Schatten und Schattierungen des Unheimlichen seit Piranesi – Serie: „Edvard Much und das Unheimliche“ im Leopold Museum in Wien (Teil 3/4)

James Ensor, Kommunion (Mädchen mit Masken), 1899, Öl auf Leinwand, 57,2 x 52,5 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main

Dieses Grauen vor dem, was kommt, was der Mensch nicht überblicken kann, ist einfach Kennzeichen der neuen Zeit, die mit der Renaissance durchaus beginnt, denn es gibt unterschiedliche Epochenbrüche. Und wenn wir heute von dem noch in Gott aufgehobenen Lebensgefühl des Mittelalters sprechen, wissen wir auch nicht, ob das Fühlen und Empfinden der Menschen wirklich so sehr viel anders war als heute. Ob nicht auch das beruhigte Mittelalter seine hilflosen Ängste und Schattenseiten des Lebens hatten. Und während wir noch darüber nachdenken, kommen uns die unheimlichen Gemälde des Hieronymus Bosch in den Sinn, allesamt Ausgeburten einer kranken Phantasie sagen die einen, der Gegenwelt, der teuflischen Welt sagen die anderen. Was sich also hier mit dem Unheimlichen tut, ist dann eigentlich der Einzug von Hölle und Verdammnis, die früher in die Unterwelt verlegt wurden, also der Einzug dieser angstauslösenden Schimären in das tägliche Leben, in den Alltag.

Und während wir das so vor uns hinüberlegen, bei einem großen Schwarzen, da lesen wir das schon in den Unterlagen. Waren also nicht nur unsere Ideen, aber wir hatten sie eigenständig und das macht uns sicher. Immer eine gute Ausgangsposition, eine Ausstellung zu betrachten. Und eine solche Sicherheit braucht zumindest die Rezensentin, wenn sie nun von Raum zu Raum durchgeschüttelt wird, von all den Großmeistern des Grauen, seien sie gestaltlich ins Bild gefaßt oder nur durch Andeutungen des Unheimlichen hervorgerufen. James Ensor sehen wir auf rotem Grund. Diesem Maler, der den Menschen die Masken aufsetzt, – oder will er die Masken als das eigentliche Gesicht der individuellenlosen Menschheit zeigen? – war in der Frankfurter Schirn eine auch in der Erinnerung beeindruckende Ausstellung zugedacht. Und gleich das erste Bild „Kommunion“ ist aus dem Frankfurter Städel, ein Bild, das auch Furore machte, weil man für es den passenden weißen Rahmen fand, der es nun unwiderstehlich macht.

Unheimlich auch, aber man weiß nicht so genau warum und um dieses breite Spektrum beim Belgier Ensor auszudrücken, spricht man bei ihm von den Symbolen des Unterbewußtseins, die er als Zeitgenosse der beginnenden Psychoanalyse malt. Das ist eine alte Weisheit, daß Künstler etwas thematisieren, was erst später wissenschaftliche erkannt und bearbeitet wird. Was die Psychoanalyse angeht, setzt das mindestens seit den Tragödien der griechischen Antike ein. Deren Malerei ist leider verloren gegangen. Uns fasziniert immer wieder diese Radierung von 1886 „Die Kathedrale“, wo ja eigentlich die Menschenmasse das Phänomen, auch das angsteinflößende, ist. Oder besser noch dann der Tod, der alle verfolgt, die Masse vor sich hertreibt, was ja stimmt, denn außer der Geburt ist das einzige allen Menschen Gemeinsame dann ihr Tod.

Auf Blau folgt dann Alfred Kubin und wenn wir jetzt darüber nicht viel schreiben, dann nur deshalb, weil die ersten Drucke größtenteils dem Leopoldmuseum gehören, also auch sonst vorhanden sind. Denn wir sind eine tiefe Verehrerin der Worte und des Stiftes des Alfred Kubin, der sein Werk dem Oberösterreichischen Landesmuseum und der Albertina vermachte. Wenn etwas mit dem Ausdruck des Unheimlichen zu Recht charakterisiert wird, sind es seine Werke gewiß. Beispiel „Die Stiege“ um 1902/03. Eine Bild wie ein Foto aus einem Horrorfilm. Eigentlich nur eine öffentliche Treppe, die an einer Mauer hinaufführt, die von einer flackernden Laterne sanft erleuchtet ist. Vorn im Schatten, tja, was ist es? Eine Frau in Stiefeln, die ihren Rock zusammenrafft, gleich sehen wir wieder zwei Personen dicht nebeneinander. Dann wieder die eine. Unheimlich ist an dem Bild eben auch, daß es nicht gleich bleibt, sondern daß sie die Diffusität der Atmosphäre sofort auf den eigenen Blick und die Interpretation des Geschauten auswirkt. Hier paßt der Satz von Edvard Munch gut, der betont, daß es keine unheimlichen Bilder gäbe. Unheimlich ist das, was wir in die Bilder hineinlesen, was sie in unseren Augen an Geschichten und Gefühlszuständen gewinnen. Also sind wir immer die Betrachter unserer eigenen Phantasien.

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Ausstellung: bis 18. Januar 2010

Katalog: Edvard Much und das Unheimliche, Christian Brandstätter Verlag 2009

Alfred Kubin Ausgaben

A.K. Die andere Seite: ein phantastischer Roman, Bibliothek Suhrkamp 2009

Das ist die neueste Ausgabe, es gibt in verschiedenen Verlagen ebenfalls Ausgaben von Rowohlt bis Fischer

Alfred Kubin, hrsg. von Annegret Hoberg, Prestel Verlag 2008

Du Engel Du Teufel. Emmy Haesele und Alfred Kubin – eine Liebesgeschichte von Brita Steinwendtner, Haymon Verlag 2009

Das lithographische Werk von Alfred Kubin, hrsg. von Annegret Hoberg, Hirmer Verlag 1999

Alfred Kubin und die Jahreszeiten, hrsg. von Hannes Obermüller, Bibliothek der Provinz 2008

„Außerhalb des Tages und des Schwindels“: Briefwechsel 1928-1952 von Hermann Hesse, Alfred Kubin und Volker Michels, Suhrkamp Verlag 2008

Internet: www.leopoldmuseum.org

Reiseliteratur:

Felix Czeike, Wien, DuMont Kunstreiseführer, 2005

Baedecker Allianz Reiseführer Wien, o.J.

Lonely Planet. Wien. Deutsche Ausgabe 2007

Walter M. Weiss, Wien, DuMont Reisetaschenbuch, 2007

Marco Polo, Wien 2006

Marco Polo, Wien, Reise-Hörbuch

Tip: Gute Dienste leistete uns erneut das kleinen Städte-Notizbuch „Wien“ von Moleskine, das wir schon für den früheren Besuch nutzten und wo wir jetzt sofort die selbst notierten Adressen, Telefonnummern und Hinweise finden, die für uns in Wien wichtig wurden. Auch die Stadtpläne und U- und S-Bahnübersichten führen– wenn man sie benutzt – an den richtigen Ort. In der hinteren Klappe verstauen wir Kärtchen und Fahrscheine, von denen wir das letzte Mal schrieben: „ die nun nicht mehr verloren(gehen) und die wichtigsten Ereignisse hat man auch schnell aufgeschrieben, so daß das Büchelchen beides schafft: Festhalten dessen, was war und gut aufbereitete Adressen- und Übersichtsliste für den nächsten Wienaufenthalt.“ Stimmt.

Anreise: Viele Wege führen nach Wien. Wir schafften es auf die Schnelle mit Air Berlin, haben aber auch schon gute Erfahrungen mit den Nachtzügen gemacht; auch tagsüber gibt es nun häufigere und schnellere Bahnverbindungen aus der Bundesrepublik nach Wien.

Aufenthalt: Betten finden Sie überall, obwohl man glaubt, ganz Italien besuche derzeit Wien! Überall sind sie auf Italienisch zu hören, die meist sehr jungen und ungeheuer kulturinteressierten Wienbesucher. Wir kamen perfekt unter in zweien der drei Hiltons in Wien, wobei Wien Mitte auch Zentrum der Viennale, des Filmfestes ist, das ab dem 22.oktober die Stadt zur Leinwand macht. Sinnvoll ist es, sich die Wien-Karte zuzulegen mitsamt dem Kuponheft, das auch noch ein kleines Übersichtsheft über die Museen und sonstige Möglichkeiten zur Besichtigung in Wien ist, die Sie dann verbilligt wahrnehmen können. Die Touristen-Information finden Sie im 1. Bezirk, Albertinaplatz/Ecke Maysedergasse.

Mit sehr freundlicher Unterstützung von Air Berlin und den Hilton Hotels Wien.

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