So fern von Verne – Brendan Fraser begibt sich auf “Die Reise zum Mittelpunkt der Erde”

Anita Briem, Josh Hutcherson und Brendan Fraser in "Reise zum Mittelpunkt der Erde"

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen, gilt es für den erfolglosen Wissenschaftler Trevor (Brendan Fraser). Begleitet von seinem Neffen Sean (Josh Hutcherson) macht er sich auf nach Island. Dort ist einst Trevors Bruder, der Vater des Jungen, verschollen. Durch einen Vulkan gelangen sie in ungeahnte unterirdische Tiefen. Neben den Charakteren trifft dies auch auf die Handlung zu. Damit es nicht nur geologische Schauwerte gibt – “Saphire! Rubine! Felsspat!” – ist die hübsche Bergsteigerin Hannah (Anita Briem) dabei. Hatte die nicht eben ihren Rucksack zurückgelassen, der jetzt auf rätselhafte Weise wieder da ist? Wer sich an solchen logischen Fehlern stört, kriegt es mit ganz anderen zu tun.

Ein Magnetfeld hebt ein Taschenmesser nur wenige Zentimeter über den Boden, eine tonnenschwere Platte aber dutzende Meter, Stürze aus enormer Höhe werden unverletzt überstanden und an einer verwitterten Metallflasche ist deutlich der Namenszug von Seans Vater sichtbar. Der Mann hat in der unterirdischen Wunderwelt das Zeitlich gesegnet. Konnte er die Verhunzung von Vernes schillernden Einfällen nicht ertragen? “Das ist der Mittelpunkt der Erde!”, ruft Trevor nach ihrer Ankunft an selbigem. Ansonsten hätte man den aus Buntpapier und Pappmache gebastelten Ort kaum als diesen erkannt. Vernes Kunststück war, eine fantastische Situation zu erfinden, in die er eine möglichst realistische Handlung einbettete. In “Die Reise zum Mittelpunkt der Erde” ist das Gegenteil der Fall. Attackierende Raubfische werden nach amerikanischer Sitte mit einem Knüppel gleich Basebällen weggeschlagen. Nur die Nordländerin greift zu einer Art Streitaxt: Island hat ja auch irgendwie mit Wikingern zu tun.

Das ist ein schönes Buch, heißt es von Vernes Vorlage zu Anfang. Die Macher von “Die Reise zum Mittelpunkt der Erde” dachten anders. Kaum etwas in ihrer Adaption gleicht der Originalerzählung. Die Absicht war anscheinend, den Titel zu klauen und eine vage an Motive des Abenteuerklassikers angelehnte Science-Fiction-Handlung zu erzählen. Vielleicht war das niedrige Budget der Grund, dass es nicht zu einer werkgetreuen Verfilmung kam. Miserable Ausstattung, drittklassige Effekte und der mit Filmen wie “Die Mumie 3” deutlich in die untere Liga abgestiegene Brendan Fraser als Pseudostar, das alles schreit geradezu nach “direkt ins DVD – Regal”, der schmählichen Kategorie von Filmproduktionen, die es nicht auf die Kinoleinwand schaffen. Mit den 3D-Effekten als Aufhänger hat es “Die Reise zum Mittelpunkt der Erde” dennoch dorthin gebracht.

Liegt es nur am 3D-Format oder der miserablen Inszenierung, dass die Darsteller so aufdringlich in die Kamera fuchteln? Ohne 3D-Brille bereitet der Film jedenfalls nicht nur aufgrund der veränderten Sehgewohnheiten Kopfschmerzen. Mit Brille verlieren die Szenen kaum etwas von ihrer Betulichkeit. Was rasante Aktion sein soll, dürfte selbst das avisierte Kinderpublikum nicht erschrecken. Die holprige Fahrt mit einer Draisine durch einen alten Bergwerksschacht ist so unspannend wie die mit einem drittklassigen Flugsimulator auf dem Rummelplatz. Entstanden die Aufnahmen vielleicht nicht in einem Filmstudio sondern im Heidepark Soltau? Vernünftige Kulissen können den Machern jedenfalls nicht zur Verfügung gestanden haben, so großzügig kommt die einfallslose Computeranimation zum Zuge.

“Das ist alles wie im Buch!”, heißt es einmal. Ist es nicht. Figuren, Handlung, Spannung – nichts hat “Die Reise zum Mittelpunkt der Erde” mit der Vorlage von Jules Vernes gemein. Selbst die jüngsten Zuschauer werden von der Ideenarmut und den logischen Brüchen angeödet sein. Der riesige Pilzwald, die fantastischen Urwesen, all die zauberhaften Ausgeburten Vernes Fantasie werden mit platten Effekten abgehandelt oder ganz ignoriert. Aufregender als der zweite Versuch ist die erste Verfilmung mit James Mason aus den Fünfzigern. Noch besser, man geht mittels einer illustrierten Werkausgabe Jules Vernes auf “Die Reise zum Mittelpunkt der Erde”, unter das Meer oder um die Welt. Bevor einem auch das verleidet wird: Drohend nimmt Trevor am Ende des Films den nächsten Abenteuerroman zur Hand und schlägt vor, man müsse mehr Zeit miteinander verbringen. Nur das nicht!

Titel: Die Reise zum Mittelpunkt der Erde

Originaltitel: Journey to the Center of the Earth

Genre: Science Fiction

Land/Jahr: USA 2008

Kinostart: 5. März 2009

Regie: Eric Brevig

Drehbuch: Michael Weiss

Darsteller: Brendan Fraser, Anita Briem, Josh Hutcherson

Verleih: Warner Bros.

Laufzeit: 92 Minuten

FSK: Ab 12

Internet: www.DieReisezumMittelpunktderErde.de

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