Torsten Schulzes neuer Berlin-Roman „Nilowsky“ feiert Premiere

© Klett Cotta

„Hmmm“, antwortet der Autor an ähnlicher Stelle fünf Minuten weiter und dem Zuhörer wird einmal mehr bewusst, dass die eigentliche Begabung eines Schreibenden beim Schreiben liegt, und nicht beim Erläutern des Produktes. Den Beipackzettel müssen andere verfassen und übersetzen. Hubert Winkels gibt sein bestes, „nun Herr Schulz, wir könnten es dabei belassen, oder wie bei Hitchcock fragen, `Wie machen Sie das?“ Kurz gerät Schulz in die Dozentenrolle und beschreibt doch einige Details aus Produzentensicht.

„Es gibt merkwürdige Geschichten, Nilowsky ist eine unerlöste Figur. Das war mein Motto beim Schreiben, was genannt wurde, sind die Konsequenzen dessen. Befreiungsversuche, die nicht gelingen”¦“

Winkels hakt erfreut ein und leitet auf die Hauptfigur Markus Bäcker um, der einen Freund wie Nilowsky anscheinend nötig hat, einen Leichenfledderer. „Aja? Interessant!“ antwortet und Schulz und diesmal lacht das Auditorium lange.

Wir hören die ersten Kapitel des Romans und sehen mit den Augen eines Jugendlichen die Gleise, die Fabrik, das Neubauviertel und den verschrobenen Nilowsky, wie er erstmals auftritt. Authentisch und sympathisch liest der Autor, mit lupenreinem Berliner Akzent und herrlich verwischten Sch ´s. Die Lese-Kostprobe des Hörbuch-Sprechers Zimmler wirkt dagegen holprig und gekünstelt, unpassend, ja fehlbesetzt. Wieso spricht der junge Mann, der den Roman angeblich dreimal gelesen hat, Nilowsky wie einen dreizehnjährigen Hannoveraner? Ohne Akzent und Esprit?

Wie die Berliner Friedhöfe als wiederkehrende Orte ist auch die Sprache seiner Berliner Kindheit und Jugend selbstverständlich in das Werk geflossen und gibt dem kleinen Roman seine besondere Würze. Torsten Schulz ist der Sympathieträger des Abends, wenn er mit leiser Stimme betont, Lesungen würden ihm Spaß machen, vor allem der Kontakt mit dem Publikum. Der Kritiker übernimmt und erläutert die Verbissenheit der Hauptfigur, das Verblüffende seiner Passivität und die Grausamkeit der Typenkomödie an sich”¦
Torsten Schulz darauf: „Ich weiß gar nicht, wie ich das verlängern kann, was Sie da alles sagen.“

Torsten Schulz, Nilowsky, Roman, 284 S., Tropen Bei Klett-Cotta, 2. Aufl. (22. Februar 2013) 19,95 €

Torsten Schulz, geboren 1959, ist Autor preisgekrönter Spielfilme, Regisseur von Dokumentarfilmen und Professor für Dramaturgie an der Filmhochschule Babelsberg. Sein Debütroman »Boxhagener Platz« wurde in mehrere Sprachen übersetzt und fürs Kino verfilmt. http://www.klett-cotta.de/buch/Gegenwartsliteratur/Nilowsky/31668

Nächster Termin einer Lesung in Berlin: 12.3., 20:15 Uhr, Buchhandlung Bötzowbuch, Bötzowstraße 27, 10407 Berlin

Vorheriger ArtikelAtemberaubende Wettkämpfe, spannendes Eisspeedway in Berlin
Nächster ArtikelHaue für Aue – Der 1. FC Union Berlin gewinnt gegen den FC Erzgebirge Aue mit 3:0