Wie wäre es, wenn alles dieses nicht da wäre? – Eine ergreifende August Macke – Ausstellung aus privaten Leihgaben und der dazu gehörige Katalog

Walter, drei Tage alt, 1910, Öl, Tusche auf Holz

Frei war der junge August Macke, er experimentierte nach inspirierenden Bildern französischer Künstler, liebte Karikaturen und versuchte sich neben Zeichnungen und Aquarellen auch in Entwürfen für Stickereien, Vasen, Töpfe, Keramiken, Möbel und Teppiche. Der enge Bereich seiner Familie und Freunde war ein zentraler thematischer Aspekt in Mackes Schaffen, vor allem seine Frau Elisabeth, die er als „zweites Ich“ wahrnahm, wird motivisch immer wieder variiert; als Aktfigur, Stickende, Mutter, Ruhende, Lesende und so fort. Die beiden kannten und liebten sich seit der Schulzeit, als sie sich fünfzehn und sechzehnjährig über den Weg gelaufen waren. Diese innige Verbindung, durch die Geburt zweier Söhne verstärkt, ist in Mackes Arbeiten sichtbar geblieben. Die Vertrautheit mit allen nahen Menschen und Dingen, die Macke auszeichnet, war auch Zeichen seiner Sensibilität. So schreibt Elisabeth ihren Lebenserinnerungen; ”¦ „er trug an allem schwer, an seinem eigenen Glück, an der mannigfachen Schönheit der Natur im kleinsten wie im größten, an dem harten Dahinleben mancher Menschen. Ihn ergriff all das im Innersten, und er litt darunter.“

Was reizt uns heute an einem solchen privaten Blick auf einen Künstler? Vor allem die traurige Gewissheit des Unvollendeten, des frühen jähen Todes. August Macke waren nur zehn Schaffens- Jahre vergönnt, er fiel siebenundzwanzigjährig 1914 im Ersten Weltkrieg. In den Kreis seiner Familie und Freunde, seiner Netzwerke und Gönner riss Mackes Tod ein klaffendes Loch. Der ältere Sohn Walter notiert als Sechzehnjähriger in sein Tagebuch: 24. Februar 1927: „Papa war einer der ganz Glücklichen, ein Kind der Sonne! Was könnte ich alles noch von ihm lernen, muß ich immer wieder denken. Aber es ist vielleicht besser, daß ich selbst lerne und mich kläre ohne seinen persönlichen Einfluß”¦ Ich bin so froh, daß ich jeden Tag in Papas Bildern auch seinen Geist, seine Lebensfreude um mich spüre. Wie wäre es, wenn alles dieses nicht da wäre?“ Nur einen Tag später erkrankt Walter Macke, der selbst bereits malerisches Talent erkennen ließ und starb am 10. März 1927 an einer vereiterten Mandelentzündung.

Im Katalog sind viele sehr persönliche Texte enthalten, die von nahen Verwandten und Vertrauten, seinen Enkelkinder, ihren Partnern, den Kindern Elisabeths aus zweiter Ehe mit dem langjährigen Freund der Familie (Lothar Erdmann) geschrieben wurden und davon zeugen, wie liebevoll der Umgang mit dem Künstler und seinem Vermächtnis gepflegt wurde und wird. Wie Bilder versteckt und gerettet, betrachtet und vererbt wurden. Und mit ihnen gelebt. Da wünscht sich der lesende Betrachter einen Abend in der alten Remise des Bonner Macke-Hauses miterlebt haben zu dürfen, wenn Mutter Elisabeth Klavier spielt, dass der Putz nebst Farbe vom Macke-Marc-Fresko rieselt und die Hamster des kleinen Til hinter den an die Wand gelehnten Ölbildern des Großvaters langhuschen, auf der Suche nach Fasern für ein Nest.

Im Freiburger Museum für Neue Kunst haben die Arbeiten Licht und Raum, laden einige der Texte zum Vertiefen ein, dennoch empfiehlt sich nach dem Besuch der Ausstellung unbedingt der Erwerb dieses Kataloges, der in seiner feinen Gestaltung mit Leinenrücken und farblich gestuften Textblöcken einen ganz vorzüglichen privaten Rundgang durch das Universum Macke bietet.

August Macke ganz privat – Eine Reise durch das Leben von August Macke, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung, 144 S., Wienand Verlag, 2009, 29, 80 €

Noch zu sehen:

Museum für Neue Kunst Freiburg, 30. Januar- 9. Mai 2010

August Macke Haus Bonn, 8. Oktober 2010 – 9. Januar 2011

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