Prinz Eisenherz wird erwachsen – Die Bände 7 und 8 der Gesamtausgabe des Comic-Klassikers erstrahlen in neuem altem Glanz

Prinz Eisenherz Bd. 8 der Gesamtausgabe des Comic-Klassikers

Das Lebenswerk des Zeichners und Autors wurde stets aus Verlegenheit "Comic" genannt. Viel eher scheint es sich dabei um ein literarisches Werk zu handeln, dessen Illustrationen sich verselbständigt und es überwuchert haben.

Und so braucht die liebevolle Aufbereitung der einstigen Sonntagsseiten ihre Zeit; die Restauration der Farben des Erstdrucks wird mit großer Hingabe betrieben – erstmalig in der wechselvollen Veröffentlichungshistorie des 1764 Seiten umfassenden Epos. Dass wir es mit einer "labor of love" zu tun haben, steht außer Frage: Der Verlag hat jetzt parallel die limitierte "Camelot-Edition" herausgebracht – in einem sogar noch größeren Format. Schreitet die Erscheinungsweise im etablierten Tempo fort, sollten Fosters "Eisenherz"-Seiten im Jahr 2012 komplett in 18 Bänden vorliegen.

Es lohnt sich, das Projekt zu begleiten und dranzubleiben, denn die bis heute laufende Endlosserie um den reisenden Ritter vollführt in ihrer Entfaltung wahre Quantensprünge, inhaltlich wie formalästhetisch. Die zuletzt vorgelegten Bände belegen dies eindrucksvoll.

In Band 7 vollzieht sich auf elegante Weise der Übergang von einer Fantasy-Welt weg zu einem realistischen, mit Vernunft zu bewältigenden Kosmos. Das Erstarken des Christentums kontrastiert Foster mit dem Niedergang von Aberglaube und Schwarzer Kunst. Ausgerechnet König Arthurs Hofmagier Merlin, der dem Helden in einem früheren Abenteuer mit Zauberei beistand, mausert sich nun zu einem frühen Rationalisten und Aufklärer. Er klärt Eisenherz über die wahre Natur der bestaunten „Magie" auf. Diese lasse sich allemal reduzieren auf Gaukelwerk und Griffe in die Trickkiste. Hierauf lässt Hal Foster ein letztes Mal wandelnde Skelette und andere Horrorgestalten auftreten, um sie ein für allemal als Ausgeburten der Phantasie aus seiner Saga zu verbannen.

Das märchenhafte Rittertum der frühen Bildergeschichten um Eisenherz gehört damit der Vergangenheit an. Dem Zeichner-Autor Foster wurde sein Held im Lauf der langjährigen schöpferischen Arbeit immer realer, und so nimmt es nicht wunder, dass dieser sich zunehmend – und eben schließlich exklusiv – mit allzu irdischen Problemen herumschlagen muss.

Nur vorübergehend bleibt die "Magie" Thema und Aufhänger für neue Herausforderungen: Hatte Prinz Eisenherz schon früher (auf Stippvisite beim „Unhold vom Sinstarwald“) den Aberglauben und die Ängste der Feinde für deren Überwindung genutzt, so muss er in einem neuen Abenteuer feststellen, dass auch andere diese Strategie anwenden können – mit noch weitreichenderen Resultaten.

Nicht nur wird das Setting der Ritterfahrten realistischer, auch die Zeichnungen werden ausgefeilter, das Personal zahlreicher, die Erzählung komplexer – Hal Foster erreicht den Zenit seiner Schaffenskraft. Mit Recht ließe sich sagen, dass der Strip erwachsen wird. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen: Die Helden altern – eine Seltenheit im Medium Comic –, nun unverhohlen, bekommen zum wiederholten Mal Nachwuchs und nehmen Jüngere unter ihre Fittiche.

So geschieht es dem jungen Geoffrey, dessen Einführung und Entwicklung der Autor viel Raum widmet. Der Name der Figur, Eisenherz’ neuen Freundes und jugendlichen Begleiters, spielt auf Geoffrey of Monmouth an, den Verfasser der im 12. Jahrhundert erschienenen Historia Regum Britanniae. Diese Mixtur aus Geschichtsschreibung und Mythenüberlieferung wurde zu einem der Meilensteine der Artussage, die den Rahmen für „Prinz Eisenherz“ abgibt. Innerhalb der Eisenherz-Saga übernimmt Geoffrey denn auch die Rolle des Hof-Chronisten und fiktiven Überlieferers der Lebensgeschichte des Helden, der „Sage vom Singenden Schwert“. Foster beansprucht für "Eisenherz" damit augenzwinkernd einen Platz neben den klassischen Adaptionen des Artusstoffs.

Der Herausgeber und Übersetzer Wolfgang J. Fuchs weist in seinem – wie gewohnt – sachkundigen Vorwort auf die zunehmend komplexe Erzähltechnik Fosters hin, der seine Protagonisten – und mit ihnen die entsprechenden Handlungsstränge – kunstvoll trennt und wieder zusammenführt. Dieses Verfahren sorgt für Abwechslung, auch in den Identifikationsangeboten. So ist Geoffrey, wie Fuchs feststellt, als jüngerer Krieger gewissermaßen ein „Platzhalter“ für Eisenherz’ Sohn Arn, der noch zu jung ist, um eigene Abenteuer zu bestehen, während die Titelfigur ein Alter erreicht, in dem sie nicht länger den Hitzkopf geben oder sich mir-nichts-dir-nichts neu verlieben kann.

Spätestens ab Band 8 ist Eisenherz als mehrfacher Vater kein Heißsporn mehr. Entsprechend wird er mit verantwortungsvollen Aufgaben betraut und sogar zum Papst gesandt, um Missionare für den allzu wilden hohen Norden anzufordern – Anlass für eine lange, gefahrvolle Reise nach Italien.

Fast bedauert der Leser, dass im Zuge der Lektüre eine Art Abstumpfung gegenüber der Brillanz von Fosters Zeichnungen eintritt. Andererseits lässt dieser Effekt ihn vollends in die fiktive Welt aus Rittertum (Hochmittelalter) und Völkerwanderung (Spätantike) eintauchen und macht logische wie historische Freiheiten verzeihlich. Eine um ein paar Jahrhunderte verfrühte Ankunft der Normannen in der Normandie darf den historisch interessierten Leser nicht weiter stören.

Einen Genuss bereitet wiederum die Dezenz und Geschmackssicherheit der originalgetreu restaurierten Kolorierung. Besonders in der Episode im Hochgebirge bereichern feinste Schattierungen den präzisen Strich Fosters.

In dem Kapitel um die Verteidigung des Hadrianswalls, den die Römer zur Befestigung der Grenze zu Schottland errichteten, nutzt Foster geschickt eine Nebenhandlung, um Spannung aufzubauen. Das Überleben des Helden steht auf der Kippe, und ausgerechnet in diesem prekären Moment verlässt ihn der Erzähler. Eisenherz, dessen gewieft-strategisches Vorgehen den Ansturm einer Übermacht von Pikten nur hinauszögern kann, zeigt Todesbereitschaft, als er mit seiner Weisheit am Ende ist. Im Angesicht des nahen Untergangs stimmt nicht nur sein Schwert ein schreckliches Lied an. „Er sang, als ich ihn verließ“, inmitten von Feinden, berichtet eine Bote. Seine Frau reitet und rettet sowohl die Situation als auch den Mann im letzten Augenblick. Sie weiß: Eisenherz ist stets dann am fröhlichsten, wenn die Lage aussichtslos scheint.

Die Bände 7 und 8 gehören inhaltlich eng zusammen. Sie stehen im Zeichen dreier Nebenfiguren, die hier wesentliche Entwicklungen durchmachen: Eisenherz’ Wikingerfreund Boltar, die Indianerin Tillicum und der erwähnte Knappe Geoffrey. Für die Romanze zwischen Boltar und Tillicum lässt Foster sich viel Zeit; sie beginnt in Band 7 und wird erst Dutzende von Seiten später fortgesetzt. Auch Eisenherz’ Frau Aleta emanzipiert sich in einer eigenen Nebenhandlung. In Abwesenheit ihres Gatten wendet sie dessen bewährte Strategien an, um die Burg ihres Schwiegervaters zu verteidigen und den Frieden in Thule (dem heutigen Norwegen) zu sichern.

Erstmals in der Saga – auch hier kommen Reife und Realismus zum Tragen – werden kritische, düstere Aspekte des Ritterlebens ausführlich behandelt: Der Held entgeht nur mit knapper Not dem Tod und hat monatelang an einer schweren Verwundung zu tragen, die ihn schwächt und ein weiteres Mal fast das Leben kostet. Damit nicht genug: Der aus verzweifelter Loyalität zum Dieb gewordene Geoffrey wird verbannt und verliert später einen Fuß. Darüber hinaus führen die starren Konventionen der Ritterehre zu einem sinnlosen Duell. Wenn die Protagonisten, Jahrhunderte vor der Zeit, das Schießpulver entdecken und die Explosion desselben allen die Haare versengt, dann wirkt das zunächst wie ein bloßer Gag zur Auflockerung – doch dauert es fast 40 Seiten, bis Eisenherz die gewohnte Haarpracht wieder zur Schau tragen kann.

Das Setting regt den Leser an, sein historisches Wissen aufzufrischen: Wann traten die Wikinger auf den Plan, und wann wurden sie christianisiert? Was geschah mit dem Römischen Reich zu Beginn der Völkerwanderung? Diese Fragen beantwortet "Prinz Eisenherz" nicht (immer) im Einklang mit den Geschichtsbüchern, doch das ist nicht die Aufgabe, die Hal Foster sich stellte. Diese besteht vielmehr im Erschaffen eines – gerade im Hinblick auf Medium und Genre – monumentalen Werks, das als zeichnerischer Geniestreich und als Destillat der – im besten Sinne – pragmatischen Lebenskunst seines Urhebers nach wie vor zu begeistern vermag – erst recht in dieser konsequent durchgeführten, wunderschönen Ausgabe.

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Prinz Eisenherz, Hal Foster-Gesamtausgabe, Großformatiger (32 x 23,5 cm) Hardcover-Band, erstmals in der restaurierten ursprünglichen Farbversion der US-Sonntagsseiten, Übersetzung von Wolfgang J. Fuchs, Bocola Verlag, 19,90 EUR [D] / 20,50 EUR [A] / 34,90 SFr [CH]

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