Sex and Drugs and Karajan – „Die Vernichtung“ beim Theatertreffen in Berlin

Die Vernichtung von Ersan Mondtag und Olga Bach Regie Ersan Mondtag. Konzert Theater Bern, Uraufführung 15. Oktober 2016. V.l.n.r.: Deleila Piasko, Lukas Hupfeld, Sebastian Schneider, Jonas Grundner-Culemann © Birgit Hupfeld

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Das Plakat des diesjährigen Festivals lockte mit einer Ansicht des Bühnenbilds, das Ersan Mondtag für seine Inszenierung „Die Vernichtung“ kreiert hat. Die Uraufführung des Stücks vom Konzert Theater Bern bildete den nicht so krönenden Abschluss des Berliner Theatertreffens 2017.

Die Vorstellung beginnt im Dunkeln. Zu hören ist Johannes Brahms „Ein deutsches Requiem“ mit dem Chor „Denn alles Fleisch, es ist wie Gras“. Die alte Aufnahme der Wiener Philharmoniker unter Leitung von Herbert von Karajan scheppert aus den Lautsprechern. Es folgt eine lange Pause im Dunkeln. Das Publikum soll wohl beeindruckt sein.

Mit dem einfallenden Licht steigt Nebel auf. Schließlich ist eine Art golden angeleuchtete Himmelstür oder ein Heiligenschrein erkennbar, in dem schemenhaft einige Menschen sichtbar werden, die aus purer Dummheit einen Hundewelpen ertränken. Dazu hält einer der Männer einen Vortrag über die ach so schlimme Domestizierung der Hunde.

Dann wird sichtbar, was auf dem Plakat nur als Ausschnitt abgebildet ist: Eine Frau und drei Männer in bemalten Ganzkörperanzügen in einem Garten, der wohl als Paradies durchgehen soll, mit gepflegtem Rasen, ein paar Bäumen, Teich, einer Schaukel, antik anmutenden Gipsstatuen und ausgestopften Wildschweinen. Diese Hollywood Filmidylle zu vernichten, wäre keine so schlechte Idee. Aber obwohl später mittels filmischer Einspielung alles grün überwuchert wird und das Grüne auch die Menschen erstickt, löst sich das dann wieder auf und die Szenerie, eine Mischung aus Disney-Art und Expressionismus, bleibt bis zum Schluss erhalten.

In Olga Bachs Stück geht es gar nicht um die Vertreibung aus dem Paradies oder um seine Vernichtung. Es geht um WohlstandsbürgerInnen, die sich die Zeit mit Gruppensex und Drogen vertreiben und sich dabei so langweilen, dass sie unversehens rechtspopulistisch, wenn nicht gar faschistoid werden und mit dem Gedanken spielen, terroristische Anschläge durchzuführen.

Was sie da reden über Hinrichtungen und gegen Geflüchtete und wie sie nur um sich selbst kreisen, das hat Olga Bach sehr simpel, z. T. pubertär erscheinend, formuliert. Es macht auch keinen Spaß, diesen gleichförmigen Lautsprecherstimmen zuzuhören. Unangenehm wird es, wenn sie dröhnenden Techno Beat überschreien. Das tut in den Ohren weh ohne deshalb bedrohlich zu wirken.

Die Puppenmenschen kündigen dauernd bestimmte Aktionen an, führen dann jedoch ganz andere aus. Es ist daher nicht zu befürchten, dass dem rechtsradikalen Geplapper dieser Wesen entsprechende Taten folgen werden. Dazu wirken sie auch viel zu phlegmatisch und unentschlossen. Ob sie, wie aus ihren Gesprächen zu entnehmen, tatsächlich Berufen nachgehen oder sich das im permanenten Drogenrausch nur einbilden, ist nicht erkennbar.

Nach Brahms wird die deutsche Leitkultur noch einmal zu Gehör gebracht mit Beethovens Eroica. Dazu reißt einer der Männer sich den Ganzkörperanzug vom Leib und vollführt, nackt und unbemalt, eine Ballett-Parodie, während der er auch in den Teich springt.

Alles nur Spaß offenbar in dieser Produktion, bei der das Publikum 75 Minuten lang die Langeweile der Kunstfiguren auf der Bühne teilen durfte.

Bei der Premiere im Haus der Berliner Festspiele gab es herzlichen Applaus für die SchauspielerInnen, während der Regisseur mit massiven Buh-Rufen bedacht wurde.

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