Ustorf-Ehrung, Hooligan-Rufe, Hohngeschrei und Spottgesang – Das alles und noch viel mehr beim Rekordmeister – Berliner Eisbären verlieren zwei Punkte gegen Pinguine aus Krefeld und viel Kredit beim eigenen Anhang

Nach der Ehrung für Stefan Ustorf tauchte er in der ersten Drittelpause der Begegnung zwischen den Berliner Eisbären und den Krefelder Pinguinen als Bobblehead auf dem Videowürfel auf. © 2016, Münzenberg Medien, Foto: Stefan Pribnow

Berlin, Deutschland (Weltexpress). So was hat man lange nicht gesehen, nicht in Berlin, nicht bei den Eisbären. Der Kredit des Rekordmeisters bei vielen Fans scheint aufgebraucht. Die Stimmung beim Anhang während des vergangenen Spiels zwischen den Berliner Eisbären und den Krefelder Pinguinen schwankte nicht nur zwischen Anfeuern und Auslachen, sie kippte um in Hohn und Spott.

Selbst gegen den Tabellenletzten der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) konnten die Eisbären dieser bisherigen Saison unter den Bannern mancher errungener Meisterschaft sowie einiger Leistungsträger, die in Erinnerung bleiben, nicht gewinnen. Zwar wurde vor dem Punktspiel das Trikot mit der Nummer 14 und dem Namen Stefan Ustorf, der von 2004 bis 2012 für die Eisbären spielte, hochgezogen, während in der ausverkauften Halle Tausende Beifall klatschen und Hunderte „Ustorf, Hooligan“ riefen, doch der Funke der Freude und des Feuerwerks in der hohen Mehrzweckhalle an der Spree zwischen Ostbahnhof und Oberbaumbrücke zündete beim aktuellen Kader keineswegs.

Weil mit Darin Olver Berlins derzeit bester Feldspieler fehlte, wurde zuvor wenig Großartiges erwartet.

In der Anfangsviertelstunde sahen die Zuschauer zwei, drei Möglichkeiten auf beiden Seiten, aber nur einen Treffer und zwar den von Daniel Pieta (15.). Zwar agierten die Gäste teils hanebüchen in der Abwehr, bekamen aber immer noch einen Schläger dazwischen und hielten sich schadlos. Nach einem Foul an André Rankel entschieden die Schiedsrichter Willi Schimm und Eric Daniels auf Strafstoß. Den Penalty hätten nicht alle Schiedsrichter gegeben. Der Gefoulte nahm und trat an, aber er scheiterte an Patrick Galbraith im Gehäuse der Pinguine (19.).

Hingucker im ersten Drittel war noch ein sehenswerter Ausrutscher von Maximilian Faber, der das Niveau dieser Begegnung bestens wiedergab.

Im zweiten Drittel hätten die Pinuinge erhöhen können, doch Micki DuPont konnte entscheidend stören (24.). Ein Tohuwabohu vorm Gästetor blieb ebenfalls folgenlos (26.). Wurden die Eisbären bis dato im Grunde genommen mehr oder weniger angefeuert, kippte bei einem Schuss an die Latte von Pinguin Mike Mieszowski die Stimmung. „Und wann spielt ihr Eishockey“, sangen einige Fans im Stehplatzkurvenbereich. Noch wurden sie überklatscht und überstimmt.

Zum Frust mancher Feldspieler über die eigene Leistung gesellte sich nach einer halben Stunde effektiver Spieldauer unnötige Härte. Pinguin Macel Müller, der zusätzlich zwei Strafminuten wegen Stockschlags erhielt, und Eisbär Spencer Machacek mussten in die Kühlbox (32.).

In Unterzahl konterten drei Krefelder (34.). Unglaublich, aber wahr. Das Überzahlspiel der Berliner war übel. Als sich Berlins Mannschaftskapitän Rankel zwei Strafminuten wegen Behinderung holte, wollten Dutzende Fans in der Stehplatzkurve ihn und die anderen „kämpfen seh`n“ (34.). Von Siegen war nicht mehr die Rede. Doch das Gegenteil geschah. Alle Anwesenden sahen erneut eine gute Gelegenheit für die Gäste (36.). „Aufwachen, aufwachen“, riefen immer mehr und „Wir woll`n die Eisbär`n seh`n“. Hunderte klatschen dazu (37.).

„Spielt mal wieder Eishockey“ und „Ustorf, Hooligan“ brüllten einige (39.). „Der ist doch verantwortlich für diese Scheiße hier“, rief ein anderer unüberhörbar. Die Stimmung kippte.

Zu Beginn des letzten Drittels schwappte die „Welle“ durch die Halle. „Oh, wie ist das schön“, sangen Hunderte Fans. Tausende klatschten. „Und wir sind nur zum Feiern hier“, riefen viele Stehplatz-Fans. Dutzende Gäste-Fans schlossen sich dem an. Hunderte forderten „Freibier für alle“ (44.). Tausende applaudierten.

Aus der feierlichen Ustorf-Ehrung, zu der Erinnerungen über den Video-Würfel wachgerufen wurden, wurde das genaue Gegenteil. Ärger und Wut machten sich breit, aber auch Hohn und Spott. „Das habt ihr gut gemacht“, schienen sich einige Fans lautstark nach einer guten Aktion der Spieler auf dem Eis zu freuen (48.). In der Tat: ein wenig wirkte das Dargebotene, als würden die Eisbären auf den Ausgleich drängen.

Und wirklich: der Ausgleich fiel (48.). Ins Tor traf Jamie McQueen. Zudem flog mit Timothy Hambly noch ein Pinguin vom Eis wegen Spielverzögerung (48.).

„Die Nummer eins, das sind jetzt wir“, „Playoffs, wir kommen“ und „Finale“-Rufe ertönten und das Hüpfelied wurde angestimmt (51.). „Der Gästeblock, der hüpft“, sangen die Berliner, während Fans der Krefelder hüpften. „Endlich wieder Emotionen“, freuten sich lautstark Eisbären-Fans. So viel Hohngesang und Spottgeschrei bei einer Sportveranstaltung in Berlin, ja, das hat man lange nicht gehört.

Selbst Zyniker sahen eine gute Gelegenheit der Gäste (54.), eine Strafzeit für Rankel wegen Haltens und wieder eine Großchance für die Gäste (56.). Abwechslungs- und Stimmungsreich war die Partie weiterhin. Als die Pinguine in Überzahl die erneute Führung schossen, wollten die Berliner Fans „die Juniors seh`n“ (56.). Allerdings nicht alle, denn die ersten Zuschauer gingen.

Dann ging der Berliner Kapitän. Rankel erhielt 2+10 Strafminuten wegen Ausziehens der Handschuhe. „André hat die Schnauze voll“, sangen Dutzende. Hörenswert war auch dieses Liedchen: „Außer Rankel hat hier keiner Bock“ (57.).

Dass Pinguin Kyle Sonnenburg auch 2+10 Strafminuten bekam, das ging im Gerufe und Gegröle unter. Den erneuten Ausgleich für Berlin bekamen jedoch alle noch Anwesenden mit. Der stramme Schuss von Verteidiger DuPont wurde mit der Hand abgefälscht, sodass der Puck unhaltbar für Galbraith in die Maschen flog (58.).

Weil es nach 60 Minuten 2:2 stand und somit beide Mannschaften einen Punkt erhielten, musste die Verlängerung über den dritten Punkt entscheiden. Marcel Müller tauchte allein vor Vehanen auf. DuPont foulte. Folge: Penalty. Ergebnis: Tor (62.).

Fazit: Der Tabellenletzte gewann mit Mühe in einem Not-und-Elend-Spiel mit 3:2 beim Rekordmeister der DEL in Berlin.

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