Von wegen biedere Familienkutsche – Der neue Meriva rückt dem Zafira auf den Pelz

Der neue Opel Meriva 2010.

Von Anfang an verfolgten sie die Idee, den Meriva nach Kutschenart mit gegenläufigen Türen zu bestücken. Dadurch dass die Scharniere der hinteren Seitentüren an die C-Säule wanderten und vorne wie hinten ein Öffnungswinkel von 84 Grad (normal sind 65 bis 67) realisiert wurde, kommen die Fondpassagiere genauso bequem auf ihre Plätze wie ihre Vorderleute, und auch Familien mit Kleinkindern profitieren von dieser Portallösung, weil der Nachwuchs mit weniger Verrenkungen in die – dank Kutschen-Konzept einfacher zu montierenden – Sitze gehievt werden kann. Die Möglichkeit der flexiblen Innenraumnutzung wurde konserviert und sogar noch verbessert: Der Fünfsitzer ist künftig in Nullkommanix durch Polster-Verschieben in einen besonders viel Bein- und Ellbogenfreiheit bietenden Viersitzer zu verwandeln, weil die Sitze nicht mehr um einen Z-Knick im Schienensystem herummanövriert werden müssen, sondern auf direktem Weg schräg nach hinten gleiten.

Wesentlich einfacher gestaltet sich im neuen Minivan auch das Zusammenfalten der Fondsitze: Zum einen müssen die Kopfstützen nicht mehr ausgebaut werden, zum anderen schlägt ein einziger Zug an einer Schlaufe den daranhängenden Sitz der Ladefläche zu. Im alten Meriva verhinderten zwei störrische Hebel den schnellen Umbau; wer ihn nur alle Jubeljahre in Angriff nahm, war gut beraten, die Betriebsanleitung daneben zu legen.

Kenner des Alt-Meriva wundern sich allerdings darüber, dass sich zwar der Breitenwachstum um 12 Zentimeter auf 1,81 Meter im Innenraum positiv bemerkbar macht, nicht aber die Verlängerung um 24 Zentimeter auf 4,29 Meter. Gewiss: Bei voller Bestuhlung passen jetzt 400 Liter unter die Abdeckung, 40 mehr als beim 4,05 Meter kurzen Vorgänger, und auch das Maximalvolumen ist gestiegen – von 1410 auf 1500 Liter, doch was sich sonst noch vergrößert hat, wird dem Fahrer erst beim Ein- und Ausparken bewusst: Der trotz Sitzhöhenverstellung nicht einsehbare Bereich vor der Windschutzscheibe beansprucht mehr Rangierraum als früher.

Dem Designer-Team kann man bescheinigen, dass es die nach wie vor vorhandene Zweckmäßigkeit rundum fesch verbrämt hat. Ganz besonders gelungen wirken Heckpartie und Seitenansicht: Bei neuen Meriva liegt die Unterkante der Seitenfenster nicht mehr alle auf einer Linie, sondern steigt wellenfömig nach hinten an. Das sieht zum einen schön aus und beschert zum anderen kleinen Fondpassagieren eine bessere Sicht nach draußen. Zudem wurden, aus genau demselben Grund, die Sitze in der zweiten Reihe auf einem etwas höheren Sockel gesetzt.

Auch andere Veränderungen nimmt der aus dem alten ins neue Modell verpflanzte Fahrer als Verbesserung wahr – beispielsweise das vom Zafira übernommene, straffer abgestimmte Fahrwerk, die weniger teigige Lenkung und das Blinker-Geräusch. Im Vorgängermodell waren die Leuchten oft länger aktiviert als erforderlich, weil sie ihre Arbeit im Stillen verrichteten. Das neuerdings nicht nur in der Höhe, sondern auch in Längsrichtung verstellbare Lenkrad stellt ebenfalls einen Mehrwert dar, und wer öfter Fahrräder transportiert, wird sich darüber freuen, das jetzt auch der Meriva mit der ursprünglich für den Corsa entwickelten, FlexFix genannten Vorrichtung am Heck zu bestellen ist – einer 590 Euro teuren Trägerkonstruktion, die man, wie ein Schublade, bei Bedarf aus dem hinteren Stoßfänger herausziehen kann.

Das Motorenangebot wird in der Einführungsphase aus drei 1,4-Liter-Benzinern bestehen. 74 kW/100 PS stellt das Basisaggregat bereit, 88 kW/120 PS bzw. 103 kW/140 PS die beiden Turbo-Varianten. Die beiden schwächeren Motoren verbrauchen im Test nach EU-Norm 6,1 Liter je 100 Kilometer, für den stärkeren, den einzigen Vierzylinder im Meriva-Startaufgebot mit Sechs- statt Fünfgang-Schaltung, werden 6,7 Liter ausgewiesen. Die kleine Käufergruppe, die den Meriva lieber mit Diesel betankt, wird zunächst einen 74 kW/100 PS starken 1,7-Liter-Selbstzünder mit Sechsstufen-Automatik beim Händler vorfinden; kurze Zeit später schiebt Opel einen 1,3-Liter-CDTI mit 1,3 Liter Hubraum und 55 kW/75 PS nach. Diese Varianten verbrauchen 6,4 bzw., 4,9 Liter je 100 Kilometer. In puncto Zugkraft können es die beiden Turbobenziner zumindest mit dem 1,3-Liter-Diesel aufnehmen: Sie stellen 175 bzw. 200 Nm bereit. Der 1.3 CDTI wartet mit einem Drehmomentmaximum von 180 Nm auf, beim 1.7 CDTI können bis zu 260 Nm abgerufen werden.

Das preiswerteste, serienmäßig unter anderem mit sechs Airbags, der elektronischen Fahrstabilitätskontrolle ESP, Berganfahr-Hilfe, elektrischer Parkbremse, Tagfahrlicht, elektrischen Fensterhebern in den vorderen Türen sowie elektrisch einstell- und beheizbaren Außenspiegeln aufwartende Modell kostet 15 900 Euro. In den Opel-Planungen spielt es jedoch kaum eine Rolle, weil die breite Masse der Käufer vermutlich 19 320 und mehr Euro anlegen und den schwächeren Turbobenziner mit Edition-Ausstattung ordern wird. Dann ist der Wagen nicht nur zügig zu bewegen, sondern hat ab Werk auch eine Klimaanlage und ein Radio mit CD-Spieler an Bord. Außerdem finden die Passagiere ab dieser Ausstattungsstufe die so genannte FlexRail-Mittelkonsole vor, ein formschönes Aluminium-Grundgerüst, auf dem sich beispielsweise eine Armlehne mit integriertem Staufach und ein Getränkehalter installieren und nach Belieben verschieben lässt.

Die Kopfstütze für den dritten Passagier im Fond lässt sich Opel aber selbst in den höherwertigen Meriva-Varianten noch mit 50 Euro bezahlen, und die Verlängerung der Herstellergarantie von zwei auf sechs Jahre, erhöht den

Preis um weitere 487 Euro. Richtig bedauerlich ist allerdings nur, dass die bequemen und sogar von der Aktion Gesunder Rücken für gut befundenen Sitze für Fahrer und Beifahrer Extra-Kosten (500 Euro) verursachen, und weitere 400 Euro fällig sind, wenn die Halogenscheinwerfer der Lenkradbewegung folgen oder beim Abbiegen um die Ecke leuchten sollen.

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