Wirtshaus zum Mitterhofer oder Südtiroler Spezialitäten in Berlin

Seit Jahrhunderten und über mehrere Generationen werden in der Schlossbrauerei Reckendorf fränkische Bierspezialitäten nach einem alten Familienrezept gebraut. Seit 1597 heißt es auf dem rückseitigen Etikette, das zudem verspricht, daß der Inhalt „ursprünglich, süffig und würzig im Charakter“ sei. Wir bechern das naturtrübe und unfiltriert Bier und bestellen gleich noch eines hinterher.

„Weich und würzig“, urteilt Mitterhofer und Bolle ergänzt: „Wirklich süffig, kein Stück herb“. Hannes Mitterhofer, der Inhaber des Wirtshauses Zum Mitterhofer weiß, daß in dem Bier richtig guter Hopfen steckt und kein Hopfenextrakt, auch wenn er „nur“ auf ein Diplom als Sozialpädagoge und nicht auf eines als Bierbrauer verweisen kann. An der Berliner Alice-Salomon-Fachhochschule für Sozialpädagogik studierte Mitterhofer einst, doch schon nach einem Jahr als Sozialarbeiter in der Hauptstadt hörte er wieder auf und begann mit Gastronomie. „In dieser Branche hatte ich aus meiner Zeit in Südtirol und während des Studiums Erfahrungen gesammelt“, erzählt er und wir verstehen bei seinen Berichten, daß er zudem genug Gefallen daran gefunden hat.

Das „Bier der Woche“ ist eine Serien-Überraschung mit 52 Folgen pro Jahr. Sicher ist, daß Flensburger und Becks wie Rothaus und Andechser serviert werden. Weine selbstverständlich auch. Ein Sauvignon Premstaler aus Kaltern, ein Südtiroler Gewürztraminer und ein Terlaner Weißburgunder zieren die Karte wie St. Magdalena, Edel Vernatsch, Lagrein und der Andreas Hofer Gedenkwein. Dem Nationalheld Südtirols zu Ehren, der als Freiheitskämpfer gegen die bayerische und französische Besetzung gilt und Wirt im Gasthaus „Am Sand“ war, süffeln Südtiroler und solche, die das werden wollen, einen Cabernet Sauvignon Riserva. Kinder zischen einen Almdudler.

Wir bestellen Qarré vom Milchkalb mit frischem Blattspinat und Kürbis-Kartoffel-Gnocci sowie Lammhaxe mit Polentaschnitten und Zucchinigemüse. Hannes bringt das Essen. Die Teller sind vorgewärmt. Die Zucchini sind heiß und gut geröstet. Die Polenta glänzt goldgelb auf dem weißen Teller. Die Saucen für Kalb und Lamm sind köstlich. Im Wirtshaus zum Mitterhofer werden sie immer wieder reduziert und reifen über zwei Tage. „Ein paar Flaschen Rotwein und ein paar Flaschen Sherry seien darin“, errät Hannes Mitterhofer und erläutert, daß der Wareneinsatz hoch sei. Die Qualität ist hoch. Wenn die Sauce, die das A und O ist, stimmt, dann ist das Alphabet richtig. Die Sauce ist sich selbst bindend. In ihr sind ein wenig Gemüse, vor allem Karotte, Sellerie und Petersilie, sowie gute Gewürze. Das genaue Rezept bleibt ein Geheimnis von Koch Fugmann. Was sich uns jedoch offenbart ist Fleisch, das so zart ist, daß es sich wie von selbst vom Knochen löst, so zart, daß die scharfe Klinge des guten Messers zärtlich durch die rosa Masern schneidet. Wunderbar.
Dennoch ist es bissfest, bis es nach genüsslichem Kauen von der Zunge und aus dem Mund verschwindet. Was für eine Wonne.

Immer mehr Gäste kommen ins Wirtshaus. Einige, die nach einem Tisch fragen und bewirtet werden möchten, müssen leider wieder vor die Tür geschickt werden. Keine Frage: Das Wirtshaus zum Mitterhofer brummt auch an diesem Montagabend. Das liegt nicht nur an Koch und Küche, die wir loben und von Herzen empfehlen, das liegt auch am Wirt des Hauses, an Hannes Mitterhofer, der, wie wir sehen, sich um jeden Gast kümmert, als sei er alleine da, hier und heute.

„Schade, daß wir heute keinen Freitagabend und das Wochenende vor uns haben“, zeigen wir uns ehrlich traurig, denn wir müssen bald gehen, um morgen wieder um 8 Uhr im Hauptstadtbüro des WELTEXPRESS zu arbeiten. Hannes, wir sind mittlerweile beim Du, lacht laut und scheint ein wenig froh darüber, hat er doch schon eine lange Nacht und den heutigen Tag in den Knochen. Schon schwenkt er rum und wendet sich dem nächsten Besucher seines Wirtshauses zu, um Schwätzchen zu halten. Zur zünftigen und gutbürgerlichen Küche die wirklich alpenländisch ist, selbst Meerrettich stammen wie Schnitzel aus Österreich, Wein, Speck und Jausenbrettl kommen aus Südtirol, Zürcher Geschnetzeltes mit Rösti aus der Schweiz. „Heute auf der Tageskarte ist wenig, was mit Tirol zu tun hat“, gibt er zu, als er erneut bei uns am Tisch vorbeikommt, „aber wir schauen schon, daß wir auf der Tiroler Schiene laufen. Selbst wenn wir Fisch wie Saibling und Forelle zubereiten, dann nur Süß- und nie Salzwasserfisch.“

Tiroler Schiene? „Mit den Nordtirolen kommen wir klar, aber wir sind ein Südtiroler Wirtshaus“, sagt Mitterhofer und zeigt sich sichtlich stolz darauf, „keinem italienischen Einfluß“ zu unterliegen. Keine normalen Eiernudeln, keine klassischen Kartoffel-Gnocci. „Hier ist Tiroler Küche für alle angesagt“, stellt er fest und preist seinen Kaiserschmarrn. Wir bleiben doch noch.

Wie ein Mittelgebirge türmt sich die alpine Köstlichkeit auf dem Großteller. Puderzucker satt bedeckt den gebackenen Teig, in dem die Rosinen stecken. In einem besonderen Glas tummeln sich eingelegte Pflaumen. Lecker, lustig und lukullisch ”¦ dieser Nachtisch.

Wirtshaus zum Mitterhofer, Inhaber: Hannes Mitterhofer, Fichtestraße 33, 10967 Berlin, Reservierungen und mehr unter Telefon: 030/34711008, Website: http://www.wirtshaus-zum-mitterhofer.de

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