Venezolanisches Erdöl fließt in die richtigen Kanäle – Die venezolanische Regierung fördert das nationale musikalische Bildungsprogamm »el Sistema«

José Antonio Abreu, der Gründer des »Sistema«, im Gespräch mit WELTEXPRESS-Autor Dr. Sigurd Schulze

Die Berliner Philharmoniker, die schon seit mehreren Jahren das 1975 geschaffene Jugendorchestersystem unterstützen, hatten bereits vor zwei Jahren das Simon Bolivar Jugendorchester unter seinem inzwischen international gefeierten Dirigenten Gustavo Dudamel nach Berlin geholt. Nun haben sie das Teresa Carreno Orchester eingeladen, das mit seinem Namen die venezolanischen Pianistin und Komponistin Teresa Carreno ehrt. Es ist eines der Spitzenorchester von »El Sistema«. Wie macht man das? Wer finanziert das? Woher bekommen sie die Instrumente?

Der Gründer des »Sistema« José Antonio Abreu, der das Orchester auf seiner Europatournee begleitet – ich traf ihn nach der Generalprobe in der Philharmonie – gibt Auskunft: In einer staatlichen Stiftung werden zur Zeit 370 000 Kinder und Jugendliche von 7000 Lehrern ausgebildet werden. Jedem Kind wird von der Musikschule ein Instrument übergeben, das der Staat finanziert hat. Die Eltern schließen einen Vertrag, in dem sie pflegliche Behandlung versprechen. Die Organisation des Programms liegt in den Händen eines Vizepräsidenten von Venezuela. Gegenwärtig ist der dabei, das Netz von Musikschulen, Hochschulen und Orchestern noch enger miteinander zu verknüpfen.

Hier ist nicht die Gelegenheit, den Staatshaushalt der venezulanischen Regierung zu beurteilen, der zu 90 Prozent vom Erdölexport gespeist wird. Für das »Sistema« fließt der Erlös sichtlich in die richtigen Kanäle, weil er den Kindern aus armen Familien zugute kommt und ihnen ein Stück Lebensqualität vermittelt. Die Kinder und Jugendlichen, vor allem aus bescheidenen Verhältnissen, kommen in mehreren Hundert Orchestern zusammen und erobern sich mit Feuereifer das klassische Repertoire.

Beobachtung am Rande: Eine Viertelstunde vor Beginn der Probe ist der Vorplatz, das Entree, sind die Flure der Philharmonie leer. Die Kantine ist wie ausgestorben. Die 140 Musiker sitzen bereits ganz ruhig auf der Bühne und erwarten den Dirigenten. Sir Simon Rattle wird freudig begrüßt. Alle arbeiten konzentriert und mit offensichtlicher Begeisterung. Musikalisches Können, Leidenschaft und Disziplin bestimmen den Eindruck vom Orchester.
Wer sich davon selbst überzeugen will: Heute um 20 Uhr überträgt die Digital Concert Hall das Konzert live und kostenlos. Als Aufzeichnung ist es ab 5. Oktober für 24 Stunden im Archiv der DCH verfügbar.

www.digital-concert-hall.com

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