Von Estremoz nach Évora – Serie: Von Eicheln, schwarzen Schweinen, mittelalterlichen Burgen und exzellentem Wein (Teil 2/4)

Das Hotel "M'Ar De Ar Aqueduto" bietet modernstes Ambiente vor der imposanten Kulisse eines römischen Äquaduktes.

Auf dem Markt in Estremoz

Nach dem Frühstück bin ich der erste, der mit Sack und Pack wieder vor dem Hotel steht. Unser Busfahrer verlädt nach einem freundlichen Gruß meinen Koffer. Wir stehen da, warten. Und rauchen. Wir sagen kein Wort, aber das Schweigen ist nicht eines von den anstrengenden, sondern wir verstehen uns auch so. Männer können das. Nach und nach erscheinen alle Reisenden und wir machen uns unter der Führung von Lisa und Fernanda auf den Weg in die Innenstadt von Estremoz. Wir gehen den Hügel hinab zum alten Stadttor, hinter dem die heutige, eigentliche Stadt erst beginnt. Hier oben in der Altstadt ist es auffallend ruhig und leer.

„Die jungen Leute ziehen alle weg aus den historischen alten Stadtteilen“ erzählt Fernanda, „alle wollen jetzt in einer dieser modernen Siedlungen außerhalb wohnen. Das ist ihre Auffassung von Wohlstand“, sagt sie leicht resigniert. Schade ist es allemal, dass sich niemand mehr für die kleinen Häuschen in den verwinkelten Gassen zu interessieren scheint. Sie sind durchaus noch gut in Schuss, aber für einen zwei Meter großen Menschen wie mich auch nur bedingt geeignet, um darin länger zu wohnen.

Wir erreichen den Marktplatz des kleinen Städtchens und obwohl Portugal Mitglied in der EU ist, merkt man sofort, dass wir uns hier in einem Land mit eigener Verkaufskultur befinden. Mehrheitlich ältere Menschen handeln und feilschen lautstark um den Preis der Waren. Das Angebot ist reichhaltig, neben frischen Früchten, von denen wir köstliche Feigen probieren, fallen die kunstvoll gefertigten Töpferwaren in ihrer bunten Pracht und die Vielzahl an lebendig gehandelten Nutztieren auf, wie Geflügel und Kaninchen. Viele der Marktbesucher haben sich schicke Kleidung angezogen, obwohl heute erst Samstag ist: die Stiefel sind gewienert, ein buntes Kleid an oder einen kecken Hut schräg auf dem Kopf. Es geht turbulent zu hier auf dem Markt, über eine Stunde lassen wir uns in der bunten Menge treiben. Dann geht es weiter nach Évora, unserer zweiten Station.

Akzente der Moderne in historischer Kulisse

Die Stadt Évora ist die Kapitale des gleichnamigen Distriktes, eine Bischofstadt, in der knapp 50 000 Einwohner leben. Gegründet wurde Évora zur Zeit der Römer, noch heute zeugen ansehnliche Relikte, wie ein gut erhaltenes Äquadukt und der nicht minder gut konservierte Diana-Tempel von diesem Erbe. Seit 1986 gehört der historische Stadtkern Évoras zum Unesco-Weltkulturerbe. Die Mischung der verschiedenen Stilepochen fügt sich zu einem erstaunlich harmonischen Ganzen zusammen. Und dort, wo Brüche entstanden sind, ergibt sich der Reiz der Szenerie aus dem kontrastreichen Zusammenspiel unterschiedlicher Kulturepochen.

Einen besonders modernen Akzent setzt das mitten in der Altstadt gelegene Hotel „M’Ar de Ar Aqueduto“, das wie der Name schon besagt, seinen Gästen einen schönen Ausblick auf das römische Aquädukt bietet. Das futuristische Ambiente des Fünf-Sterne-Hauses ist etwas ganz anderes als das Ambiente unserer Pousada vom Morgen, weniger reizvoll ist es deswegen nicht. Der moderne Teil der Anlage wurde an einen Palast aus dem 15.Jahrhundert, dem Sepúlveda-Palast, angebaut. Alles ist hier vom Feinsten, alles blinkt und blitzt, die Räume sind angenehm kühl temperiert. Man könnte hier wunderbar ein neues Video für Robbie Williams oder die Pet Shop Boys drehen, in Retro-Pop-Art Sesseln nehmen wir eine schnelle Erfrischung zu uns und weiter geht’s zur Weinprobe.

Dazu besuchen wir einen Weinprobenraum der CRVA, der gleich um die Ecke an einem schönen Platz gelegen ist. Der Name steht für „Comissao Vitivinicola Regional Alentejana“ und bietet Wissenswertes über die und Proben der exzellenten Weine der Alentejo-Region. Hier erfahren wir etwas über die Ursachen des Weinbau-Booms im Alentejo, dessen DOC-Ursprungsgebiet erst 1998 neu definiert wurde. In dem stabil heißen und trockenen Kontinentalklima der Region lassen sich vergleichsweise problemlos und in ausreichender Menge Weine erzeugen, nach denen der jünger gewordene Markt verlangt. Das sind vor allem körperreiche Rotweine mit vollmundiger Frucht und weichem Tannin. Ausgeklügelte Bewässerungsmethoden und moderne Technologien lassen auf den zumeist sandig-lehmigen Böden des Alentejo auch unter den hier herrschenden extremen Bedingungen Spitzenweine reifen.

Die Wunderwelt der Tradition – Essen im Alentejo

Dann gibt es endlich wieder was zu Essen. Es ist nicht jedermanns Sache, am hellichten Tag schweren Rotwein ohne entsprechende Grundlage zu trinken, deshalb freuen sich alle auf feste Nahrung. Wir kehren in einem äußerlich unscheinbaren Restaurant ein, in dem es das beste Essen auf der ganzen Reise genießen werden, wie sich zwei Stunden später herausgestellt haben wird.

Das Lokal heißt „Dom Joaquim“ liegt fast unsichtbar in eine kleinen Seitenstraße und ist bis auf den letzten Platz mit Einheimischen gefüllt. Das ist immer ein Indiz für hohe Qualität. Angenehm kühl ist es und, angesichts der Menschenmenge, überraschend leise. Nur ein dezentes Grundmurmeln dringt hervor, denn in Portugal werden die meisten Dinge des Alltags bei einem guten Essen besprochen. Das kann schon mal ein paar Stunden dauern. So auch hier: an großen runden Tischen sitzen Freunde, Familien, Liebespaare die lachen, essen, trinken und Spaß am Leben haben. Es ist herrlich hier, denke ich, an keinem anderen Ort auf der Welt möchte ich jetzt sein.

Die dreisprachige Karte bietet alles, was die abwechslungsreiche Küche des Alentejo so besonders macht. Mit Respekt vor der Tradition wird hier gekocht, raunt es aus der Gerüchteküche der Reiseteilnehmer, die schon einmal hier waren. In Portugal ist es durchaus üblich, dass die Vorspeisen und teilweise auch der Wein unaufgefordert gereicht werden. So auch hier: viele kleine Schälchen, mit so genannten „petiscos“ halten bereits Köstliches bereit als wir Platz nehmen. Wir probieren Salat von dicken Bohnen mit Chorizo, Hühnerpastete, in Olivenöl eingelegte Paprika, butterweicher Käse von Ziegen und Kühen der Region, Salat aus Kichererbsen und Stockfisch, Kaninchenstücke kleingeschnitten mit Olivenöl und Zitrone. Schon an den Vorspeisen kann sich ein normaler Mensch eigentlich reichlich satt essen.

Frittierte Schweineohren sind auch zu haben, werden aber nicht bestellt. Denn es gibt ja noch mehr zu entdecken. Mit dem Hauptgang beginnt meine Liaison, ach was, meine Liebesbeziehung mit dem schwarzen iberischen Schwein. Rein platonisch, kontemplativ und kulinarisch, versteht sich. Nahm man sich noch vor kurzem zu Hause vor, das minderwertige Supermarktfleisch der Euro-Retortenschweine so weit wie möglich vom Speisezettel zu verbannen, ist dieses Schweinefleisch hier etwas völlig anderes. Noch nie habe ich etwas so Leckeres gegessen. Einfach fantastisch.

Die alentejanische Küche ist von je her sehr erdverbunden und basiert auf drei essentielen Zutaten: Brot, Olivenöl und Kräuter. Sauerampfer und Disteln werden ebenso verwendet wie Brotreste (schmeckt spitze!) und Koriander und Knoblauch als Relikt aus der Zeit der Mauren. Regionale Spezialitäten sind Hasen- und Kaninchengerichte, Eintöpfe mit Lamm- oder Ziegenfleisch und erstaunlicherweise eine Suppe aus Katzenhai. Auch die „Ensopado de Borrego“, ein Lammeintopf, ist sehr typisch für die Region und wird gerne gegessen. Als die Nachspeise kommt, bin ich kurz vor dem Platzen und verzichte für diesmal. Ein schöner doppelter Espresso ist jetzt die bessere Wahl, da die Desserts, wen wundert’s, ebenfalls bodenständig kräftig, oft mit vielen Eiern hergestellt werden. Ich möchte nach dem Essen gar nicht mehr aufstehen, so perfekt ist die Situation. Allein, unsere quirlige Fernanda treibt die träge Gruppe auf die Gasse zurück. Und tatsächlich sehen wir noch etliches Schöne auf unserem Weg durch Évora.

Wunderbar ist nicht nur der „Praca do Giraldo“, auf dem ein Marmorbrunnen umringt von Arkaden einladend plätschert sondern auch die 500 Jahre alte Universität, die erst 1979 wieder eröffnet wurde. Die Kathedrale „Se“ mit ihren einzigartigen zwölf frühgotischen Apostelfiguren aus Marmor bestimmt mit ihren zwei unterschiedlichen Granittürmen entscheidend das Weichbild Évoras. Etwas makaber, aber doch von einem schwarzen Humor franziskanischer Mönche zeugend zeugend, ist die „Capela dos Ossos“, das Beinhaus der Kirche Sao Francisco. Zur Besinnung kommt man hier durch den einladenden Begrüßungsspruch: „Reisender, was eilst Du so? Wisse, das alles Leben so endet wie in diesen Räumen. Wir Knochen, die hier ruhen, warten auf die Deinen…. Dennoch ist Évora eine überwiegend heitere Stadt mit lebendigem Flair und sehr gastfreundlichen Menschen. Ein Tag ist definitiv zu kurz für diese wunderschönen Ort, man sollte sich mehr Zeit nehmen.

Übernachten im Konvent

Als sich der Tag dem Ende zuneigt kommen wir zum „Convento do Espinheiro“, dem Ort unserer heutigen Übernachtung. Das ehemalige Kloster wurde vor kurzem zu einem Fünf Sterne deLuxe Spa und Wellness Hotel umgebaut, weil ein Investor festgestellt hatte, dass es in der Region Évora so etwas noch nicht gab. Zur Anlage gehört eine prachtvoll renovierte Kirche, in der zum Zeitpunkt unserer Ankunft gerade eine Hochzeit stattfindet. Offizielle Gottesdienste gibte es hier nicht mehr, aber man kann den Ort als Hintergrund für Feste feierlicher Art buchen.

Der Legende nach soll, dort, wo heute die Kirche steht, die Jungfrau Maria Anfang des 15.Jahrhunderts auf einem Dornenbusch erschienen sein.Im Jahre 1458, als immer mehr Pilger den heiligen Ort ansteuerten , wurde mit dem Bau der Kirche begonnen dem später die Errichtung des Konvents folgte. Sogar die Könige Portugals waren für einige Zeit hier untergebracht.

Die Zimmer sind geräumig und luxuriös, der Blick von der großen Terrasse, über die fast jedes Zimmer verfügt, geht über den Swimming-Pool in einen wie gemalten Abendhimmel. Das Abendessen besteht aus einem 5-Gänge Menü, das wir in einer kerzenbeleuchteten Raum unter den historischen Torbögen des Konvents einnehmen. Wieder ist das Essen sehr gut und der Wein ebenso. In entspannter Atmosphäre begleiten uns unsere Gastgeber charmant durch den Abend. Sie versorgen ihre Gäste heute mit allerlei Geschichten rund um das Konvent, die mit einigem Talent vorgetragen werden. Muito bem.

Am Ende eines langen und ereignisreichen Tages falle ich in ein King-Size-Bett in dem eine halbe Fußballmannschaft übernachten könnte und denke das erste Mal über das Auswandern nach Portugal nach. Vielleicht könnte man Schweine züchten oder man kön…. Tja, leider schon eingeschlafen.

Das war’s für heute. Mehr schon bald, wenn wir mit einem Boot auf dem größten Binnensee Europas fahren und später einen Hauch von „Out of Africa“ verspüren…

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Info:

RESTAURANTE DOM JOAQUIM, Rua dos Penedos 6, 7000-537 Évora – Portugal, Tel: +351 266 73 11 05, Email: restaurantedomjoaquim@gmail.com

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CVRA – ROTA DOS VINHOS DO ALENTEJO, Praça Joaquim António de Aguiar, 20-21, 7001-901 – Évora, Tel: +351 266 746498, Email: rota@vinhosdoalentejo.pt, Internet: www.vinhosdoalentejo.pt

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HOTEL M’AR DE AR AQUEDUTO, Rua Cândido dos Reis, 72, 7000 Évora, Tel: +351 266 739 300, Email: geral@mardearhotels.com, Internet: www.mardearhotels.com

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HOTEL CONVENTO DO ESPINHEIRO, Bairro dos Canaviais, 7002-502 Évora, Tel: +351 266 788 200, Email: info@conventodoespinheiro.com, Internet: www.conventodoespinheiro.com

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