Roter Stein und roter Wein – Landgang im churfränkischen Miltenberg

Nach dem Abendessen verabschiedet sich das Kreuzfahrtschiff von Würzburg. Auf der anderen Seite der Alten Mainbrücke kommt die abendlich warm beleuchtete Stadt erneut zum Vorschein. Schon wenige Augenblicke später taucht der 135 Meter lange Kreuzer wieder ein in die satte Ufernatur: steile Kalksteinhänge mit exzellenten Weinlagen, dichtes Gebüsch, das vom Schiffsscheinwerfer märchenhaft angestrahlt wird. Dutzende Nachtigallen und Spötter scheinen um die Wette zu schmettern. Idylle pur.

Da heißt es im 20-Kilometer-„Tempo“ zu Tal die Freuden der Langsamkeit genießen, während die letzten Weinorte in romantischer Beschaulichkeit vorübergleiten: Veitshöchheim, Thüringersheim oder Himmelstadt. Wie im siebten Himmel träumen die Gäste dem nächsten Tag entgegen.

Perle des Mains voraus!

Den Vormittag über fährt der Kapitän Slalom durch die Schlingen des Mains, der seit den Römern eine lange Schifffahrtstradition aufweist. Neben Flussschiffen wurden in Erlenbach – man glaubt es kaum – sogar Seeschiffe gebaut.
Wie ein Film passieren an Back- und Steuerbord malerische Städtchen und Dörfer, waldbestandene Buntsandsteinklippen und Weinhänge. Bis Backbord voraus die Türme von Miltenberg auftauchen. „Die Perle des Mains“, wie ein Schild am Anleger verkündet. Römische Feldherren allerdings erkannten nur ihren strategischen Wert, indem sie in der Nähe den nach Süden verlaufenden Schutzwall „Vorderer Limes“ am Flussufer schlossen.

Im Mittelalter herrschten die Churmainzer Bischöfe, heute wirbt die fränkische Region an der „Nasenspitze des bayerischen Löwen“ als Churfranken für ihre landschaftlichen, kulinarischen, architektonischen und historischen Vorzüge. „Wo der Main am schönsten ist“, meint die Fremdenverkehrsbroschüre.

Sanft auf die Hohenlinde

© Foto: Dr. Peer Schmidt-WaltherAuf dem Programm für einen Nachmittag: Landgang mit Einsichten. Die Zeit sollte man nutzen, entweder geführt oder individuell-aktiv und mit dem Flair des Besonderen.

Wie wär ´s mit einem Elektrofahrrad, neudeutsch E-Bike genannt? Einige Verleihstationen findet man ganz in der Nähre des Schiffsanlegers oder man informiert sich vorab beim Tourismusverband Spessart-Mainland (www.churfranken.de). Tourenvorschläge kann man sich unkompliziert auf sein Smart- oder iphone laden: www.churfranken.de/interaktive-karte.html.

Wir haben uns für zwei Stunden aufgemacht, um von Miltenberg aus die „6. Etappe des Fränkischen Rotwein-Wanderwegs“ zu erkunden. Der führt – mühelos, weil elektrisch sanft unterstützt – vom Historischen Rathaus steil hinauf in die Weinberge der Hohenlinde – mit einem atemberaubenden Blick auf die Stadt – aber auch in die Mainhölle, wie die auf der anderen Mainseite gelegene Weinberganlage genannt wird.

Eine flache Alternative wäre die Radrundtour am Main entlang: von Miltenberg nach Erlenbach und auf der anderen Seite zurück. 33.8 Kilometer oder zwei Fahrtstunden bei leichtem Schwierigkeitsgrad. Trainiert muss man für solche Strecken nicht sein. Umso mehr kann man die Flussaue genießen – mal nicht aus der Relingsperspektive. Ein Kontrastprogramm also.

Lebensfreude neben Gastlichkeit

Im Mittelalter verlief neben dem Main eine wichtige Handelsstraße, was Miltenberg durch das Stapelrecht von Waren großen Reichtum bescherte. Die frühere Bedeutung der Stadt erkennt man am malerischen Ensemble prächtiger Fachwerkbauten wie dem Alten Marktplatz mit seinem achteckigen Brunnen – bekannt als “Schnatterloch“-, im historischen „Schwarzviertel“ mit seinen BaudDas Gasthaus enkmälern oder an der frisch restaurierten romantischen Mildenburg hoch über der Stadt. Der Bummel durch Gassen und Winkel gerät zur Entdeckungstour durch Gegenwart und Vergangenheit.

Wobei man in der Hauptstraße ganz von selbst auf das prachtvolle Gasthaus „Zum Riesen“ aus dem 11. Jahrhundert stößt. Es nennt sich „Ältestes Deutschlands“. Schon Kaiser Karl VI., Hans Albers, Heinz Rühmann oder auch Elvis Presley kehrten hier ein und genossen mittelalterliche Lebensfreude und Gastlichkeit. Die sollte man sich unbedingt gönnen. Entweder bei lokalem, rustikalen Faust-Bier oder die edlen Tropfen der bekannten Weingüter Höflich und Fürst.

Zwischen Silvaner und Rehrücken

Die auf roten Buntsandstein-Verwitterungsböden mit Lösslehmauflage gereiften Trauben können sich einfach gut schmecken lassen: ob Rebsorten wie Silvaner, Riesling, Bacchus, Müller-Thurgau, Kerner, Blauer Spätburgunder und Portugieser. Weißburgunder, Frühburgunder, Regent und Dornfelder hingegen sind Neulinge für die Weinmacher, die ihr Handwerk mit Leib und Seele betreiben. Am „Fränkischen Rotwein-Wanderweg“ liegen einige Betriebe, deren Eigentümer sich über Gäste freuen, die eigenständige Weine zu schätzen wissen wie Chardonnay und Rotwein-Cuvees im Barrique gereift oder Winzersekt. Nach dem Motto: Radeln muss keine trockene Angelegenheit sein.

Je nach Auslaufzeit sollte man sich auch den Gaumenfreuden hingeben. Leicht erreichbar ist das Traditionshaus „Jagdhotel Rose“ an der Mainzer Straße ein paar Meter hinter der Alten Mainbrücke flussabwärts. Wir hatten Zeit, um geschmorten Rehrücken zu genießen. Sie sollten es auch tun und einmal aufs Bordrestaurant verzichten!

Mittelalterliches Abend-Gruseln

Gruselig indes wird es, wenn man von der düsteren Vergangenheit Miltenbergs hört. Im Ort werden gern mehrere Plätze gezeigt, auf denen öffentliche Prozesse und Hinrichtungen stattfanden. Grund dafür war der Hexenwahn, wobei die Main-Stadt zu den Hauptverfolgungsorten gehörte. Zwischen 1590 und 1630 ließen hier rund 200 Menschen als Hexer und Hexen ihr Leben, nachdem sie zuvor im Hexengefängnis bestialisch gefoltert wurden.

Warum das so war? Wirtschaftlicher Neid und Ernteausfälle bei Wein und Getreide werden heute als eine der wesentlichen Ursachen angesehen. Darunter litt auch so mancher wohlhabender „Riesen“-Wirt, der mit seiner Familie auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Unter dem Vorwand, dass vor dem Gasthof die Hexen tanzten.

Mittelalterliche Gruselgeschichten, die den Kreuzfahrern Schauer über den Rücken jagen und genügend abendlichen Stoff bieten für die Weiterfahrt mit Kurs auf die Kulturstadt Aschaffenburg.

Infos

Der Main fließt in vielen Mäandern und wurde von den Kelten daher Schlange genannt, von den Römern Moenus. Er hat einen doppelter Ursprung: als Roter Main in der Fränkischen Alb und als Weißer im Fichtelgebirge. Beide Quellflüsse vereinigen sich südwestlich von Kulmbach. Schiffbar ist er auf 386 Kilometern Länge zwischen Bamberg und Mainz.

Mainland Miltenberg – Churfranken e.V., Hauptstraße 57, 63897 Miltenberg, Website: www.churfranken.de, Email: info@churfranken.de, Telefon: 09371-660 6975

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