 60 Jahren endlich Ersatz für die Nachkriegsprovisorien zu schaffen. Gerade für Infrastrukturmaßnahmen seien die Mittel aus dem Solidarpakt bestimmt. Noch größer dürfte die moralische und materielle Verantwortung gegenüber der Belegschaft der Staatsoperette sein, die sich durch Lohnverzicht mit 12,2 Millionen Euro an den Baukosten beteiligt. Wenn der Umbau nicht kommt, wird ihnen dann Gehalt nachgezahlt?

Der Kulturpalast ist ein Wahlversprechen der Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU). Im Mai 2014 wird nicht die Oberbürgermeisterin, aber der Stadtrat neu gewählt. Die Wähler wollen wissen, wem sie glauben können.

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