Nur selten kommen Fremde vorbei – Der Anti-Atlas in Marokko: Eine Wanderung durch das karge Land

Sand so weit das Auge reicht.

Kurz vor Sonnenaufgang werden wir von allein wach, schlüpfen aus dem Schlafsack in die Anziehsachen und tappen vor die Zelte. Sind wir wirklich von allein wach geworden? Mohammed und einige andere junge Männer laufen geschäftig übers Camp. Sie decken den Tisch, damit wir den Sonnenaufgang genießen können. Wir essen Fladenbrot mit Feigenmarmelade, trinken Pulverkaffee und Tee. Bibbernd blicken wir über die Bergkette, wo die Sonne bald aufsteigen wird. Dann steht Mohammed schon vor uns, den blauen Turban frisch gewickelt. Wir rappeln uns hoch und folgen ihm.

Wandern im Anti-Atlas, dem der Sahara zugewandten Gebirgszug Marokkos, das ist karges Land. Die Farben der Landschaft sind Braun und Blau. Braun wie die Kleidung der Nomaden, blau wie ihr Turban. Blau wölbt sich der Himmel über diese Welt, braun sind die Berge, fast soweit das Auge reicht. Unvernünftig muss man sein, um hier umherzustiefeln. Nichts gibt es zu sehen. Nur in wenigen Gegenden der Erde ist das Nichts so schön. Das Gebirge im Anti-Atlas wird selten besucht. Wir treffen auf der dreitätigen Wanderung nur Berber, Esel und Kamele.

Ein Dorf muss in der Nähe sein, hinter den Zelten sind Felder zu erkennen, man hört die rostigen Schreie von Mulis, und doch fühlen wir uns bereits weit weg von Zivilisation. Mitten im Nichts steht ein Zelt. Ali, ein Berber, bittet uns zu sich herein. Wir stellen unsere staubigen Stiefel an den Zeltrand und nehmen auf den ausgebreiteten Decken im Inneren des Zeltes Platz. Der alte und auf einem Auge blickgetrübte Mann, der uns herein gewunken hatte, kocht für uns Tee. Mit einem Stein hackt er den Zuckerklumpen klein. Dann wickelt er ihn wieder in Papier. Gelenkig geht der Alte in die Hocke und schenkt uns ein. In langem Strahl sprudelt Grüner Tee mit frischer Minze in kleine Gläser. Für Ali und alle Marokkaner versinnbildlicht die Zeremonie des Thé í  la menthe das Universum: Die sinia, das kreisrunde Tablett, stellt die Erde dar, die Teekanne den Himmel, die Gläser den Regen; durch den Regen vereinigen sich Himmel und Erde.

Ali zeigt in die Ferne. Sechs Kilometer entfernt in der Stadt wohnen seine Kinder. Manchmal nimmt er seinen Esel und besucht sie. Während wir weiter wandern, treffen wir Immer wieder auf Bewohner. Sie beackern steinigen Boden. Kahle Berghänge zeigen sich sauber geharkt und offensichtlich bestellt; im Oktober hat es etwas geregnet, nun hofft man auf weitere Niederschläge im Winter. Schafe und Ziegen grasen weit entfernt. Je länger wir in der Wüste unterwegs sind, desto einerlei wird uns, woher wir kamen und wohin wir gingen. Obwohl Mohammed sichtlich bemüht ist, uns den Weg zu erklären. Keiner von uns würde zu Hause erzählen, er sei entlang der mächtigen Tafelberge wie dem M ´Daour Serir über einen Teil der Bergkette Djebel Bani zu den großen Dünenfeldern des Erg Smar gewandert. Oder er sei in Amtoudi während der größten Mittagshitze auf die Speicherburg gekraxelt. Niemand würde sich darunter etwas vorstellen können.

Die Abende waren lang, früh wurde es dunkel und kalt. Wir trafen uns abends, aßen Tajine, das Nationalgericht, geschmortes Gemüse und Fleisch, oft Salat, Fladenbrot, frisch gebacken im einfachen Steinofen, schnell zusammengebaut. Die Speisen waren gewürzt mit Kreuzkümmel und Koriander. Die Gewürze waren genauso staubfein wie das Land, durch das wir gingen. Wie gut war es gewesen, unvernünftig zu sein und in einem Gebirge zu wandern, das nur felsig ist und nur braun.

Auskunft: Staatliches Marokkanisches Fremdenverkehrsamt, Graf-Adolf-Straße 59, 40210 Düsseldorf, Tel: 0211 37 05 51/52, Internet: www.tourismus-in-marokko.de, e-mail: marokkofva@aol.com

Veranstalter: Die Trekkingtour wird von angeboten: TRH-Reisen / Im Schnepfenflug 20 / 67147 Forst / Tel: 06326-9675753, E-Mail: team@trh-reisen.de / www.trh-reisen.de

Beste Reisezeit: Von März bis Mai sowie während der Monate September und Oktober. Für die kalten Nächte in der Wüste sind warme Kleidung und dicke Schlafsäcke erforderlich, wobei die Temperatur – anders als im Winter – nicht bis auf den Gefrierpunkt sinkt.

Klima: Die Tage können heiß werden, die Nächte hingegen fühlen sich an wie Winter bei uns.

Währung: Die marrokanische Währung heißt Dirham (DH). (1DH=0,10 EUR)

Ausrüstung: Da die Temperaturen stark wechseln, empfiehlt sich das Zwiebelsystem. Praktisch ist Kleidung aus High-Tech-Material, das den Schweiß nach außen leitet, so dass die feuchte Kleidung nicht am Körper klebt. Zur Not tun es aber auch Jeans und T-Shirt. Unerlässlich sind stabile, gut eingelaufene Wanderschuhe, die den Knöchel stützen. Ein warmer Schlafsack ist für die kalten Nächte dringend zu empfehlen.

Kondition: Man muss kein Hochleistungssportler sein, um im Atlas-Gebirge zu wandern. Eine gute Grundkondition, die man auch durch Joggen bekommt, sollte man jedoch mitbringen.

Literatur: Die beschriebene Region kommt in keinem der deutschsprachigen Reiseführer vor. In folgenden Büchern wird aber dem Atlasgebirge insgesamt Raum gewidmet:

DuMont Visuell: Marokko; reich bebildert und lehrreich.

APA Guide Marokko; viel Lesestoff, große Fotos.

Polyglott Reisebuch Marokko; viele praktische Informationen.

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