Trauer um Christoph Schlingensief – Das Enfant Terrible des deutschen Theaters stirbt mit nur 49 Jahren an Krebs

Seit Anfang 2008 kämpfte der gebürtige Oberhausener tapfer gegen den Krebs, der seine Lunge befallen hatte. Nachdem man ihm einen Lungenflügel entfernt hatte schöpfte Schlingensief wieder Hoffnung und stürzte sich wie gewohnt in die Arbeit. Obwohl bei ihm Ende 2008 erneut Metastasen im verbliebenen Teil seiner Lunge diagnostiziert wurden, plante er mit „S.M.A.S.H. – In Hilfe ersticken“ ein neues Theaterstück für die Ruhrtriennale, das er jedoch schon vor einigen Monaten absagen musste.

Über 20 Jahre war Christoph Schlingensief ein gefeierter aber noch mehr angefeindeter Regisseur von Filmen und Theaterstücken. Er arbeitete nicht nur mit Schauspielern sondern auch mit Außenseitern der Gesellschaft: mit HartzIV-Empfängern, Arbeitslosen, Asylanten, Laien und Behinderten, wie in seinem an der Berliner Volksbühne aufgeführten Theaterstück „Rocky Dutschke 68“. In seinen Filmen inszenierte er „100 Jahre Adolf Hitler“, „Das deutsche Kettensägenmassaker“ und „Terror2000“. Provozierend durch Form, Inhalt und Ästhetik, immer wie leicht vom Wahnsinn umjubelt, und doch erfrischend anders und ehrlich wirkend.

Er hatte die Aura eines Getriebenen, inszenierte Opern in Bayreuth und anderswo, schräge Talkshows, Happenings in U-Bahnen und gründete mit „Chance 2000“ sogar eine Partei, mit der er zur Bundestagswahl antrat. Auf der Kasseler Documenta wurde er einmal festgenommen, weil er im Rahmen der Kunstaktion „Mein Filz, mein Fett, mein Hase“ ein Schild mit der Aufforderung Helmut Kohl zu töten, trug. Ob das große Kunst oder billige Provokation sein sollte, daran schieden sich bis zuletzt die Geister.

Seit Januar 2009 arbeitete Schlingensief trotz immer größerer Erschöpfung parallel an seinem Projekt „Festspielhaus Afrika“, in dem er ein Operndorf in Burkina Faso errichten wollte. „In Afrika tanke ich Gott und Jesus“, sagte er einmal, „der Krebs hat meinen Körper geschwächt, aber Afrika schärft meine Augen für die wichtigen Dinge.“

Christoph Schlingensief hinterlässt seine Frau, die Kostümbildnerin Aino Laberenz, die er im August 2009 geheiratet hatte.

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