Palästinenser und Israelis arbeiten seit 20 Jahren zusammen

Doch welchen Titel sollte man wählen? Die Palästinenser baten ihre israe ­lischen Kollegen: „Ihr habt einen Staat, wir noch nicht. Dann laßt uns we ­nigstens im Titel den Vorrang.“ So kam es zum Namen, der gleichzeitig ein Hinweis auf die Sprache des Magazins ist. Auch in der Redaktion spricht man Englisch – aus Neutralitätsgründen. Dem Prinzip der Gleichberechtigung Rechnung tragend hat das Magazin zwei Herausgeber: Einen israelischen und einen palästinensischen. Dasselbe gilt für den Mitarbeiterstab, die Autoren jeder Ausgabe sowie den regelmäßigen Runden Tisch: Immer entspricht die Zahl der Israelis der gleichen Zahl an Palästinensern. „Wir sind wie Noahs Arche – von jeder Art gibt es zwei“, bringt es Herr Schenker auf den Punkt.

Im gemeinsamen Magazin sollen brennende Fragen diskutiert, Poli ­tik- und Meinungsmachern ein Forum geboten und Tabus gebrochen werden. Die Zeitschrift will Israelis, Palästinenser und Ausländer dazu bringen, jenseits ihrer herkömmlichen Denkmuster zu denken. Das Bekenntnis aller Redakteure hat einen ge ­meinsamen Nenner: Sie glau ­ben an eine friedliche Lösung des Konflikts, sie lehnen israe ­lische Siedlungen in den palä ­stinensischen Gebieten ab und sie befürworten die Zwei-Staaten-Lösung auf der Grundlage der Grünen Linie, der Waffenstillstandslinie nach dem 1. Israelisch-arabischen Krieg von 1948/49.

Im Jahre 2006 wurde die Zeitschrift von der UNESCO für die Förderung von Toleranz und Gewaltlosigkeit ausgezeichnet, mit dem UNESCO-Madanjeet Singh Prize for the Promotion of Tolerance and Non-Violence.

Wie kommt eine Ausgabe zu ­stande? Die Redakteure einigen sich auf ein Thema. Dann sucht die israelische Seite israelische Autoren, die palästinensischen Redakteure verfahren ebenso. Vierteljährlich erscheinen 128 Seiten – je zur Hälfte von israelischen und palästinensischen Autoren gestaltet. Alle Aspek ­te des Konflikts hat das Journal schon beleuchtet, manche sogar mehrfach. Das Spektrum reicht vom Schicksalsjahr 1948, dem Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge über Siedlungsbau, Wasser, die Jerusalemfrage, Kinder im Konflikt, Traumatisierung, die Rolle der Medien, Friedenserziehung und Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten bis zum Thema Holocaust-Leugnung. Ein palästinensischer Kollege habe dieses Thema weniger wichtig gefunden, erinnert sich Schenker. Nach langer Diskussion ist es dann doch zu dieser Themenausgabe gekommen. Das zeitweise auch von der Europäischen Union und der Friedrich-Ebert-Stiftung mitfinanzierte Journal kommt auf etwa Abonnenten. Womit diese Frühlingsgeschichte einen leichten Herbstschimmer erhält. Zudem ist es Schenkers Kollegen Ziad Abu Zayad seit Jahren vom israelischen Innen ­ministerium verboten, in die Redaktion nach Jerusalem zu kommen. Der Kollegin Leila Dabdoub wurde 2001 die Einreise verwehrt. Als die Palä ­stinenserin nach dem Besuch ihres Sohnes in England in Tel Aviv landete, teilten ihr die für die Einreise zuständigen Beamten mit, ihr Name finde sich nicht im Computer, sie sei also gar nicht registriert. Folglich könne sie nicht einreisen. Seitdem lebt sie in Chile. Dank E-Mail und Telephon hält sie den Kontakt zur Redaktion. „Schikane“ fällt Hillel Schenker dazu nur ein.

Die Mitarbeiter des Journals trotzen all diesen Hindernissen. Um Redaktionssitzungen mit Ziad Abu Zaiyad abhalten zu können, sind seine Kol ­legen schon oft zu ihm ins palästinensische Al-Azzaryie gekommen, dem neutestamentlichen Ort der Auferweckung des Lazarus, der nun hinter der israelischen Trennmauer liegt. In der ersten Bauphase sind die Journal ­-Mitarbeiter dabei schon einmal über die Mauer gesprungen oder haben Schleichwege benutzt.

Trotz dieser herbstlichen Einfärbung überwiegt für mich der Frühlingsanteil dieser Geschichte: Auch hier zeigen Israelis und Palästinenser, daß sie sehr wohl miteinander können. Sie können nicht nur reden. Sie fällen gemeinsam Entscheidungen und einigen sich. Und sie stel ­len gemeinsam etwas her, nicht nur ein Journal, sondern auch Vertrauen zueinander.

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