Vom „Schwitzkasten“ zum Powwow

Tänzer beim Powwow

Hinter dem Schamanen öffnet sich der Ledervorhang. Eine nasse Holzrutsche wird in die Schwitzhütte geschoben, ihr Ende landet in einer Feuermulde. Groß wie Kanonenkugeln, manche von der Hitze aufgeplatzt, andere von Funken bedeckt, rollen vier oder fünf glühende Brocken herein. Mit jeder Sekunde wird es heißer, fast unerträglich. Ohren und Fingernägel beginnen zu schmerzen. Beklemmungen machen sich breit. Plötzlich wird der Wassereimer gehoben – und zischend verdampft das Nass, das der Schamane langsam ausgießt.

Der Friedenspfeife folgt glühende Hitze

Dampf vernebelt die Sicht. Nur sich nicht nach vorne bewegen, denn da ist die Hitzequelle. Noch ein Zischen, ein Stein zerspringt knallend in zwei Hälften. Langsam wird es leiser, die feuchte Hitze hält alles wie im Würgegriff. Schwitzhütten stammen aus Nordamerika, entstanden aber erst nach Ankunft der Europäer. Die brachten nicht nur ihre fremde Zivilisation, sondern auch Alkohol, Bakterien und schlechte Gewohnheiten zu den Nomaden der Prärie. Um sich von den schädlichen Einflüssen zu reinigen, erdachten Medizinmänner die Schwitzzeremonie. Sie soll eine Rückführung in den Embryonalzustand symbolisieren, zurück in Unbeflecktheit, dunkle Enge und feuchte Wärme. Zuvor darf kein Alkohol getrunken und wenig oder nichts gegessen werden. Ursprünglich war das reine Männersache, jetzt schwitzen Mann und Frau gemeinsam. Oft wird noch traditionell eine etwas über einen Meter hohe Kuppel aus Weidenästen geflochten und dann mit Bisonleder überzogen. Es kann aber auch eine innen rund ausgekleidete Holzbehausung sein, die kuppelförmig mit Erde oder Torf abgedeckt ist. Durch die Öffnung an der Ostseite, zur aufgehenden Sonne, kriecht man hinein und setzt sich rund um die Feuerstelle.

Dann raucht der Schamane erst mal die Friedenspfeife

Mitten in Manitobas Hauptstadt Winnipeg unterhalten die „First Nations“, wie sich die Indianer Nordamerikas nennen, das Thunderbird House, zu dem die Schwitzhütte gehört. Es wurde von einem bekannten Architekten gebaut und hat vier Eingänge entsprechend der vier Himmelsrichtungen. Dort werden Versammlungen abgehalten, und es wird für Veranstaltungen vermietet. Auch die Teilnahme an der Schwitzzeremonie ist möglich, wobei Kameras und Handys unerwünscht sind.

Etwas später dröhnen laute Schreie und unerbittliches Trommeln durch eine riesige Halle, die sonst Schauplatz heftiger Eishockeywettkämpfe ist. Etwa 500 Tänzerinnen und Tänzer (auch Kinder) kreisen im Uhrzeigersinn durch die Arena. Eine nicht zu überbietende Farbenpracht der Stoffe, Perlen, Ornamente, Schilder und Kronen aus Borsten und Federn: Das Manito Ahbee-Festival ist ein Festspiel mit Tänzen, Musikwettbewerben und Kunsthandwerksverkauf. Winnipegs längstes Festival findet zehn Tage von Ende Oktober bis 10. November statt und bietet viele Attraktionen. Zahllose Stände rund um die Arena bieten indianisches Kunsthandwerk aus ganz Nordamerika. Dazwischen bewegen sich immer wieder Tänzer im vollen Ornat.

Ein „Powwowtag“ (gesprochen: Pauwau) beginnt frühestens mit dem offiziellen Weckruf eines Ausrufers bei Sonnenaufgang und endet spätestens mit dem Ende von inoffiziellen nächtlichen Privatparties am nächsten Morgen. Dazwischen gibt es Einzelveranstaltungen inner- und außerhalb der Arena. Musikgruppen spielen live, wozu alle auf eine große Trommel schlagen. Es gibt sehr viele Powwow-Lieder mit Texten und Rhythmen für unterschiedliche Gelegenheiten. Jeden Tag werden neue komponiert. Innerhalb einer Musik- und Tanzveranstaltung kann es Wettbewerbe geben. Sowohl die besten Musiker als auch Tänzer werden prämiert. Etliche Indianer leben nur von solchen Powwow- Prämien.

Das Manito Ahbee in Winnipeg ist jedes Jahr ein Publikumsmagnet und Treffpunkt von Fotografen aus aller Welt. Manito Ahbee bedeutet: „Wo der Schöpfer sitzt.“ Das soll an eine heilige Stätte erinnern, an der viele First Nations sich versammeln, um Wissen und Weisheit zu teilen. Nach dem Festival geht es für die Indianer zurück in Regionen, die oft nur über ungeteerte Pisten erreichbar sind. Zurück in einen Alltag mit vielen Beschwerlichkeiten.

INFOS

Anreise: Mit Lufthansa (Kooperation mit Air Canada) nach Toronto, weiter mit Air Canada nach Winnipeg.

Buchung von Hotels, Mietwagen, Flügen z. B. beim Kanada-Spezialisten CRD International (www.crd.de).

Stadtrundfahrten, Programmvorschläge für Winnipeg z. B. unter www.heartlandtravel.ca/management.htm oder www.destinationwinnipeg.ca.

Auskunft zum Indianerfestival (30.10–8.11.): www.manitoahbee.com, zur Schwitzzeremonie (freitags 19 Uhr oder nach Vereinbarung):

www.thunderbirdhouse.com

Tipp: Eine Reise nach Manitoba Ende Oktober lässt sich sehr gut kombinieren mit einem Abstecher zu den Eisbären in Churchill an der Hudson’s Bay.

Allgemeine Auskunft: Lange Touristik-Dienst, Maintal, Tel. 018 05–52 62 32 oder www.travelcanada.ca

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