„Sei nicht du selbst“ – Programmpräsentation der Autorentheatertage Berlin 2012 im Deutschen Theater

In seiner Begrüßung bedankte sich Intendant Ulrich Khuon bei seinen MitarbeiterInnen für die bereits bei den Vorbereitungen geleistete Arbeit und die Bereitschaft, während der Autorentheatertage, kurz vor der Sommerpause, noch einmal eine Fülle von Aufgaben zu bewältigen, die weit über die normalen Anforderungen des Theaterbetriebs hinausgehen.

Alleinjuror Tobi Müller hat von hundert eingesendeten neuen Stücken drei ausgewählt, die in der Langen Nacht der Autoren am 16.06. in Werkstattinszenierungen zu erleben sein werden. Während die Autorinnen Charlotte Roos („Wir schweben wieder“) und Nina Büttner („Schafinsel“) bereits erfolgreich als Dramatikerinnen tätig sind, hat Sarah Tabea Paulus mit „Totberlin“ ihr erstes abendfüllendes Stück verfasst.

Der Schweizer Kulturjournalist Tobi Müller mit Wohnsitz in Berlin wurde zum Juror berufen wegen seiner, wie Ulrich Khuon sagte, „Leichtigkeit und Eleganz des Denkens“ und seiner vielseitigen Interessen, mit denen er über das Theater hinaus auch die anderen Künste sachkundig in seine Arbeit einbezieht.

Müller hatte seine Ausschreibung für die neuen Stücke unter das Motto gestellt: „Sei nicht du selbst!“ Beabsichtigt hatte er damit, den derzeit vorherrschenden Zwang zur Authentizität zu durchbrechen. Anstelle von Selbstdarstellung forderte er Grenzüberschreitungen zum Fremden und, statt Nabelschau, Begegnungen auf der Grundlage von Empathie und Recherche.

Im Rahmen des Festivals findet auch ein Symposium zum Thema „Authentizitätsterror“ statt. Bei der Auswahl der eingeladenen Gastspiele haben Ulrich Khuon und die DT-Dramaturgie ebenfalls die Neugier auf nicht vertraute Welten zugrunde gelegt.

Von  rund 90 in Betracht kommenden Inszenierungen wurde 53 angeschaut und diskutiert, von denen dann 17 Produktionen von 16 verschiedenen AutorInnen eingeladen wurden. Die junge Dramatikerin Anne Lepper ist mit zwei Stücken vertreten: „Seymour oder ich bin nur aus Versehen hier“ (Schauspiel Hannover) und „Käthe Hermann“ (Theater Bielefeld).

Während alle von Tobi Müller ausgewählten Stücke von Autorinnen stammen, ist auch bei den eingeladenen Gastspielen der Anteil von Autorinnen und Regisseurinnen erfreulich hoch.
Auf Rebekka Kricheldorf musste beim diesjährigen Festival verzichtet werden, da ihre Dramatisierung von „Der große Gatsby“ am Schauspielhaus Hamburg aus technischen Gründen nicht realisierbar war.

Eröffnet wird mit dem Burgtheater Wien mit Roland Schimmelpfennigs Stück „Das fliegende Kind“ in einer Inszenierung des Autors .Das Schauspielhaus Zürich ist zu Gast mit Elfriede Jelineks Sekundärdrama „Faust 1- 3 / FaustIn and out“, das Thalia Theater Hamburg in Kooperation mit den Salzburger Festspielen präsentiert „Immer noch Sturm“ von Peter Handke in einer Inszenierung von Dimiter Gotscheff, Falk Richter hat am Düsseldorfer Schauspielhaus seine Bearbeitung von Michel Houllebecqs Roman „Karte und Gebiet“ inszeniert, „Three Kingdoms“ von Simon Stephens unter der Regie von Sebastian Nübling wird zu sehen sein mit den Münchner Kammerspielen in Koproduktion mit dem Theater NO99 Tallinn und dem Lyric Hammersmith Theatre London wie auch „Gift“ von Lot Vekemans, Regie: Johan Simons vom NT Gent in Koproduktion mit den Münchner Kammerspielen.

Auch von kleineren Theatern ist Spannendes zu erwarten. So vom Neuen Theater Halle die Uraufführung von Carsten Brandaus Stück  „Fabelhafte Familie Baader“, das 2010 in der Langen Nacht der Autoren im DT als Werkstattinszenierung ein Publikumserfolg war.

Weiterhin zu erleben sind Stücke von: Theresia Walser („Eine Stille für Frau Schirakesch“ / Theater Osnabrück/ Theater Freiburg), Philipp Löhle („Der Wind macht das Fähnchen“ / Theater Bonn), Dirk Laucke („Angst und Abscheu in der BRD“ / Theater Oberhausen), Lukas Bärfuss („Malaga“ / Nationaltheater Mannheim), Oliver Kluck („Der Wiederaufbau des Haider-Denkmals“ /Schauspielhaus Graz), Ulrike Syha („Radikale“ / Theater Chemnitz), Thomas Arzt („Grillenparz“ / Schauspielhaus Wien) und Ingrid Lausund („Tür auf Tür zu“ / TheaterDuisburg/ lausundproductions).

Im umfangreichen Rahmenprogramm mit AutorInnenportraits, Einführungen und Nachgesprächen zu den Gastspielen ist u.a. auch das EM Spezial „Also sprach Metzelder zu Mertesacker“ zu erleben als Lesung mit Moritz Rinke und Ulrich Matthes, dem am 1. Mai die Albert-Bassermann-Uhr als Auszeichnung für seine Bühnen- und Vortragskunst überreicht werden wird.

Beim „Ballo letterario – Bal littéraire“  treffen sich die AutorInnen Magda Barile und Lucia Calamaro (Italien), Fabrice Melquiot und Eddy Pallaro (Frankreich) sowie Anne Habermehl und Philipp Löhle (Deutschland) um, ausgehend von ihren Lieblingssongs, eine Geschichte zu kreieren.

Im „Empty Nest“, dem grünen Kinderzimmer-Zelt auf dem DT- Vorplatz, sind die prämierten Texte des Treffens Junger Autoren der Berliner Festspiele 2011 als Performances zu erleben.

Am Schluss der Programmpräsentation der Autorentheatertage im Saal des DT gab es zwei kurze Lesungen:  Daniel Hoevels traf sehr prägnant den klagenden und anklagenden Ton von Peter Handke in einem Auszug aus „Immer noch Sturm“, Christa Müller und Helmut Mooshammer amüsierten mit Bissigkeiten aus dem E-Mail-Austausch zwischen Elfriede Jelinek und Roland Koberg, und schließlich sorgte Helmut Mooshammer mit einem kleinen Ausschnitt aus „Faust 1 – 3 / FaustIn  and out“ für die Mischung aus Amüsement und Erschrecken, die bei Elfriede Jelinek zu erwarten ist und dennoch immer wieder überrascht.

Der Vorverkauf für die Gastspiele bei den Autorentheatertagen Berlin 2012 und die Lange Nacht der Autoren beginnt am 28. April 2012.

Vorheriger ArtikelIn Berlin wird heute der Deutsche Computerspielpreis und der Deutsche Games Award LARA vergeben
Nächster ArtikelDer Untergang der Kogge – Mit Hansa Rostock verschwindet wieder ein Ostclub aus der Bundesliga