Wie die Spottfigur des Kaisers zum idealen Herrscher wird – Serie: Rund um das große Mittelalterprojekt der Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen im „Stauferjahr 2010“ (Teil 6/6)

Skulpturen vom Capuaner Brückentor, Capua, Museo Campano, (Kat. Nr. IV.C.1-12)

Ähnliches gilt für die große Skulptur des „Thronenden Königs“, für den man die Entstehungszeit 1230-1235 annimmt. Dieser wurde aus New York zurück nach Europa verschickt, was bei einem Stein von den Maßen 109,2 x 59,1 x 66 Zentimeter schon ungewöhnlich ist, aber damit zu erklären ist, daß dieser König selbst ungewöhnlich ist. Denn freistehende, aus einem Stein gehauene Skulpturen sind überaus selten und so gibt auch diese viele Rätsel auf. Es könnte sich bei dieser Figur, die man sich an einem Stadttor einer oberitalienischen Stadt vorstellt, ein Formenvergleich spricht für das Umland von Venedig als Ausführungsort, um eine Darstellung des deutschen Kaisers handeln, wobei nicht Ähnlichkeit gefragt ist, sondern die Übereinstimmung dieser Skulptur mit den Eigenschaften, die man von einem guten König/Kaiser/Herrscher erwartet. Nimmt man das ernst und es spricht nichts dagegen, dann kann diese Darstellung also auch eine Idealherrschaft sein, wie sie einst König Salomon vorgab, wie sie aber auch von jeglichem weltlichen Herrscher abverlangt wird, dem Gerechtigkeit als gesellschaftliches Streben ansteht.

Für den dritten Bereich „Sizilien“ führt die Ausstellung eine Reihe von Riesenköpfen aus, die alle vom Brückentor von Capua, dem idealen Bollwerk an der Grenze zum Vatikanstaat, stammen, das stellvertretend zeigt, wie monumental gedacht und abgebildet wurde. Daß die Antike nah ist, sieht man jedem Porträt an, und auch den Tierdarstellungen, die über die Ausstellung verteilt aufzeigen, wie sehr die Stauferkaiser auch um die kunstvolle Darstellung dieser wie auch der Kapitelle besorgt waren.

In der dritten Etage kommt nun das allgemeine Leben hinzu. Sei es eine lange Tafel, die gedeckt ist mit den Tellern und Töpfen, die überlebten, und dem Getier, das man verspeiste oder den Früchten der Region oder auch die Wohnkulturen und Kleider, die man trug. Wie wichtig der Pilger für das Durchdringen Europas war, wird leider nur an den Wegen nach Rom quer durch Europa gezeigt. Festes Schuhwerk brauchte man, das wird gezeigt, aber es wäre sicherlich interessant gewesen, auch die Wege nach Santiago de Compostella oder erst recht nach Jerusalem aufzuzeigen, die die Staufer ja beschritten.

Andererseits ist auch so genug, was zu betrachten und zu erwägen ist, will man auch nur einen kleinen Teil dieser umfassenden Ausstellung gedanklich erfassen. Wir haben nur wenige Werke ausgewählt, nichts über den kaiserlichen Krönungsmantel als Pluviale mit Adler und in rot und Gold geschrieben, nichts aber das Bußgewand der Heiligen Elisabeth, die in der Ausstellung stellvertretend für die neue Frömmigkeit einsteht, mit der nun Gott als das persönliche Gegenüber verstanden wurde, mit dem Zwiesprache gehalten wurde und eine Innenschau des Menschen die Folge war. Ach, es wäre soviel, worüber man räsonieren müßte, wieso erst die Erbschaft von Sizilien in Europa das wieder lebendig werden ließ, was die Byzantiner wie auch die Araber vom griechischen Erbe bewahrt hatten, was aber im kontinentalen Europa verloren gegangen war und nun wieder zu neuer Bedeutung kam. In diesen Kontext gehören auch die Universitätsgründungen, die Friedrich II. in Italien vornahm. Aber eben so viel mehr, was man bei gründlichem Besuch dieser Ausstellung in Mannheim fürs Leben mitnimmt. Und wenn man sich anschließend damit beschäftigt, wie das in unseren Breiten wirklich war, zu Zeiten der Staufer, dann wäre das auch keine schlechte Weiterarbeit einer so umfassenden Ausstellung, die die Reiss-Engelhorn-Museen zustande brachten.

Ausstellung: Bis 20. Februar 2011

Internet: www.staufer2010.de

Tip: Abgesehen vom Rahmenprogramm, das Sie der Webseite entnehmen, gibt es eine Vielzahl weiterer Orte zu besichtigen, die noch heute von den Staufern erzählen. Darunter besonders eindrucksvoll die Burg Trifels, „die vornehmste Feste der Stauferzeit“, deren Geschichte spannend ist. Sie ist der Ort, wo die Kopien der in der Wiener Schatzkammer ruhenden Reichsinsignien aufbewahrt werden, die derzeit in voller Pracht von Gold und Edelsteinen gezeigt werden. Sie werden auch die Reichskleinodien genannt: die Bügelkrone, der Reichsapfel, das Zepter sowie das Reichsschwert, das Reichskreuz und die Heilige Lanze. Das Gemäuer ist so einbruchssicher, daß es die Staufer idealerweise auch als Staatsgefängnis nutzten. Der berühmteste Gefangene war Richard Löwenherz, englischer König, der für ein immenses Lösegeld frei kam, der allerdings auch zuvor auf der Burg nicht im Verlies schmachtete, sondern vom Burgvogt gut behandelt wurde und sogar ein touristisches Programm durch die schöne Pfalz absolvierte.

Schriftwerke:

Katalog und Essayband „Die Staufer und Italien“, hrsg. von Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter und Alfried Wieczorek, zweibändig im Schuber, Konrad Theiss Verlag Stuttgart

Tagungsband „Verwandlungen des Stauferreichs“, hrsg. von Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter und Alfred Wieczorek, Konrad Theiss Verlag

Tagungsband „Staufisches Kaisertum“, hrsg. von Stefan Burkhardt, Thomas Metz, Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter, Schnell und Steiner Verlag, Regensburg

Reiseführer „Reiselust Stauferzeit“, hrsg. von Alfried Wieczorek, Schnell und Steiner Verlag, Regensburg

Info I: Das Projekt „Die Staufer und Italien“ hat das Mittelalter zum Inhalt, dessen Machtzentren sich auf Burgen konzentrierten, weshalb es eine sehr gute inhaltliche Vorbereitung oder Nachbereitung ist, sich die beiden Burgen-Ausstellungen in Berlin und Nürnberg – vergleiche unsere Artikel – anzuschauen. Über deren Kataloge schrieben wir: Grundsätzlich gibt es zu den beiden Burgenausstellungen in Nürnberg und Berlin drei Bände, denn der Begleitband „Die Burg“ zu den beiden Ausstellungen „Mythos Burg“ und „Burg und Herrschaft“ , alle im Sandstein Verlag, Dresden 2010, faßt die wissenschaftlichen Ergebnisse zusammen, die im Vorfeld zusammenkamen und mitausschlaggebend dafür sind, daß die Ausstellungen mit viel Unsinn aufräumen, was sich in bundesdeutschen Köpfen durch falsche Mär eingenistet hatte.

Natürlich kann man auch die Bände in den jeweiligen Ausstellungen einzeln erwerben, aber im Dreierpack hat man etwas fürs Leben. Was den Nürnberger Katalog angeht, so zeichnet er die acht Stationen der Ausstellungen nach, was dem Lesen und Nachsinnen des Geschauten gut tut, weil man es im Katalog im selben thematischen Zusammenhang sieht wie in der Museumsschau. Die Exponate sind fast alle bebildert und haben ausführliche Texte. Die Literaturangaben stellen sicher, daß Sie die nächsten Jahre keinen Lektüremangel kennen und das alphabetische Personenregister macht möglich, daß Sie bekannte Künstler oder Personen der Geschichte sofort finden, auch ohne die acht Stationen nach ihnen durchzublättern.

Auch für Erwachsene geeignet der Kinderkatalog „Die Burgenratten sind los“ zu „Mythos Burg“, hrsg. von G. Ulrich Großmann, Germanisches Nationalmuseum 2010, in dem kulturgeschichtliche Grundlagen auf kindlicher Fragestellung gelegt werden und ein Glossar endlich „die Motte“ erklärt: „Frühe Form der Burg mit einem turmförmigen Gebäude, das meist aus Holz errichtet war und auf einem künstliche errichteten Hügel stand“. Angenehm, wie stark dieser Katalog auf das Leben der Leute auf den Burgen, einschließlich ihres Speiseplans eingeht. Die „Armen Ritter“ werden als Rezept mitgeliefert, einmal auf rheinfränkisch, Original von 1445, dann die hochdeutsche Übersetzung. Witzig ist, daß sich das alte Deutsch liest, wie ein Ausländer Deutsch spricht.

Info 2: Mit freundlicher Unterstützung des MARITIM Mannheim, das ein guter Standort für den Ausstellungsbesuch der Staufer genauso ist, wie geradezu ideal für die um die Ecke liegende Kunsthalle Mannheim und auch sehr nah dem Nationaltheater, wo uns besonders der Opernspielplan interessiert. Wir melden uns also bald wieder aus Mannheim und dem dortigen MARITIM, einem Bau aus dem Jahr 1901, das so gründerzeitlich wie jugendstilig ist und komplett renoviert wurde, aber immer noch den Geist einer feudalen Zeit atmet, also inmitten moderner hochgebrezelter Hotels etwas Besonderes ist, was nicht nur für den Bau gilt.

Parkhotel Mannheim, Friedrichsplatz 2, 68165 Mannheim, Telefon 0621-1588-0, Email: info.man@maritim.de

Internet: www.maritim.de

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