Zum Café Noir an die Côte D’Azur – Serie: Nizza sehen und segeln (Teil 1/3)

Blick auf den Hafen von Nizza

Einen solchen besonderen Tag durfte ich vor kurzem erleben: es ging um eine Kurzreise ins schöne Nizza, genauer gesagt in den dortigen Hafen, um die neueste Entwicklung von „Sunsail“ zu erleben. Der Wahrheit die Ehre: Das letzte mal habe ich im zarten Alter von zehn Jahren ein Segelboot gesteuert, einen sogenannten Optimisten. Und Optimismus ist es auch, den ich jetzt benötige, denn ich weiß auf Grund des langen zeitlichen Abstands nicht, ob ich neben meiner Flugangst auch noch an Seekrankheit leide.

In Grunde genommen kann aber gar nichts schief gehen, denn die Tour ist natürlich komplett betreut, wenn man so will, erwartet mich das Rundum- Sorglos-Paket, jetzt heißt es ganz einfach: erstmal mal cool bleiben.

Das „Sunsail384“ ist ein Katamaran, den man zur Not auch alleine segeln kann. Viel besser aber ist es, zumindest für den Segel-Laien, den schmucken Segler mit mehreren Personen zu chartern. Zur Not auch gleich zusammen mit einem versierten Skipper, wenn die Reiseteilnehmer selber statt einen Palstek zu knoten lieber die einzigartige Atmosphäre des Segelns passiv genießen möchten. So wie ich.

Als ich nach einer unkomplizierten Anreise morgens um 10.15 Uhr am Flughafen in Nizza ankomme, laufe ich gegen eine angenehme Wand lauwarmer Frühlingsluft. Zusammen mit dem Aspekt von Palmen wird der surreale Effekt noch einmal verstärkt: Ich bin in einem begehbaren Urlaubsprospekt gelandet.

Entgegen dem Rat meiner Gastgeber, gebe ich nicht der Versuchung nach und setze mich einfach in eines der zahlreichen Taxis, die schon am Flughafen-Ausgang auf die von den Schiebetüren ausgespuckten Touristen warten. Ich will Freiheit und Abenteuer, und das Abenteuer beginnt jetzt und hier im öffentlichen Personen-Nahverkehr. Für vier Euro erstehe ich eine den ganzen Tag gültige Fahrkarte, was ich als fair empfinde.

Dass ich bis zur Ankunft am Hafen umsteigen muss, bereitet mir keine Sorgen, aber als der Bus zum ersten Mal beschleunigt, ist das schon ein wenig anders. Der Weg führt entlang der Küste, die Bauweise der Gebäude erinnert mich an Eindrücke aus Miami, also diejenigen aus „GTA Vice City“ jedenfalls.

Der Busfahrer ist ein Freund sportlich-unorthodoxer Fahrweise, zugestiegene Rentner werden zur Begrüßung einmal freundlich durch den Fahrgastraum geschleudert, aber die erfahrenen Senioren lächeln deswegen nur wissend in sich hinein. Am „Gare Routiere“, einer jener unfassbaren Abscheulichkeiten der 1970er Jahre, für die man die Architekten eigentlich nachträglich zur Verantwortung ziehen müsste, muss ich umsteigen. Beruhigend, dass auch im ansonsten wunderschönen Nizza etwas an die wirklich wirkliche Welt erinnert.

Die Haltestelle befindet sich an einer sehr engen Straße. Straßenbahnen, die aussehen wie der berühmte TGV en miniature, fahren minütlich sehr dicht an den Wartenden vorbei. Mein Anschluss-Bus schafft es nach einiger Zeit, sich aus dem Verkehrsgewühl herauszuschälen und nimmt mich mit, weiter Richtung Hafen. Der Fahrer sieht aus wie der Rapper Q-Tip von A Tribe Called Quest. Auch er lenkt sein Gefährt, sagen wir mal: eigenwillig. Singend überholt er vorzugsweis rechts und hupt einen Kleinwagen mit besorgniserregender Frequenz aus dem Weg: let it roll, man.

Da bin ich nun am Hafen angekommen, aber wo genau ist jetzt der „Quai Papacino“, mein vorgegebener Treffpunkt?

Also fragen. Ein Polizist winkt ab und steigt auf sein Motorrad, pas de temps, keine Zeit. Vielleicht den Busfahrer kontaktieren, der seine Pause rauchend in der Morgensonne genießt. Der Mann ist freundlich, hat aber ein Problem: er kann links nicht von rechts unterscheiden. Sagt er einfach so. Das zuzugeben, als Mann, als Busfahrer, als Franzose, zeugt doch von einer gewissen inneren Gelassenheit.

Also rechts oder links, es muss eine Entscheidung her. Ich wähle den für mich unangenehmeren Weg, quer durch eine nicht ansatzweise gesicherte Baustelle, und siehe da, ich liege richtig. Einer von diesen seltenen Tagen halt. Nach kurzem Weg erblicke ich auch schon die Zelte, die „Sunsail“ für die Präsentation direkt an den Quais bereitgestellt hat.

Man habe sich schon Sorgen gemacht, berichtet mir meine freundliche Betreuung, eine Dame aus Holland, die mir in den nächsten Stunden kompetent und charmant zur Seite stehen wird. Ebenso charmant schenkt man mir einen Café Noir ein.

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