Vom Göttertrank zur Henkersmahlzeit – Neue Sichtweisen auf antikes Leben

© Verlag Philipp von Zabern

Der studierte Chemiker lebt als freier Wissenschaftsautor in Berlin und legte zuletzt ein populärwissenschaftliches Buch zum Innenleben der Zelle vor. Außerdem bastelt er gern historische Dioramen (http://www.stephan-berry.de/model.html) und interessiert sich für den Alltag der Antike. Berry beleuchtet in seinem neusten Sachbuch die Welt des Altertums rund um das Mittelmeer an exemplarischen Beispielen. Wie kann die  Ernährung des antiken Menschen rekonstruiert werden, wo waren seine Häfen und Handelsrouten, rauchte er etwa Zigarren und warum fälschte er Münzen?

Das Buch soll einen Überblick der möglichen Verfahren für historisch und archäologisch interessierte Leser bieten – das gelingt tatsächlich. Spannend und salopp zugleich schwenkt Berry z.B. den Focus von Brot und Wein auf die Radiocarbondatierung und erzählt, warum das Grab des vermutlichen König Midas, der um 700 v.Chr. lebte, so wertvoll ist. „Es fanden sich nämlich Reste des Totenmahls, die sich analysieren ließen. Demnach wurde bei diesem Anlass gegrilltes und gut gewürztes Fleisch von Ziege oder Schaf gereicht, zusammen mit Hülsenfrüchten.“ Aber es ließ sich aus den Bronzekesseln auch ein Rest des Getränkes nachweisen, das aus Wein, Met und Bier bestand, wie es in der Ilias und der Odyssee Homers beschrieben wurde. Dieses von Homer kykeon genannte Getränk, mit welchem sich die Göttin Demeter stärkte, wurde inzwischen auch in anderen Gefäßen nachgewiesen und von einer amerikanischen Brauerei nachgebraut. „Midas Touch Golden Elixier“ heißt das käufliche Wunderwasser und soll Noten von Honig, Safran, Melone und Biskuit enthalten.

Weiter erzählt uns Berry, warum Google Earth recht nützlich für die Archäologie sein kann und schwenkt nach Begriffserklärungen wie Georadar und Geoelektrik zum Feuerwerk. Wussten Sie, dass alle Gattungen des Homo ”¦ bereits seit 800 tausend Jahren mit Feuer hantieren? Über antike Seuchen und Umweltfrevel, widerlegte Klischees wie die Bleivergiftung der Römer durch ihre Wasserleitungen , Erdbeben und Tsunamis und die richtige Einordnung von Vulkanausbrüchen schreibt Berry weiter. Was hatte das Klima mit Eroberungen und Völkerwanderungen zu tun? Und wieso hätte Japan vor dem verheerenden Tsunami im letzten Jahr gewarnt sein sollen? Stephan Berry ist ein unterhaltsamer wie tiefgründiger Ausflug in die antike Lebenswelt und die Möglichkeiten ihrer Interpretation gelungen, auf dem aktuellen Wissens- und Forschungsstand.

Fazit: besonders wertvoll!

Stephan Berry, Antike im Labor, Kleopatra, Ötzi und die modernen Naturwissenschaften, 160 Seiten, Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt Mainz, 2012, 29,90 €

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