Völlig unterschiedlich, aber kompromißlos skandinavisch – Die Filme „Bedingunslos“ vom Dänen Ole Bornedal und „“Auf Anfang (:Reprise)“ vom Norweger Joachim Trier als DVDs bei MFA

Erst einmal wollen wir Bornedals Film „Bedingungslos“, der aus dem Jahr 2007 stammt, uns im DVD-Gerät ansehen. Und da merken wir schnell, daß wir, die wir uns filmerfahren wähnen, zwar kinoerfahren sind, aber ganz und gar nicht DVD-Praxis haben. Wir haben den Film in das Gerät bekommen, er lief auch, auch auf Deutsch !!!, aber da waren zusätzlich deutsche Untertitel, die wir einfach nicht wegbekamen, die uns erst störten, aber dann eine Quelle hochinteressanter sprachlicher Überlegungen wurden. Dazu gleich mehr. Denn erst einmal muß diese irre Geschichte erzählt werden, die schon beim Zuschauen einen selbst irre werden läßt, wie sehr erst, wenn man Beteiligter wäre.

Da fährt Familienvater Jonas nichtsahnend nach Hause und schon holt ihn ein, was doch sein täglich Brot ist. Tote. Sein Beruf ist es nämlich, in der Pathologie Tote zu fotografieren. Hier fährt er in einen schlimmen Unfall. Mit Toten eben. Aber die eine ist „nur“ schwerverletzt und überlebt als Komapatientin, später als die Frau ohne Gedächtnis. Um so mehr wissen ihre Angehörigen, wen sie vor sich haben, als Jonas mit schlechtem Gewissen und Gefallen an der Kranken im Hospital auftaucht: „Sebastian!“ Das rufen die Angehörigen, als sie den schmucken Jonas sehen und halten ihn für den Freund der Tochter, den diese in Übersee kennenlernte. Und da die schöne Julia von nichts weiß, glaubt sie nach und nach dem liebenswerten Jonas, daß dieser ihr Freund Sebastian sei.

Mehr darf man einfach nicht verraten, gerade noch, daß dieser Jonas total verliebt seine Familie, eben auch seine Kinder verläßt und durchaus mit Julia glücklich wäre, wäre da nicht der Schatten in ihrer Seele, der auf einmal als Realität vor der Türe steht. Schluß. Eine irre Geschichte, die so grausig erzählt ist, daß man von einem harten Thriller sprechen muß, ein Film, der aber auch eine kammerspielartige Wirkung entfaltet und vor allem, uns alle in den Sog des Geschehens hineinzieht.

Und was die Sprache angeht, so wurde in den Untertiteln anderes geschrieben, als im Film dann gesprochen. Das war eine total spannende Angelegenheit geworden, was aus der Doppelung Deutsch im Film und deutschen Untertiteln wurde. Manches widersprach sich gar. Und auch der Filmtitel hatte eine andere Übersetzung. Da hieß es nämlich „Hemmungslos!“ Aber das bleibt unwesentlich, denn man kann von einem bedingungslos hemmungslosem Film reden: jede Sekunde spannend.

„Auf Anfang“ dagegen ist wie das Vorüberziehen von Wolken am Himmel, wenn erst kleine Schäfchenwolken erscheinen, der Wind zunimmt, dann sich graue Getüme am Himmel zusammenballen, heftig aneinanderprallen, aber alles auf einmal auseinanderstrebt und sich zu vielen kleinen grauen Wolken formiert, die auf einmal einen blauen Himmel als Hintergrund bekommen und völlig weiß und weich davonschweben. „Willst Du mit mir schlafen?“, „Vielen Dank“ sind so dahingehauchte Seinsbeweise, wo es nicht so sehr darauf ankommt, wem man das sagt, sondern eher, wie man das sagt.

Der ganze Film besteht aus einem Code, der bestimmt ist, für die gut Zwanzigjährigen, ihre eigene Welt als die auszustellen, die trotz aller Widrigkeiten die beste aller Welten ist, einfach, weil gut Zwanzig zu sein, ein Wert für sich ist. Und wenn so unverrückbar herausgestellt wird, daß man nur einmal in den Zwanzigern in seinem Leben sein kann, so wissen die Älteren gewiß, daß das für jedes Lebensalter gilt und man mehr als einmal sich wünscht, sich „auf Anfang“ begeben zu können.

Die Handlung. Sicher, es gibt eine, aber darum geht es nicht. Es geht um die Beziehung zweier Freunde, von Erik und Philip, die als Menschen völlig verschieden sind, aber beide Schriftsteller werden wollen und am Anfang ihrer Karriere stehen. Und was da alles zusammenkommt, an Menschen, an Sehnsüchten, an Verrücktem, an Realitäten, an Träumen, an Liebe, an Wut, an Schöpfungsgeist, das gleitet bruchlos ineinander über und macht wahr, was die Filmfirma ankündigt: „`Auf Anfang` erzählt vom Reichtum der Möglichkeiten über das Lebensgefühl der Twenty-Something-Generation, so wie einst Francois Truffauts Jules & Jim.“

Das war vor fast 50 Jahren, nämlich 1962! Und wenn wir daran denken, müssen wir sagen, trotz guter Leistungen der Schauspieler, nämlich das, was man authentisch nennt, auf der Leinwand zu bringen, waren eine Jeanne Moreau oder ein Oskar Werner nicht dabei. Und das hat sicher auch mit dem Filminhalt zu tun. Andere Zeiten, andere Sitten, andere Schauspieler, andere Filme. Aber Vergleiche sind immer doof, das hat nun die Filmfirma davon! Joachim Trier ist mit seinem Erstling vielfach ausgezeichnet worden und war der norwegische Beitrag für die Nominierungen zum Oskar 2007.

„Auf Anfang (:Reprise). Ein Film von Joachim Trier, DVD bei MFA

„Bedingungslos“ von Ole Bornedal, DVD bei MFA

www.mfa-film.de

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