„Traumschiff“ an bürokratischen Sund-Klippen zerschellt

MS Deutschland an der Pier

Die Reiselust der Deutschen ist trotz Krise ungebrochen. Vor allem auf dem Wasser. Die vielen Neubauten beweisen ein hohes Nachfrage-Niveau und satte Gewinne. Nach wie vor.
Stralsund profitiert von dieser Entwicklung auch. Beliebt bei den Gästen sind nicht nur Mega-Schiffe, sondern in zunehmendem Maße auch solche mit einer "familiären" Atmosphäre. Das sind mittelgroße Kreuzfahrtschiffe wie etwa die "Vistamar", die im Juli 2009 im Nordhafen festmachte.

Navigatorisch herausgefordert

Ich habe mich seit längerem bei der Reederei um den Anlauf des "Traumschiffes" MS "Deutschland" bemüht. Und Andreas Jungblut, der "echte" Kapitän, sagte mir letztes Jahr an Bord: "Stralsund anzulaufen, das wäre für mich eine echte navigatorisch-sportliche Leistung". Er hatte gerade – trotz heftigem Seitenwind – den 175 Meter langen 22.400-Tonner durch die schiffsenge Schleuse von Sevilla manövriert, die an jeder Seite gerade mal 30 Zentimeter Platz bot. Nicht gerade viel, aber der weltweit erfahrene Jungblut meisterte diese Hürde souverän. Auch den Guadalquivir, der dem Schiff nur einen halben Meter Wasser unterm Kiel ließ.

Jetzt liest man, dass der für diesen Sommer geplante Anlauf des weltbekannten "Traumschiffes" ausgerechnet in Stralsund scheitert. Zumal sich Tourismus-Information und Fachhoschule seit längerem um Schiffe solcher Mittelgrößen mit Passagierzahlen um 300 bis 400 bemühen.

Problemberge aufgetürmt

Eine FH-Studentin hat gerade ihre Diplomarbeit verteidigt mit dem passenden Titel: "Seehafen Stralsund als internationaler Anlaufhafen für Hochseekreuzfahrtschiffe – Probleme, Chancen, Perspektiven". Enthalten sind allerlei gute Ideen, wie man Reedereien den Anlauf der Hansestadt schmackhaft machen könnte: zum Beispiel durch günstige Paketlösungen für Liegeplatz-, Lotsen- und Schlepperkosten, Shuttle-Busse vom vorgesehenden Liegeplatz am maritimen Gewerbepark Franzenshöhe in die Stadt, Stadtführungen mit Ozeaneum und "Gorch Fock" (I) zum Beispiel. Damit würde Stralsund die Rügener Konkurrenz aus dem Feld schlagen und die Nische finden, die der Stadt gebührt.
Nur, wenn statt der Chancen und Perspektiven erst einmal scheinbar unüberwindliche Problemberge aufgetürmt statt abgebaut werden, muss sich niemand wundern, wenn wieder nichts passiert. Ich erinnere nur an den desaströsen Besuch der "Bremen" vor ein paar Jahren am Nautineum. Damals sagte mir der Kapitän, wie ihm denn Stralsund gefallen habe, verärgert: "Nie wieder!" Der "Empfang" war nur peinlich, besonders dem Stralsunder Lotsen. So etwas spricht sich herum in der kleinen deutschen Kreuzfahrt-Branche.
Im Fall der "Deutschland", um die sich der Stralsunder Schifffahrtsjournalist Dr. Peer Schmidt-Walther bemühte, wurden amtlicherseits so hohe Kostenbarrieren errichtet, dass die Reederei schließlich dankend ablehnte.

Kalte Schulter gezeigt

Der Hafen Mukran hingegen reibt sich die Hände, denn die "Deutschland" wird jetzt wie gehabt dort anlegen. Stralsund hat dem "Traumschiff" die kalte Schulter gezeigt.
2011 soll die "Vistamar" wiederkommen, so der Bremer Veranstalter Plantours, dem die landschaftlich reizvolle Ansteuerung durch Bodden und Sund samt sehr freundlichem Vorjahresempfang sehr gefielen. Auch den Stralsundern und Gästen.
Mit Hansa-Kreuzfahrten Bremen ist Schmidt-Walther im Gespräch, um die beliebte "Delphin" (16.214 BRZ, 157 Meter Länge, 6,20 Meter Tiefgang) vielleicht an den Sund zu locken. Auch das bekannte Hapag-Lloyd-Expeditionskreuzfahrtschiff "Hanseatic" hat er "an der Angel".

Sein Vorschlag: Vielleicht sollten sich die Verantwortlichen mal an einen Tisch setzen und gemeinsam über Lösungsmöglichkeiten nachdenken, bevor solche lukrativen Gäste vergrault werden.

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