Vision: Ein Verkehrssystem für die Menschen – Rede von Bill Ford

Der Urenkel des Firmengründers Henry Ford (1863 bis 1947) sieht mit dem zunehmenden Bevölkerungs- und Verkehrswachstum erhebliche Probleme aufkommen. Schon jetzt drohe der „Verkehrsinfarkt“, 2010 habe in China ein einziger Stau unglaubliche elf Tage gedauert. Aber auch die Sorge um die Verkehrssicherheit und den Umweltschutz lassen Ford Reflexionen über die Zukunft anstellen, die für einen Automanager ungewöhnlich sind.

William Ford begreift die Automobile von morgen, das mit modernen Kommunikationstechnologien ausgestattet sein wird, nicht mehr als „einzelnes Gerät“, sondern als „Bestandteil eines größeren, reicheren Netzwerkes“. Neue Möglichkeiten lägen darin, daß die Autos „miteinander und mit der Umwelt kommunizieren“. Nötig dafür sei aber – und hier geht Ford neue Wege – „ein cleveres System, das alle Arten des Verkehrs zu einem Netzwerk verbindet: Fußgänger, Radfahrer, Busse, Flugzeuge, Eisenbahnen, Autos“. Er gibt dieser Entwicklung ein Ziel, nämlich „Zeit zu sparen, die Ressourcen zu schonen und weniger Emissionen zu verbrauchen“.

Ford geht noch einen Schritt weiter: Er bemängelt, daß es „keinen einzigen“ gemeinschaftlichen Plan gebe. Das habe zur Folge, daß „jede Gemeinde und jedes Land mit einer anderen Lösung“ ankomme. „So funktioniert es nicht!“. Ford verlangt daher, daß Politik und Wirtschaft zusammenkommen, um sich „auf geeignete politische Veränderungen zu konzentrieren“.

An kurzfristigen Veränderungen in der Realität des Autoverkehrs sieht Ford bereits jetzt, daß das Auto den Fahrer vor Staus und Unfällen warnen, daß es automatisch einparken und im Konvoi fahren wird.

In der mittelfristigen Perspektive wird das Auto laut Ford mit halbautomatischen Funktionen ausgestattet sein, etwa mit einem Autopiloten. Viel kürzere Sicherheitsabstände wären möglich. Das Auto könnte ferner in einem Transportnetzwerk eingebunden sein, um bei unvermeidbaren Staus Alternativen zu eröffnen, die das weitere Fortkommen gewährleisteten, etwa durch
        
Eisenbahnen, Busse oder Auto-Pools. Und da das Automobil eine „rollende Sensorensammlung“ geworden sei, könne es für alle die Informationen über die Fahrbahnbeschaffenheit und das Wetter verbessern sowie Unfälle wirkungsvoller als heute vermeiden.

Langfristig sieht Ford „ein echtes Netzwerk von mobilen Lösungen, die alle miteinander verbunden sind und zusammenarbeiten“. Das werde auch das Aussehen der Fahrzeuge von Grund auf verändern. „Wir werden die ersten intelligenten Autos sehen, die in komplexer Umgebung eigenständig navigieren.“ Die Staus in den Großstädten würden massiv zurückgehen, die Umwelt drastisch gewinnen.

William Fords Überlegungen sind Kritik und Lösungsansatz in einem: „Anstatt eine Infrastruktur für den Transport aufzubauen und von den Menschen zu verlangen, sich daran anzupassen, werden wir ein System haben, das sich uns anpaßt.“ Das kommt einem Paradigmenwechsel gleich. Bislang hat die Automobilwirtschaft den Wert individueller Freiheit durch das Auto geradezu als sakrosankt verteidigt. Nun proklamiert einer ihrer international herausgehobenen Repräsentanten, daß die Parole von der „freier Fahrt für freie Bürger“ nur zu Problemen führt und daß das Autofahren statt dessen als gemeinschaftliche Fortbewegung begriffen werden muß.

Fords Konsequenz ist logisch. Er fordert Kooperationen zwischen Wirtschaft und Staat, zwischen den unterschiedlichen Verkehrsträgern und zwischen den Automobilherstellern. Seine Vision ist ein integriertes Verkehrssystem, in dem das Auto, der Zug, das Schiff, das Flugzeug und der öffentliche Personenverkehr nicht nebeneinander oder gar gegeneinander entwickelt werden, sondern gesellschaftlich aufeinander abgestimmt sind.

Zusammenarbeit ist dafür eine zwingende Voraussetzung – vom Standard für das kleinste elektronische Detail über gemeinsame Forschungsanstrengungen bis zur großen Koordinierung des Gesamtsystems, wofür der Staat als gesellschaftliche Zentralinstanz gebraucht wird. Die derzeitigen Bemühungen zur Einführung der Elektromobilität gehen genau in diese Richtung, was für Fords Thesen spricht.

Daß solche Überlegungen in jenem Konzern angestellt werden, der stolz darauf ist, die tiefe Krise der US-amerikanischen Automobilindustrie von 2008 ohne staatliche Subventionen bewältigt zu haben, erhöht die Glaubwürdigkeit dieser mutigen Ideen. „Wenn wir zusammenarbeiten, können wir eine gute Zukunft für uns alle schaffen!“ ist Fords optimistische Perspektive.

Anmerkung:

Dank an Harald Linke für die Hilfe bei der Übersetzung.

kb

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