Schwäbisch-alemannische Fasnet im Schwarzwald – Drei tolle Tage an vier Orten

© Foto: Elke Backert

Guggenmusik heißt die echt schräge Musik, die in Basel ihren Ursprung hat. Sie stimmt den Zuhörer ein auf den ersten Umzug am „Sunntig“, wenn um 14 Uhr farbenprächtige Fußgruppen von Maskenträgern mit Namen Hansel, Hölzlekönig, Schantle, Moosmulle, Mooshex, überhaupt vornehmlich Hexen aller Couleur, Musikkapellen und Wagen durch die Nachbarstadt Schwenningen toben. Da laufen Rettiche in Menschengestalt, die Spättlehansel tragen Kostüme aus Stoffresten, die Salzhansel welche aus aneinander genähten Säckchen, die zu jener Zeit mit Salz gefüllt waren, als man in Bad Dürrheim noch das „weiße Gold“ gewann. Aus Elzach sind die „Schuttig“ mit von der Partie. Nur die Villinger Narros sind nicht dabei. Sie verlassen nie ihre Stadt. Wenn aber am Sonntag Abend der Oberbürgermeister den Schlüssel an die Narrenzunft übergeben und die Glonki-Gilde am Bickentor die Fasnet gesucht und gefunden hat, dann…

Ja, dann begrüßen sich die Villinger mit „glückselige Fasnet“. Geweckt werden sie am nächsten Morgen ab sechs Uhr durch die Katzenmusik, laut und schräg wie die Guggenmusik. Jeder will auf den Beinen sein, wenn die Vermummten der Villinger Narrenzunft beim historischen Umzug den am Straßenrand stehenden Zuschauern ihr „Narri“ zurufen. „Narro“ schallt es aus allen Kehlen zurück. So geht das am Fasnetsmendig, dem Rosenmontag, von Punkt neun Uhr an zwei Stunden lang. Rund 2500 Hästräger, das sind die Kostümierten, ziehen durch die mittelalterliche Stadt. Allen voran Narro. Eine aus Lindenholz geschnitzte Glattmaske, in Villingen Scheme (gesprochen mit Doppel-m) genannt, mit süffisant-eitlem Lächeln, Schönheitspflästerchen und einem Haarkranz aus Rosshaar, Relikt einer Allongeperücke, verfremdet den Menschen darunter, zumal kein Stückchen Haut zu sehen ist. Ein überdimensionaler plissierter weißer Leinenkragen, Masche (= Schleife), Foulard (= Tuch), beides aus reiner Seide, pelziger Fuchsschwanz, an der Kappe befestigt, Narrosäbel und Narrorollen ergänzen das Häs. Die Rollen, jeweils elf Schellen aus Bronze an einem Ledergurt um den Oberkörper, wiegen 30 bis 50 Pfund. Durch Hüpfen bringt Narro sie zum Klingen. Und alles hat seine Bedeutung.

Die Zahl elf beispielsweise sei eine schlechte Zahl (zehn Gebote, zwölf Apostel, später elf, weil Judas Jesus verriet), wie man im Kulturzentrum Franziskaner in Villingen bei einer Führung erfährt. Narros Leinenhose war ursprünglich weiß, weshalb er auch Weißnarr heißt, wurde aber später mit einem Löwen und einem Bären, der ein Weinglas hält, bemalt, beides Wirtshausschilder. Der Löwe steht für Eitelkeit und Hochmut, der Bär für Naschsucht. Auf den Ärmeln der Jacke prangen gemalte Würste und prangern die Fleischeslust an. Denn bei der Villinger Fasnet handele es sich nicht um ein heidnisches Relikt, bei dem mit Masken und Lärm der Winter ausgetrieben werde. Seit 1700 Jahren, seit das Christentum in Rom Staatsreligion wurde, begehe man Fastnacht, das Fest vor der 40-tägigen Fastenzeit, aus religiösen Gründen. Die Figuren der Umzüge stehen symbolisch für im religiösen Sinne lasterhaftes Leben: So symbolisiere der Butzesel geistige Trägheit, der nur Fleischeslust im Kopf habe. Deshalb wird er von „Treibern“, den „Stachi“, mit Peitschenknallen beaufsichtigt, die ihn vom Gang ins Wirtshaus und in ähnliche Etablissements abhalten sollen. Der Wuescht stellt Völlerei dar – er trägt die gleiche weite Leinenhose wie der Narro, die jedoch mit Stroh vollgestopft ist. Ein Brett auf dem Rücken mit einer Puppe schützte ihn vor Steinwürfen der Kinder. Heute haben die genug damit zu tun, der fliegenden Süßigkeiten im Überfluss Herr zu werden. Am Dienstag um Mitternacht endet die Fasnet mit dem Strohverbrennen der Wuescht.

Seit etwa um das Jahr 1900 auch Frauen zum Umzug zugelassen sind, geht an Narros Seite das Morbili, in vorderösterreichischer Tracht mit spöttisch lächelnder, ein altes Weiblein darstellender Scheme und einem Blumen besetzten Spitzenhäubchen. Weitere Fasnetfiguren sind die Altvillingerin, Surhebel, Kater Miau und Glonki. Wie der Hofnarr des Mittelalters genießt der Narro ein Rügerecht und „strählt“ seine Mitbürger, ohne selbst erkannt zu werden: Er sagt ihnen Wahrheiten, die ihm sonst Höflichkeit und Rücksichtnahme verbieten.

Einige Kilometer weiter, in Rottweil, der ältesten Stadt Baden-Württembergs, „jucken“ am Montag um acht Uhr und am Dienstag um 14 Uhr Federhannes, Schantle, Gschell, Biss und Fransenkleidle in „Larve und Kleidle“ aus dem Schwarzen Tor die Straßen runter, wobei die Federhannes mit ihrem Stab hohe Sprünge wagen. Das und das Hüpfen der Narren mit den Schellen hat dem Umzug den Namen Rottweiler Narrensprung gegeben. Nach dem Motto „Jedem zur Freud, niemand zum Leid“ spenden sie „Bonbonle, Schnäpsle und Schokolädle“.

Im Nachbarort Schramberg werden die Zuschauer beim Umzug nicht nur mit Süßem beworfen. Da schallt es durch die sonnige Winterluft: „Hoorig, hoorig (= haarig) ist die Katz“. Beim „Brezlesegen“ wechseln 14.000 Salzbrezel die Besitzer. Schramberg überrascht noch dazu durch ein verrücktes Ereignis, das „Da-Bach-na-Fahrn“. Etwa 40 mehr oder weniger wassertaugliche Gefährte, die das wichtigste Geschehen des Jahres auf die Schippe nehmen, bewegen sich auf der Schiltach über eine 600 Meter lange Strecke, in die drei Rutschen eingebaut sind. Worauf warten die Zuschauer dabei? Dass die Kandidaten „batsch–nass“ werden. „Batsch-nass“ ist auch der Anfeuerungsruf.

Allen Fasnet-Interessenten sei zum Abschluss eine Führung durch Bad Dürrheims Museum „Narrenschopf“ empfohlen. Es ist das größte Deutschlands und fasst die einzelnen Figuren der vier Fasnethochburgen an einem Schauplatz zusammen.

Info: Marketing und Tourismus Villingen-Schwenningen, Tel. (07721)822344, Email: tourist-info@villingen-schwenningen.de, Website: www.tourismus-vs.de

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