Oleksandr Onyschtschenko, Kandidat für das Amt des Präsidenten der Ukraine – Im Gespräch mit dem ukrainischen Exil-Politiker

Alexander Onyschtschenko
Alexander Onyschtschenko © 2017 Münzenberg Medien

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Oleksandr Onyschtschenko will für das Amt des Präsidenten der Ukraine kandidieren. Doch er wurde gezwungen, die Ukraine zu verlassen, nachdem er als klarer Befürworter der Opposition ins Rampenlicht geriet. Anklagen und Haftbefehle wurden erhoben und erlassen als Ergebnis der Auswertung von Audiodateien, die angeblich enthüllten, dass umfangreiche Korruption im inneren Kreis rund um den amtierenden Präsidenten Petro Poroschenko bestand.

Korruption unter Petro Poroschenko

Zweifellos behindert in der Ukraine eine gigantische Korruption das Wachstum und die Erholung des Landes nach der Abspaltung der Krim und der Oblaste Donezk und Lugansk sowie dem Krieg im Donbass. Zehntausende Tote und Verletzte werden in der Ukraine beklagt, die laut Internationalem Korruptionsindex für 2016, der von Transparency International erhoben wird, auf dem letzten Platz aller Länder Europas rangiert. Misswirtschaft und Korruption haben letztendlich nicht nur die ukrainische Währung instabil werden lassen, sondern höhlen die sozialen Sicherungssysteme aus.

Der Internationale Währungsfonds weigerte sich deshalb kürzlich, eine Tranche des Beihilfepakets in Höhe von 17,5 Milliarden Dollar freizugeben, solange nicht mehr gegen die Korruption unternommen werde. Was aber tun, wenn der Fisch vom Kopfe stinkt? Poroschenko gilt vielen Kritikern als Problem und nicht als Lösung.

Zur Person Oleksandr Onyshchenko

Als einer der Ukrainer, die bereits eine bedeutende Lebensleistung vorweisen können, hat Oleksandr Onyschtschenko – ohne Rücksicht auf eventuelle Folgen für ihn – den Finger auf diese offene Wunde der Gesellschaft gelegt.

Werfen wir einen Blick in seine Vita. Onyschtschenko absolvierte zuerst die Militärhochschule in Charkow und qualifizierte sich dann als Militäroffizier mit fundierten Deutschkenntnissen. Von 2005 bis 2008 studierte er am Institut für Volkswirtschaft und Wirtschaft der Nationalen Transportuniversität mit dem Schwerpunkt Betriebswirtschaftslehre. Er arbeitete früh als stellvertretender Vorsitzender der Kiewer Dnjepr-Bezirksabteilung der Union der Veteranen des Krieges in Afghanistan (1992-97), war Vizepräsident des Reiterverbandes der Ukraine (1998-2002) und Präsident der Reiter-Föderation der Ukraine (2002-07 und 2008-13). Er war Assistent des Ministers für das ukrainische Ministerium für Notfälle (2007), Berater des Ministers für Notfälle der Ukraine (2010) und Direktor eines Erdgasunternehmens in der Ukraine (2010-12).

Weiterhin war er Mitglied des Kiewer Landesrat (2010-12), Parlamentsmitglied (2012-14) und als solcher stellvertretender Vorsitzender vom Parlamentsausschuss für die Bereiche Brennstoffe und Energie sowie Nuklearpolitik und nukleare Sicherheit.

Oleksandr Onyschtschenko wurde laut Wikipedia am 31. März 1969 in Matwejew Kurgan im Oblast Rostow geboren. Er war ab 2014 Mitglied der Gruppe „Wolja Narodu“ (Freiheit des Volkes) der Rada, dem Parlament der Ukraine. Zuvor in seiner ersten Amtszeit von 2012 bis 2014 war er Mitglied der Fraktion „Wirtschaftliche Entwicklung“, gehörte jedoch der „Partei der Regionen“ an. Im Juni 2016 wurde aufgrund eines Korruptionsverdachts gegen Onyschtschenko dessen Immunität aufgehoben. Er ging ins Exil und beantragte 2016 im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland Asyl. Er will Petro Poroschenko 2019 beerben.

Im Gespräch mit Oleksandr Onyshchenko

L. Todd Wood von der „Washington Times“ hatte nun die Gelegenheit, Oleksandr Onyschtschenko Fragen über seine Situation und zukünftigen Pläne vorzulegen. WELTEXPRESS veröffentlicht im Folgenden die gestellten Fragen und Oleksandr Onyschtschenkos Antworten als eigene Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche:

Wood: Herr Onyschtschenko, wir hörten, dass Sie planen, sich 2019 aufstellen zu lassen. Ich habe die neuesten politischen Aktivitäten in der Ukraine beobachtet, und dabei die meiste Aufmerksamkeit auf die bevorstehende Präsidentschaftswahl gerichtet. Im Gegensatz zu vielen politischen sogenannten Experten, die der Meinung sind, die Kampagne begann mit Präsident Poroschenkos Angriff auf Michail Saakaschwili, begann sie doch, so sehe ich es, als Poroschenko und sein Team auf ihre Mittel zugreifen wollten, darunter eines der erfolgreichsten ukrainischen Unternehmen?

Onyschtschenko: Ja, ich habe mich entschlossen, für das Amt des Präsidenten ins Rennen zu gehen. Ihr Verständnis der Situation, Herr Wood, ist korrekt. Poroschenko sieht mich als einen starken politischen und wirtschaftlichen Gegner an. So war sein erstes Ziel, mich und der Opposition der finanziellen Ressourcen zu berauben und mich zu zwingen, mein Heimatland zu verlassen.

Präsident Petro Poroschenkos Verwaltung wird immer autoritärer, monopolisiert die Macht und unterdrückt seine Gegner. Eine Bank, die zu Poroschenko gehört, hat ihre Einnahmen verdreifacht, und dies geschieht in einer Zeit, in der die Ukraine mit der schlimmsten Wirtschaftskrise konfrontiert ist und das Einkommensniveau der Bevölkerung schlagartig abfällt.

In Kiew sagen Menschen in der Nähe der Macht oft, dass Poroschenko und sein innerer Kreis sehr gierig sind. Natürlich wollten sie immer mein Vermögen übernehmen. Ich habe diese Firmen von Grund auf neu erstellt. 2009/10 übernahm ich verlassene Erdölquellen und investierte in sie. Der Präsident und sein Kreis beschlossen, diese Vermögenswerte zu übernehmen, als sie gut strukturierte, einkommensschaffende Unternehmen wurden. 2009/10 wollte niemand die Erdölquellen, die ich entwickelte.

Wood: Die ehemalige Premierministerin und politische Gefangene Julia Timoschenko fragte sich welche Motive hinter diesem Angriff steckten. Was war Interpols Reaktion, als die ukrainische Regierung sie bat, eine „red notice“ gegen Sie und Ihre 72-jährige Mutter zu erteilen?

Onyschtschenko: Frau Timoschenko hatte Recht. Sie kennt Poroschenkos Stil. So versteht sie sein Motiv. Sie beschrieb den Angriff auf mich als eine „feindliche Übernahme des Unternehmens … Wir sind wieder bei aggressiven Corporate Raid-Aktivitäten wie unter Janukowitsch. Sie nahmen Onyschtschenkos Geschäfte mit Gewalt an sich.“

Was Interpol betrifft, so sind beide Anträge auf „red notice“ nach einer absichtlichen Überprüfung durch die Kommission zur Kontrolle der Interpol-Dateien abgelehnt worden. Interpols Generalsekretariat hat das Nationale Büro aufgefordert, ihre Daten in Bezug auf meine Mutter und mich zu aktualisieren (so dass der ukrainische Haftbefehl ignoriert würde).

Sie sollten auch nicht vergessen, dass die deutsche Justiz auch meinen Fall überprüft hat. Das Oberlandesgericht Koblenz prüfte den Haftbefehl und hielt ihn für rechtswidrig. Die Anklage, dass ich Summen von „UkrGasVydobuvannya“, der staatlichen Gasgesellschaft, veruntreut habe ist unbegründet. Ebenfalls wurde nicht bewiesen, dass Onyschtschenko an irgendeinem konkreten Betrugsdelikt beteiligt war, die von Dritten begangen wurde.

Was andere Straftaten in Bezug auf rechtswidrige Aneignung, Betrug, Geldwäsche und Annahme von Bestechungsgeldern betrifft, so stellt das Oberlandesgericht Koblenz fest, dass die Ukraine Tatbestände, welche diesen Anschuldigungen zugrunde liegen, nicht hinreichend detailliert darlegt.

Wood: Ermittler gegen Sie haben zehn Personen verhaftet, 39 Bankkonten, Immobilien und Ihr Firmenvermögen beschlagnahmt. Wie weit ist die Untersuchung seither fortgeschritten?

Onyschtschenko: Nachdem Generalstaatsanwalt Yuri Lutsenko die Entscheidung des Parlaments erhielt, meine Immunität aufzuheben, wurde nichts getan. Ermittler archivierten Papierkram, womit keine Fakten geklärt und keine Beweise für angebliche Verbrechen vorgelegt werden. Die Ermittler haben keinen klaren Plan, wie sie mit dem Fall umgehen können. Die Akten zum Fall enthalten viele zweifelhafte und nutzlose Dokumente.

Darüber hinaus habe ich den Eindruck, dass es für die Ermittler wichtiger ist, Menschen zu verhaften, anstatt Wahrheit in die Untersuchung zu bringen. Wenn ich die Situation mit diesen ganzen Verhaftungen analysiere, sehe ich keine Gründe für Inhaftierungen – die Menschen verschwinden ja nicht, sie sind in Kontakt mit Ermittlern und dem Gericht. Die Leute wurden einfach ins Gefängnis geworfen für mehr als ein Jahr ohne vernünftige Gründe und ohne Beweise. Diese Verhaftungen wurden mit dem Ziel durchgeführt, die Aktivitäten von Unternehmen einzufrieren und deren Geschäfte zu blockieren und zu zerstören. Seit dem Augenblick, in dem meine parlamentarische Immunität aufgehoben wurde, kam nichts in dem Fall auf, bis auf eine Sache: Sie haben ihr Ziel erreicht, mich aus dem Land zu drängen und mein Geschäft zu zerstören.

Wood: Erwarten Sie irgendwelche zusätzlichen Anklagen nach offizieller Ankündigung Ihrer Präsidentschafts-Ambitionen?

Onyschtschenko: Ich werde überrascht sein, wenn es keine neuen Anklagen gibt, nachdem ich meine Entscheidung bekannt gegeben habe, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren. Im vergangenen Jahr hielt der Sicherheitsdienst der Ukraine eine spezielle Pressekonferenz ab in der sie versuchten mich als Verräter am Staat darzustellen. Der einzige Beweis für eine so ernsthafte Anklage war ein Nachrichtenaustausch zwischen meinem ehemaligen Anwalt und einer anderen unbekannten Person. Das ist die traurige Wahrheit, wie tief der ukrainische Staat bei der Belästigung von Whistleblowern und politischen Gegnern sinken kann. In der Tat ist kriminelle Verfolgung die einzige Art, wie die gegenwärtige Regierung ihre politischen Gegner bekämpft. Wie ich in meinem Interview 2016 sagte, werden die meisten Kandidaten bis zum Zeitpunkt der Wahl mindestens einer Straftat beschuldigt – womit der Weg für Poroschenko geebnet wird.

Wood: Was ist Ihr Wirtschaftsprogramm?

Onyschtschenko: Ich bin in Gesprächen mit führenden Ökonomen, ehemaligen hochrangigen, mit der Durchsetzung wirtschaftlicher Ziele betrauter Personen, mit Anti-Korruption und Compliance-Spezialisten, wie die ukrainische Wirtschaft erneut zu beleben ist. Wir werden einen Plan entwerfen, den ich vorstellen werde.

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Hier der Link zur Quelle, zum Originalbeitrag von L. Todd Wood mit dem Titel „Q&A with exiled Ukrainian Oleksandr Onyshchenko„.

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