Rhythmus und Blut – Brasilianischer Bruce-Lee-Nachahmer: „Besouro“ im Berlinale Panorama

Was nach einem konventionellen Kung-Fu-Film klingt, ist ein Werk über die Mischung aus Kampfsport und Tanz, Capoeira. In seinem Spielfilmdebüt „Besouro“ erzählt der brasilianische Regisseur Joao Daniel Tikhominroff die Geschichte des sagenumwobenen Capoeira-Kämpfers „Besouro“. Zwischen Fiktion und Realität adaptiert er die in Südamerika bekannte Legende des besten aller Capoeira-Kämpfer, welcher für die Freiheit der versklavten schwarzen Arbeiter bis zum Tod zu kämpfen bereit war. Statt durch Reisfelder zu waten, laufen die Charaktere durch Zuckerrohr-Plantagen, der Sandplatz, auf welchem der junge „Besouro“ (Ailton Carmo) in der Kunst des Capoeira geschult wird, liegt nicht vor einem Tempel, sondern einer Lehmhütte und statt der Kraft des Drachen oder Tigers wird der Beistand von Voodoo-Dämonen errungen. Im asiatischen Kung-Fu-Film sind es meist skrupellose Banditen oder ausbeuterische Lehnsherren, welche die einfache Dorfbevölkerung schikanieren. „Besouro“ bekommt es mit einer Mischung aus beidem zu tun. Der gierige Coronel Venancio (Flavio Rocha) ist der reiche Besitzer der Zuckerrohrplantagen. Sein Wort ist Gesetz für die Schwarzen, welche als Feldarbeiter bis zur Erschöpfung schuften. Die Peitsche schwingt für ihn der Vorarbeiter Noca (Irandhir Santos). Mit teuflischem Grinsen gleicht er der Karikatur des schmierigen Sklaventreibers. Subtilität oder vielschichtige Charakterisierungen sind nicht die Stärke von Patricia Andrades Drehbuch.

Die Plantagenbesitzer schikanieren die Arbeiter, stellen den Frauen nach und lassen keine Gelegenheit aus, stereotype Schurkensätze auszuspucken. „Besouro“ ist der nicht minder klischeehafte Held, den es braucht, um solchen Bilderbuchbösewichten eine Lektion zu erteilen. Die Stärke des Hauptdarstellers Ailton Carmo liegt mehr im zur Schau stellen seines verschwitzten muskelbepackten Oberkörpers als in schauspielerischer Tiefe. Hier zeigt sich der einzige Vorzug der oberflächlichen Actionsaga. Die Kämpfe sind tadellos choreografiert und in Szene gesetzt. Mit seiner glatten, aber uninspirierten Ästhetik bietet der brasilianische Kampfsport-Streifen Bilder von der makellosen Eintönigkeit eines Werbeclips. Werberegisseur war Tikhomiroff auch bevor er in der Geschichte des sagenhaften Capoeira-Kämpfers eine dankbare Vorlage für ein Actionvehikel fand. Fans asiatischer Kampfkunst-Filme werden in „Besouro“ eine interessante Variation der üblichen Kung-Fu-Filme finden. Für alle anderen ist der Actionstreifen die brasilianische Antwort auf „Karate Kid“, nach der nie einer gefragt hat. Tikhomitroff scheitert nicht aufgrund zu geringer, sonder zu hoher Aspirationen. Statt sich ganz auf seine Wurzeln im Martial-Arts-Kino zu besinnen, will „Besouro“ gleichzeitig ein historisches Drama sein. Doch das Potential der Geschichte der südamerikanischen Sklaverei im Hintergrund der Handlung bleibt ungenutzt. Als Leibeigene führen die Nachfahren der nach Südamerika verschleppten Afrikaner das Leben von Sklaven. Die Ketten, welche ihre Vorfahren fesselten, sind für die jüngere Generation nicht mehr aus Eisen, sondern sozialer und wirtschaftlicher Abhängigkeit geschmiedet.

Gegen solche komplexen sozialen Unterdrückungsmechanismen helfen auf der Leinwand ein paar blitzschnelle Lufttritte. Sicher nicht die letzten, welche ausgeteilt werden. „So etwas wie den Tod gibt es nicht.“, prophezeit der weise Capoeira-Lehrer: „Tot sein bedeutet, dass andere Leute auf dich treten.“ Dramatik und Logik sind jedenfalls mausetot, nachdem Action und Martialik über sie hinweg getrampelt sind. Am Ende blickt schon der potentielle Nachfolger des mächtigen „Besouro“ zukünftigen Kämpfen entgegen. „Capoeira Kid II – Sohn des Zuckerrohrbauern“

Titel: Besouro

Berlinale Panorama

Land/ Jahr: Brasilien 2009

Genre: Kampfsport-Film

Regie: Joao Daniel Tikhomiroff

Drehbuch: Patricia Andrade

Darsteller: Ailton Carmo, Jessica Barbosa, Anderson Santos de Jesus, Flavio Rocha

Laufzeit: 95 Minuten

Bewertung: **

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