Über das Abfärben herbstlicher Landschaften – der Debüt-Roman Oskar Heyms

Das Cover zum Book, wie man denglisch so sagt.

Wir befinden uns im kalten Krieg, der Ich-Erzähler Wenzel ist 28 Jahre alt und voller Zuversicht. Schon im Flughafengebäude bei seiner Ankunft 1976 trifft auf die Frau seiner Träume, die mit ihm ungehemmte Lust und Lebensfreude auslebt, um bald spurlos zu verschwinden. Wenzel verbringt die nächsten Jahre in Gronau an der Grenze. Öl gibt es eigentlich nicht, oder nur so wenig, dass sich die Bohrungen kaum lohnen, also macht Wenzel, was von ihm verlangt wird; er lügt und übertreibt. Angefeuert von einer wahrhaft kriegerischen Frau Krieger, die jeden drangsaliert, um ihren Profit zu gewährleisten. Knapp zweihundert Seiten später ist nicht mehr viel übrig von Frau Kriegers kriegerischem Wesen, von Wenzels straffer Figur und voller Haarpracht, von den Träumen des Aufbruchs.

Dieses Buch verstört durch eingestreute Absenzen, immer wieder schwindet dem Helden die Wahrnehmung, Erinnerung oder Manuskripte, Unterlagen. Er traumwandelt unter der Grenze hindurch ins ostdeutsche Pendant seines Grenzstädtchens und deliriert Öl herbei. Nicht ganz klar wird dem Leser, wo seine Abgrenzung zu seiner selbst erzeugten Goldgräberstimmung liegt.  Sie verschwimmt, wie die Erinnerung an Margarete, an seinen Vater und sein Leben vor Gronau. Ein scharf gezeichnetes Sittenbild des Kapitalismus ist dem Autor hier gelungen, der Osten bleibt nebulös vorzeitlich, die „Reserven“ der Bundesrepublik ein Faktor, der sich dem stärksten Aufschneider unterordnet.

Bemerkenswert an diesem Buch ist außer dem nachhaltig öligen Inhalt das geschmeidige Outfit des Büchleins, ungewöhnlich breit gefasst, griffig mit beinahe textiler Oberflächenstruktur gibt es sich grau/weiß, schlicht/großartig. An Verlag und Autor: weiter so!

Oskar Heym, Die Reserven, Roman, 191 S., Siebenhundertzwanzig Grad Themenbuchverlag Berlin, 2009, 15 €

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