Unumgängliche Entscheidung in Dresden – Stadtrat entscheidet mit dem Haushalt 2013/2014 erneut über den Umbau des Kulturpalastes und des Kraftwerks Mitte

Doch wie von Beobachtern vermutet wurde, war dies vorerst eine »Schlacht unterwegs«. In der Öffentlichkeit und im Stadtparlament hatten jeweils starke Parteien für und gegen den Umbau des Kulturpalastes gestritten. Der Streit entzündete sich insbesondere am Festsaal. Die Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) und ihre Beigeordneten schlugen den Einbau eines neuen Konzertsaals vor, nach dem Entwurf der Architekten Gerkan, Marg und Partner gestaltet mit Weinbergterrassen und Eisschollendecke. Mit 1 900 Plätzen hat dieser Saal 500 Plätze weniger als der alte Festsaal, und er hat nicht mehr die breiten Nutzungsmöglichkeiten wie jener, aber er soll endlich die exzellente Akustik haben, die ein berühmtes Orchester wie die Dresdner Philharmonie, die im Kulturpalast ihren Sitz hat, braucht. Denn auch auf der internationalen Landkarte wird nach den Worten des Chefdirigenten Michael Sanderling »Dresden endlich ein Punkt sein, um den viele Spitzenorchester keinen Bogen mehr machen. Auch Dresden hat einen Saal verdient, den andere Orchester in vergleichbaren Städten längst haben.« Profitieren vom neuen Saal kann auch die Sächsische Staatskapelle Dresden, die 2002 ihre Konzerte im Kulturpalast wegen der schlechten Akustik eingestellt hatte. Ein weiterer Vorteil ist die Unterbringung des Kabaretts »Die Herkuleskeule« und der städtischen Zentralbibliothek, wodurch der Palast, der äußerlich unverändert bleibt, den ganzen Tag von den Dresdnern genutzt werden kann. Für diese Lösung hatten in der entscheidenden Sitzung des Stadtrats am 4. April CDU, Grüne und Bürgerfraktion gestimmt, dagegen Die Linke (bei zwei Enthaltungen), SPD und FDP.

Bis zuletzt hatten die Gegner des Umbaus den Beschluss zu kippen versucht, indem zum Beispiel der Architekt Wolfgang Hänsch erst gegen den Umbau erfolglos geklagt und in letzter Minute einen eigenen Planungsvorschlag für die Sanierung des Gebäudes angeboten hatte. Dass die Kritiker des Beschlusses nicht aufgeben würden, war vorauszusehen. Die nächste Entscheidung für beide Vorhaben wird mit dem Doppelhaushalt 2013/2014 getroffen werden, in den die Mittel für die Ausführungsplanung und die Bauarbeiten eingestellt werden müssen.

Nun regen sich wieder Bedenken und Ablehnung. Denn von der Landeshauptstadt sind auch soziale Probleme zu bewältigen wie das Wachstum der Bevölkerung und die steigende Geburtenrate in Dresden. Schulen müssen wiedereröffnet und zusätzliche Kitaplätze geschaffen werden. Die städtischen Krankenhäuser brauchen Investitionen. Es gibt auch Informationen aus der Stadtverwaltung über angeblich wegbrechende Steuern von grossen Unternehmen, die aber von Stadträten der Opposition als mögliche Ausrede für jede unpopuläre Entscheidung betrachtet werden. Wenig hilfreich waren Äußerungen des Generalmusikdirektors der Sächsischen Staatsoper, Christian Thielemann, der Kulturpalast passe städtebaulich nicht in die Altstadt; man hätte über »eine ganz andere Lösung« nachdenken sollen. Gemeint ist ein Konzerthaus, das allerdings wesentlich mehr Kapital verlangt hätte. Dann wäre der Umzug der Staatsoperette und des Theaters der Jungen Generation in das umgebaute Kraftwerk Mitte völlig unwahrscheinlich geworden – und das auf die Gefahr hin, dass Bauaufsicht und Feuerwehr die jetzigen Gebäude eines Tages sperren. Michael Sanderling findet den Wunsch nach einem Konzerthaus verständlich, aber nicht finanzierbar. Wer jetzt noch gegen den Kulturpalast-Umbau votiere, riskiere, dass Dresden nichts mehr hat – überhaupt keinen Konzertsaal. Der Umbau zum Konzertsaal sei die einzig realistische Alternative.

Von den Dresdner Stadträten werden in der Tat weise Entscheidungen verlangt, die den kulturellen Alltag sichern und dem Wachstum der Stadt gerecht werden. Trotz der Beschlüsse vom April gibt es Klärungsbedarf, bevor die beiden Projekte – oder zumindest die entsprechenden »Jahresscheiben« – in den Haushalt 2013/2014 eingeordnet werden. Wie allen Verpflichtungen gerecht werden? Gegen den Neubau des Konzertsaals und für die Sanierung im Bestand votieren nach wie vor die SPD und Die Linke; Mitglieder der Bürgerfraktion schwanken. Doch auch in der Linken ist gibt es Für und Wider. Die Sprecherin für Stadtentwicklung, Kris Kaufmann, befürchtet, dass der Palast eine Ruine bliebe, weil die Sanierung im Bestand eine Neuprojektierung erforderte, die zu viel Zeit kostet. Die Kulturpolitikerin Gunild Lattmann hält es für aussichtslos, noch für die Sanierung zu kämpfen, weil nicht nachgewiesen werden kann, dass sie billiger wird als der Umbau. Man könne es vor der Philharmonie und Michael Sanderling nicht verantworten, den Weg der Mehrheit nicht mitzugehen. Zunächst wurde die Verabschiedung des Haushalts im Finanzausschuss und im Plenum von Dezember auf Januar verschoben.

Der Kulturbürgermeister Ralf Lunau, dem der Zeitverzug Probleme bereitet, weil die Ausführungsplanung und die Ausschreibung der Bauleistungen überfällig sind, spürt in Gesprächen mit den Stadträten aller Fraktionen hohes Verantwortungsbewusstsein. Lunau glaubt, dass mittlerweile allen klar wird: wenn wir es jetzt nicht schaffen, wird es nie was.

Hauptproblem war und ist die Finanzierungslücke von 35 Millionen Euro infolge des Ausfalls von Fördermitteln der Europäischen Union, die offensichtlich auf Sand gebaut waren. Für den Ausgleich soll hauptsächlich das Kapital der Sozialstiftung der Stadt und der Kreuzchorstiftung von 27 Millionen Euro eingesetzt werden – ein juristisches Problem, weil es kein kommunales Vermögen ist und die Stadt darauf nicht zugreifen darf. Als Ausweg schlägt die Stadtverwaltung die Gründung einer Betreibergesellschaft in der Rechtsform einer GmbH vor, in die die Stiftungen als stille Gesellschafter eintreten. Die Stadt zahlt die Zinsen für das Kapital und übernimmt eine Ausfallbürgschaft. Die Nutzer zahlen Miete, die zusammen mit Zuschüssen der Stadt die Kosten decken soll. Der Vorschlag fordert Gegner und Befürworter erneut heraus. Wird er angenommen, könnte auch der Haushaltsentwurf der Oberbürgermeisterin den Stadtrat passieren.

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