Prosit! Der originale Grappa, zum Beispiel von Poli aus Bassano del Grappa

Die Brennerei Poli

Wenn wir also durch die schöne Allee mit den Bäumen wandeln, steht an jedem Baum ein kleines Schild, das darauf verweist, wie am 24.9.1944 erst 14 Jungen ihr eigenes Grab schaufeln mußten und dann von den Faschisten erschossen wurden und zwei Tage später von ihnen noch 31 Jungen an diesen Bäumen aufgehängt und eine Wochen hängengelassen wurden, um abschreckend zu wirken. Wenn wir jetzt übergangslos vom Grappa sprechen, soll das auch zeigen, daß der Ort Bassano del Grappa beides kann: die Vergangenheit bewahren und ehren und gleichzeitig im Hier und Jetzt ganz schön gut zu leben, denn es liegt eine ausgeglichene Stimmung in der Luft, ein unaufgeregtes Wohlsein, das den Aufenthalt auf jeden Fall reizvoll macht, auch wenn man sich nicht in die Dünste der Destillerien begibt, was wir taten.

Zuerst einmal machten wir uns theoretisch schlau. Der Grappa, der aus den Schalen der zum Wein ausgepreßten Trauben gewonnen wird, hat viele verschiedene Sorten des Grappe, wir dürfen ruhig auf Deutsch auch ’von Grappas’ sprechen. Es gibt junge, es gibt gereifte, von daher beträgt der Alkoholgehalt mal nur 37,5 Prozent, was das Mindeste ist, aber auch bis 70 Prozent; das Mittel liegt bei etwa 60 Prozent. Aber wie das oft mit der Theorie ist, sie stößt sich an der Praxis. Denn als wir weiter recherchierten, da erfuhren wir, daß mitnichten das kleine Städtchen Bassano del Grappa der Ort der Erfindung des Grappas ist, sondern daß im 11. Jahrhundert infolge der Kreuzzüge diese Destillationstechnik nach Italien geriet und vor allem später im 16. Jahrhundert von den Jesuiten angewendet wurde. Und es soll ein Notar aus Piemont gewesen sein, der dem Grappa dann seinen Namen gab, der eigentlich das Gesöff der Armen war.

Denn darum wurde der Grappa das, was er heute ist, weil er im Verlauf der Geschichte aus dem Schnaps der Allerärmsten, der Bauern auf dem Land und dem Proletariat in den Städten zu jedermanns Grappa wurde. Der Grappa machte nationale Karriere. Es gelang ihm als ’der’ italienische Schnaps sogar den Soldaten während der Kriege als tägliche Ration zugeteilt zu werden. Heute dagegen rundet er nicht nur ein perfekt italienisches Essen ab, sondern wird auf der ganzen Welt als luxuriöser Abschluß eines aufwendigen Essens goutiert. Man trinkt ihn aber auch solo, oder zu einem Espresso.

Zeit, uns um die Herstellung zu kümmern. Die noch gar nicht so alte Destillerie von 1898 und das Verkaufsgeschäft Poli liegen auf dem Weg, verkaufsfördernd direkt gegenüber der Ponte Vecchio mit den berühmten Trägern von Palladio in einem alten Palast aus dem 15. Jahrhundert. Was uns dort interessiert ist das „Museo della Grappa“, das nun wiederum noch Geräte und Herstellungsverfahren aus den Anfängen der Grappazeit zusammengesammelt hat und uns im ersten Raum an eine Alchemistenküche erinnert, so sehr ähneln die Glaskolben mit den irren Formen und Verbindungen dem, was wir aus früheren Filmen von früheren Zeiten im visuellen Gedächtnis mit uns tragen. Familie Poli hat das alles zusammengetragen und im Museum präsentiert. Hier allerdings ist alles ordentlich in Vitrinen aufgestellt und nichts brodelt und Dämpfe, die uns schwindeln lassen, gibt es auch nicht. Drei junge Frauen machen die Führungen. Das sind Christine, Sara und Daniela.

Schon die Geschichte der Destillation ist echte historische Forschung. Denn ursprünglich wurde im Brennofen ’gebrannt’, wovon unser Weinbrand oder die Brände oder der Tresterbrand auch noch ihren Namen haben. Grob gesprochen bedeutet Destillieren, daß man eine gemischte Substanz, so wie die Tresterrückstände vermischt mit Wasser, durch Erhitzung dazu bringt, daß ihre Bestandteile sich durch Verdampfung trennen und sich als Alkohol und Wasserdampf niederlassen. Es gibt allerdings zwei Verfahren. Auch eines ohne Wasserzusatz. Dazu werden heute bei Poli in Handarbeit – die gibt es noch, während bei uns die industrielle Produktion längst Überhand genommen hat, – in einen großen Kolben in vier Schichten der Trester ohne Wasser angesetzt, auf rund 80 Grad erhitzt, so daß sich Wasserdampf und Alkoholdampf trennen in einem Verhältnis von 75 Prozent Wasserdampf und 25 Prozent Alkohol, was durch eine dünnes Glasröhrchen in einen weiteren Behälter geleitet wird, wo sich der Wasserdampf als schwerer erneut absetzt und am Ende noch eine Mischung von 75 Prozent Alkohol- und 25 Prozent Wasserdampf übrig bleibt. Ein typisches Feuerverfahren sieht so aus: Da gibt es den Heizkessel, mit dem Kesseldom oben drauf, den Schwanenhals, der den Dampf in die Kühlschlange und einen Kühlbehälter transportiert, wo im Sammelbehälter dann der reine Alkohol, nein noch nicht”¦, was übrig bleibt ist erst einmal Fusel, der ein zweites Mal destilliert werden muß, um wohlschmeckend zu werden.

Wir erfahren auch, daß schon die alten Ägypter rund tausend Jahre vor Chr. destillierten, allerdings keinen Wein, sondern zur Herstellung von Essenzen, die übrigens auch – in kleine Fläschchen gefüllt – als griechische Grabbeigaben wichtig waren. So richtig wurde das Verfahren dann von den Arabern systematisiert, die 641 vor Chr. Ägypten eroberten. Daran erinnern die arabischen Worte wie „Alambico“ für Destillierkolben, wie auch unser Wort Alkohol. Aber auch damals wurden aus Pflanzen Duftstoffe und Balsame hergestellt. Es war also wirklich die Verbreitung der arabischen Kultur im europäischen Mittelalter und ihre Ansiedelung an Universitäten, die uns den Alkohol als „aqua ardens“, als Brennwasser also bescherten. Damals trennten sich die Wege der Destillation zu medizinischen Zwecken und zur Erzeugung des Genußmittels Wein und der sich anschließenden Brände, wobei beide Wege sich nie total trennten, denn noch heute spricht man von der therapeutischen Funktion des Rotweins beispielsweise für Herz und Kreislauf und vom Lebenselixier des Weins ganz allgemein.

Dies alles kann man in dem ersten Museumsraum an den Geräten nachvollziehen, wozu eine Videoeinspielung den sinnlichen Vollzug nahebringt. Man lernt auch eine Menge wie z.B. die Herkunft des Wortes Aquavit, das aus „aqua vitis“ im Gegensatz zum „aqua vitae“ entstanden ist, weil der Kondensstreifen der Dämpfe spiralenförmig aufsteigt, wie eine Schraube also, was ’vite’ bedeutet. Aber auch „aqua serpentina“ also Schlangenwasser wurde geläufig, was sich dann wiederum auf die Form des Apparates bezog. Paracelsus (1493-1541) ist es schließlich, der zwischen Mittelalter und Neuzeit auch für den Wein zum Ahnherr wurde und dafür das Wort Alkohol benutzte.

Wieviel Möglichkeiten es gab, aus dem gärenden Most durch Destillieren reinen Alkohol, aber auch Wein und andere Spirituosen zu gewinnen, zeigen auch die Verfahren im zweiten Raum des Museums. Dort wird auch zwischen den verschiedenen Grappa-Arten unterschieden. Aber erst einmal der Grappa von allen anderen Bränden streng getrennt. Denn nur Grappa wird aus den sogenannten hartem Rohstoff gewonnen: den Stengeln, den Traubenschalen und den Kernen. Alle anderen Branntweine, vom Kognak über den Whiskey oder Calvados bis zum Obstler werden aus flüssigen Rohstoffen (Weinen) erzeugt.

Und hier zeigt sich auch die geschichtliche Herkunft des Grappas aus der Armen- und arme Bauernküche. Denn woanders wurden diese Reste weggeworfen, in diesen ländlichen Gegenden jedoch noch einmal verwendet. Daß man in der Tat über die frühen Anfänge des Grappa in Italien schlicht nichts weiß, ist mit diesem Herkommen zu erklären, denn die Schriftkunst, die zur Überlieferung führte, wurde in diesen Kreisen nicht beherrscht. Heute ist die Brandausbeute leicht zu errechnen. Etwa 100 kg Weintrauben ergeben 83 kg Most, daraus gewinnt man 10 kg Trester und die werden zu 700 ml Grappa mit dem Alkoholgehalt von 43 Prozent, also eine herkömmliche Flasche aus ursprünglich 100 kg Trauben, die zu Wein werden und ein Zehntel für den Schnaps lassen.

Kaufen kann man den Grappa in vielerlei Gestalt. Der junge Grappa ist gerade mal ein Jahr alt. Der aromatische Grappa basiert auf den Trauben, die besonderes geschmacksintensiv sind: das sind Müller-Thurgau, Riesling und Moscato. Der alte und verfeinerte Grappa muß mindestes 12 Monate alt sein und der sehr alte oder abgelagerte Grappa ist bei Poli sogar 13 Jahre alt. Dazu gibt es eine besondere Geschichte, die wir ein andermal erzählen, wenn so eine Flasche vor uns steht. Fehlen noch die aromatisierten Grappas, so Frucht- oder Kräuterzusatz für die Geschmacksrichtung sorgen. Bei Poldi ergibt das verschiedenfarbigen Grappa mit den Geschmacksrichtungen Lakritze, Honig, Raute, Heidelbeere und weitere Früchte, die aber transparent bleiben. Desweiteren kann man die regionalen Grappas unterscheiden, wie den venetianischen, den trentinischen oder den aus Friaul. Nardini gilt als die älteste Destilliereinrichtung in Bassano del Grappa und stammt aus dem Jahr 1779.

Nett auch die vergleichbaren Zutrinksprüche und die besonderen. “Prosit“ sagt der Italiener wie bei uns mit „Prost“ beim Grappa und anderen hochprozentigen Getränken. Beim Wein dagegen pflegt er „a la salute“ zu sagen, wie wir mit „Wohlsein“ oder „Gesundheit“ die therapeutische Wirkung des Weins und seiner Enkelkinder beschwören. Und jetzt den 13jährigen Grappa probieren. Da bleibt auch uns nur noch: „Prosit“ zu sagen.

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Internet:

www.poligrappa.com

www.museobassano.it

www.vicenzafiera.it

www.gitando.it

www.vicenzae.org

Mit freundlicher Unterstützung von ENIT, der italienischen Zentrale für Tourismus in Frankfurt am Main, der Tourismusorganisation in Vicenza, der Lufthansa und dem Hotel Da Porto in Vicenza.

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