Souverän, offensivstark und spielbestimmend oder Amber Hearn schießt München-Frust weg – FF USV Jena schlägt Direktkonkurrent Bayer 04 Leverkusen mit 2:0 (1:0)

Amber Hearn schießt das 2:0. © Foto: Silke U.Winkler

Mächtig unter Druck

Leverkusens Cheftrainer Thomas Obliers genehmigte sich kurz vor dem Anpfiff noch eine Zigarette weit abseits vom Geschehen. Ob er damit seine Anspannung etwas lockern wollte, bleibt sein Geheimnis. Doch nach sechs Spielen ohne Sieg stand er mit seinen Werkselfen beim Auftritt im Ernst-Abbe-Sportfeld mächtig unter Druck. Auch sein Gegenüber Daniel Kraus konnte nach der 0:5-Pleite in München nicht wirklich unbeschwert in die Begegnung des 8. Spieltages gehen. War es ihm unter der Woche gelungen, die Köpfe seiner Spielerinnen frei zu bekommen?

Kontrolliertes Spiel

Das Auftreten des FF USV gab von Beginn an darauf eine eindeutge Antwort. Mit viel Courage und sichtlichem Bemühen, ein kontrolliertes Spiel aufzubauen, legten die Gastgeberinnen los. Susann Utes setzte nach 12 Minuten mit einem Distanzschuss ein erstes Achtungszeichen. Jena blieb in der Folge am Drücker, verstand es aber vorerst nicht, gut vorgetragene Offensivaktionen konsequent abzuschließen. Der Führungstreffer für den FF USV lag in der 22. Minute in der Luft. Lisa Seiler nahm in ihrem 100. Frauenbundesliga-Spiel für Jena einen Steilpass von Carolin Schiewe mit und köpfte das Leder über die herauseilende Keeperin. Am Fünfmeterraum konnte eine Gegenspielerin in letzter Sekunde vor der einschussbereiten Jubilarin zum Eckball klären.

Toller Reflex

Gefällig und offensivstark präsentierte sich die Heimmannschaft auch weiterhin. Iva Landeka scheiterte nach gut einer halben Stunde zwar noch mit einem Versuch aus zentraler Position. Das längst fällige 1:0 für die Kraus-Schützlinge besorgte wenig später Amber Hearn, die von Susann Utes per Kopf den Ball an die Strafraumgrenze serviert bekam. Hearns straffen Schuss parierte Leverkusens Anna Klink mit einem tollen Reflex, brachte das Leder im Nachfassen aber erst hinter der Torlinie unter Kontrolle. Mit dem 1:0 für Jena ging es nach einer äußerst dürftigen Vorstellung der Bayer-Elf  in die Pause.

Aus der Nahdistanz

Nach dem Wechsel  blieben die Saalestädterinnen spielbstimmend. Logische Folge: das 2:0. Wie bereits in den vorangegangenen Heimspielen trat einmal mehr Jenas Nummer 10 als eiskalte Vollstreckerin in Erscheinung. Leverkusen bekam trotz eifriger Bemühungen den Ball nicht aus der Gefahrenzone. Mit einer gefühlvollen Hereingabe legte erneut Susann Utes auf für Amber Hearn, die aus Nahdistanz links unten einnetzte. Die Gäste brauchten fast eine komplette Stunde, um erstmals einem Treffer überhaupt nahe zu kommen. Lisa Schwab zog aus 20 Metern ab, Stenia Michel musste ihr ganzes Können aufbieten, um den platzierten Ball noch über die Latte zu lenken.

Kräfteschonung

Jenas jederzeit klug agierende Keeperin zeigte sich bei dieser, über die gesamten  90 Minuten einzig wirklichen Bewährungsprobe auf dem Posten. War nach diesem ersten deutlichen Signal von Isabell Kerschowski und Co. ein Aufbäumen gegen die sich abzeichnende Niederlage zu erwarteten, ähnlich wie beim Auftritt in Frankfurt, wo nach einem 0:2-Rückstand noch ein 2:2 gelang? Keine Spur. Das Spiel verflachte zusehends, Jena schonte die Kräfte und tat nicht mehr als nötig, um die Führung zu verwalten. Erst kurz vor Schluss machten die Gastgeberinnen im Offensivbereich nochmal ernst. Carolin Schiewe schraubte sich nach einer Ecke von Ria Percival in die Höhe und setzte einen wuchtigen Kopfball auf die Latte.

Zuschauerpotential

Den verdienten und zu keiner Zeit gefährdeten Sieg des FF USV Jena gegen Bayer 04 Leverkusen sahen leider nur 368 Zuschauer. Das Zuschauerpotential in Jena ist erheblich größer. Die Mobilisierung blieb aus. Die treuen Fans feierten aber lautstark ihr Team. Chefrainer Daniel Kraus sparte im obligatorischen Kreis nach dem Spiel nicht mit Lob an seine Schützlinge: „Wir können vorerst beruhigt auf die Tabelle schauen und ihr könnt stolz sein auf eure Leistung heute. Das war die richtigeAntwort auf das München-Spiel. Ihr habt wahre Sieger-Mentalität an den Tag gelegt und die Herausforderung  `Live-Übertragung durch Eurosport` gemeistert." Und weiter zu den Journalisten in der Pressekonferenz: "Meine Mannschaft hat die Herausforderung heute angenommen."

Akkribisch

Und vorsichtig, aber eindeutig zielführend in seiner persönlichen Performance zeigte  der junge Jenaer Cheftrainer, dass er in den letzten Monaten mit Jena gereift ist und die exzellente Vorarbeit von Martina Voss-Tecklenburg, der jetzt als erfolgreich arbeitenden Schweizer Nationaltrainerin, systematisch weiterführen konnte: " Es ist nur eine Momentaufnahme. Wir müssen uns akkribisch auf das DFB Pokalspiel in Meppen vorbereiten. Der Sieg war heute nie in Gefahr." Leverkusens Cheftrainer Thomas Obliers bekannte kurz nach der Niederlage sichtlich unzufrieden: " Der Sieg der Jenaer Mannschaft geht völlig in Ordnung. Wir konnten nicht umsetzen, was wir uns vorgenommen haben. Ich bin tief enttäuscht. Es wird Veränderungen geben."

Fohlenelf

Die Werkelf zeigtegegenüber dem Remis beim 1. FFC Frankfurt erheblichen Leistungsabfall. Der unter Frauenfussball Insidern als "DFB-Fohlenelf " gehandelte Kader bedarf einer taktisch und spielerischen Neuausrichtung. Mit Prießen und Turid Knaak ( zwei U-20 Weltmeisterinnen 2010), mit Petzelberger, Hendrich und Carolin Simon (drei U-19 Europameisterinnen 2011), mit Panfill, Beck, El-Kassem und Lekuschko ( vier U-17 Europameisterinnen 2012) sowie den Nationalspielerinnen des erweitererten Kader der Neid-Elf, Isabelle Kerschowski und der frisch gebackenen Europameisterin Isabelle Linden, ist der Leverkuser Lizenzverein mehr als gut bestückt. Der 46-jährige Cheftrainer Thomas Obliers ist bekannt dafür, dass er nicht vor radikalen Massnahmen zurückschreckt. Im Kader steckt viel mehr Substanz als das Team im Spiel während der TV-Übertragung präsentierte.

Wichtig für die Statistker und Lyriker unter den Fans

Die Neuseeländerin Amber Hearn steht jetzt mit 6 Toren ganz oben in der Torjägerinnen Liste in der 1. Frauenbundesliga.

Platz 1: Sasic (1. FFC Frankfurt) 12 Tore, Platz 2: Hagen (FC Bayern München) 7 Tore , Platz 3: Müller (VfL Wolfsburg) 7 Tore, Platz 4: Amber Hearn (FF USV Jena) 6 Tore

Amber bedeutet auf deutsch übersetzt "Bernstein". Nennen wir sie ab jetzt "Bernstein von Jena".

So spielten sie

FF USV Jena: 30 – Stenia Michel; 2 – Ria Percival; 3 – Abby Erceg; 33 – Carolin Schiewe; 23 – Laura Brosius; 18 – Vivien Beil; 6 – Susann Utes; 31 – Julia Arnold; 19 – Iva Landeka (20 – Louisa Lagaris, 87.); 17 – Lisa Seiler (8 – Sara Löser, 77.); 10 – Amber Hearn – Trainer Daniel Kraus

Bayer 04 Leverkusen: 20-Anna Klink – 9-Merle Barth, 4-Kathrin Hendrich, 5-Marisa Ewers, 30-Carolin Simon (23-Isabelle Linden, 49.) 13-Marith Prießen, 21-Francesca Weber, 7- Isabel Kerschowski, 8-Ramona Petzelberger (15-Rebecca Knaak, 75.), 10-Turid Knaak (16-Laura Widak, 62.) 19-Lisa Schwab – Trainer Thomas Obliers

Tore:  1:0 (35.); 2:0  (49.) Amber Hearn

Zuschauer: 368

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