WM-Titel als generationsübergreifendes Projekt – Die neuen Beachvolleyball-Champions sind zusammen 63 Jahre

Die beispiellose Erfolgsserie der US-Boys von 40 Siegen in Serie bei Weltturnieren war Mitte Mai in Prag unerwartet von Emanuel Rego/Alison Cerutti gestoppt worden. Die brasilianische Kombination bestätigte ihren Aufwärtstrend mit dem folgenden Sieg beim Grand Slam in Peking und triumphierte letztlich auch im wichtigsten Saison-Endspiel im Foro Italico Roms.

Zugleich setzte Emanuel, mit 1,90 m Abwehrspezialist im Hinterfeld, Rekordmarken, die so leicht nicht geknackt werden dürften: Mit 38 Jahren wurde er älteste Champion in der seit 1997 geführten WM-Chronik. Und schaffte mit dem 2,03 m großen und 102 kg schweren Modellathleten Alison seinen insgesamt dritten WM-Triumph. 1999 in Marseille hieß sein Partner Loiola, vier Jahre später in Rio de Janeiro und dann beim Olympiasieg 2004 in Athen jeweils Ricardo. Und noch nie in der WM-Geschichte gab es ein WM-Meisterduo mit größerem Altersunterschied: Alison war elf bei Emanuels ersten WM-Triumph und ist mit nun 25 exakt 13 Jahre jünger als sein Partner!

Weitere Unterschiede: Emanuel steht im 18. Wettkampfjahr – Alison im 6., Turniere: 209 – 47, Siege 72 – 8, Preisgeld: mehr als zwei Millionen Dollar – rund 300 000. Das frischgebackene Weltmeister-Duo ist eine generationsübergreifende Fusion aus Erfahrung, Führungs-und Nervenstärke auf der einen und unverbrauchtem Ehrgeiz, Elan und Athletik auf der anderen Seite.

Ob man ihn angesichts seiner Kraft und Dominanz am Netz in Anlehnung an den allergrößten Boxchampion Muhammad Ali kurz Ali nennen dürfe, war Alison in Prag gefragt worden. "Nein, nein", wehrte jener erschrocken ab. "Dass wir hier in unserem 15. gemeinsamen Turnier erstmals ganz oben auf dem Podest stehen dürfen, das verdanke ich Emanuel. Ich habe in den letzten anderthalb Jahren von ihm viel gelernt und lerne noch immer."

Ein Kompliment, das Emanuel, den man sich wegen seines verbindlich-souveränen Auftretens und der vom Vorbildbewusstsein getragenen Interviews durchaus künftig als Spitzenfunktionär oder Sportminister vorstellen kann, postwendend zurückgab: "Alison hat hier eine großartige Turnierwoche gespielt. Es war die beste Leistung, die er bisher mit mir zusammen gezeigt hat und es war auch unsere bisher beste Teamvorstellung."

Und auf die Frage, wie es komme, dass er selbst mit 38 noch Topleistungen abliefere und ob er so etwas wie das Geheimnis der ewigen Jugend kenne, antwortete Emanuel lächelnd: "Wenn ich mit Beachvolleyball aufgehört habe, werde ich darüber ein Buch schreiben und es dir natürlich schenken." Nein, harte Arbeit, Disziplin, Training, medizinische Betreuung würden die Basis seiner Endlos-Karriere sein, "und vielleicht, dass mir Gott einen so belastungsfähigen Körper geschenkt hat".

Allerdings scheint das Baggern im Sand und Bewegung an frischer Luft tendenziell das Altern hinauszuschieben. US-Rivale Rogers wird im September 38, dessen Partner Dalhausser ist 32, sein Landsmann Fuerbringer ist 37, der Schweizer Heyer und der Holländer Schuil jeweils 38, M. Marcio (37/Brasilien), Laciga (36) und Heuscher (34/beide Schweiz)…allesamt zum erweiterten Kreis der Weltklasse und zu den Top 30 gehörig.

Insofern darf man den Optimismus der deutschen Spitzenteams Brink/Reckermann (29/31), Klemperer/Koreng (31/30) oder Erdmann/Matysik (23/31) und Dollinger/Windscheif (26/23) durchaus teilen, was die Zukunftsaussichten angeht.

Auch bereits 36 ist Emanuels früherer Partner Ricardo. Nach sieben äußerst glorreichen Sandjahren ging die Liason zwischen beiden mit einem desaströsem 17. Rang beim Grand Slam 2009 in Klagenfurt auseinander. Der Frauen-Liebling, Sonnyboy und Monsterblocker Ricardo hatte zu viel Gefallen an den süßen Seiten eines Profidaseins am Beach gefunden. Als Marcio, immerhin mit Fabio 2005 in Berlin Weltmeister, mit Ricardo im Prestigeduell und drei umkämpften Sätzen Alison/Emanuel in Prag unterlegen waren, gab es zwischen Ricardo/Emanuel keinen Handschlag. Was auch bei jüngsten WM-Endspiel unmittelbar nach Abpfiff nicht passierte.

Eine Beobachtung, die das derzeitige Verhältnis charakterisiert. Ricardo auf die Frage nach dem aktuellen Verhältnis zu seinem ehemaligen Kumpel, Mitstreiter und heutigen Rivalen: "Früher standen wir auf einer Seite des Netzes, jetzt stehen wir uns gegenüber. Das ist der Sport, das ist der Unterschied. Ich versuche es professionell zu nehmen."

Von Emanuel gibt es – bei seiner Abgeklärtheit kein Wunder – natürlich kein Nachkarten. Er habe weiterhin erfolgreich Beachvolleyball betreiben wollen – bis London 2012 -, neue Impulse gesucht und sei nun "froh, diesen großartigen Alison an meiner Seite zu haben. Er hat sich in diesem Jahr fantastisch entwickelt."

Mit dem dritten Sieg hintereinander haben Alison/Emanuel auch die Führung in der Jahres-Weltrangliste vor Dalhausser/Rogers und Brink/Reckermann übernommen. Und haben damit beste Voraussetzungen, zu den 24 direkt für das olympische Turnier 2012 in London qualifizierten Teams. Dort lockt die Möglichkeit – die gleiche Chance haben Ricardo und die US-Boys – ein weiteres Novum im Beachvolleyball zu kreiieren: Als Erster ein zweites Mal Gold aus dem olympischen Sand herauszufiltern.

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