Niko Kovac und die ungewöhnliche Trainerfindung für den FC Bayern München

Ein Zuschauer in einem Stadion.
Ein Zuschauer in einem Stadion. Pixabay

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Am Samstag stand für Trainer Niko Kovac in der Fußball-Bundesliga eine Menge auf dem Spiel. Beim Gastspiel in München ging es für die von ihm betreute Eintracht aus Frankfurt als derzeit Tabellensiebenter die Chance auf den Start in einem europäischen Wettbewerb zu erhalten. Mit einem guten Ergebnis hätte er zudem den Ärger des FC Bayern München nach dessen 1:2-Pleite in der Champions League gegen Real Madrid vertiefen können. Außerdem hätte er andererseits seine Kompetenz als Fußball-Lehrer mit weitaus weniger prominenten Personal unterstreichen können. Einen Beweis in Bayern dafür, dass er der richtige neue Trainer beim deutschen Rekordmeister ist, lieferte er nicht ab.

Das Vorhaben ist – im ersten Anlauf – nicht gelungen. Der FC Bayern München gewann gegen den Außenseiter 4:1.

Die Wahl der Münchener, als Nachfolger des 72-jährigen Don Jupp Heynckes den Berliner Kroaten Kovac zu verpflichten, hat einen Staub wie selten bei Trainerwechseln in der Bundesliga aufgewirbelt. Und sie hat den 42-jährigen Kovac in der hartgesottenen Eintracht-Fangemeinde zum Unsympathikus und gar Verräter werden lassen. Ähnlich negativ waren die Reaktionen in den sozialen Netzwerken, die ihn mehrheitlich als geldgierigen Lügner beschimpfen.

Ein couragierter Auftritt, ein respektables Resultat hätten Kovac, der wie die Boateng-Brüder von den Bolzplätzen des Berliner Arbeiterbezirks Wedding und dem Nachwuchsprogramm von Hertha BSC den Weg in die Hochglanz-Profiwelt (u.a. zwei Jahre FC Bayern und Nationalspieler sowie Nationaltrainer Kroatiens) fand, einiges an Renommee bei den Eintracht-Ultras zurück gebracht. Doch Kovac wurde in seineem neuen Heimatstadion gedemütigt. Nach offensichtlich unsäglicher Bekanntgabe des Trainerwechsels hagelte es herbe Niederlagen: 1:4, 0:3 und nun 1:4.

Eine weitere Gelegenheit zur Wiedergutmachung bietet sich Kovac in der zweiten Konfrontation mit dem FC Bayern im Pokalfinale am 19. Mai in Berlin. In der Hauptstädt den haushohen Favoriten vom Sockel zu stoßen, hätte für Kovac gleich mehrfach Nutzwert. Einmal würde ein Sieg an der Spree seine künftige Tätigkeit an der Isar erheblich erleichtern. Denn ein sogenannter Dreifach- (Triple) oder auch Zweifach-Triumph des FCB nun unter Heynckes wäre eine Vorgabe, an der beispielsweise nach 2013 Trainergrößen wie Pep Guardiola und Carlo Ancelotti gescheitert sind. Dass sie „nur“ das Doppel aus Meisterschaft und nationalem Pokal holten und nicht das Triple durch Heynckes wiederholten, wurde zum Hauptgrund ihres Abschieds.

Ein sicherlich als Sensation geltender Eintracht-Erfolg würde aber dem ehrgeizigen einstigen Mittelfeld-Abräumer Kovac zumindest mit einem Teil der Fanszene versöhnen.

Anfang April noch hatte jener in einem Interview erklärt, es gäbe keinen Grund daran zu zweifeln, dass er in der kommenden Saison weiter Trainer der Eintracht sei. Ergänzt um den winzigen, aber letztlich bedeutsamen Nachsatz: „Stand jetzt.“ Knapp acht Tage später sickerte in den Medien aber durch: Kovac wird Trainer in München! Möglich durch eine Ausstiegsklausel seines bis 2019 gültigen Vertrages und einer Ablösesumme um die 2,2 Millionen Euro!

Das Frankfurter Umfeld empfand diese Nachricht wie „einen Keulenschlag“. Als Verrat eines Lügners, der noch wenige Tage zuvor ein vermeintliches Treuebekenntnis abgelegt hatte. Ähnlich drastisch und krass fielen die Kommentar in den sozialen Netzwerken aus.

Kovac und seine Berater bemühten sich um Schadensbegrenzung. Erklärten, es habe kurzfristig einen Anruf der Bayern gegeben und Kovac habe spontan zugesagt. Kontakte vorher habe es nicht gegeben. Wenn das keine abenteuerliche Ausrede, kein Kommunikationsdesaster ist, was dann?

Den begehrtesten und lukrativsten Trainerjob in der Bundesliga ad hoc und ohne gründliches Aushandeln von Vertragsinhalten zu vergeben – das ist selbst für schlichteste Gemüter nicht vorstellbar.

Der Aufruhr war so groß, die Anfeindungen gegen Kovac so massiv, dass jener nach dem hart erkämpften Halbfinalsieg im DFB-Pokal auf Schalke es vermied, mit den Spielern in die Fankurve zu gehen. Als sein Name vor dem Ligaheimspiel gegen Hertha BSC zusammen mit der Aufstellung über die Lautsprecher genannt wurde, gab es ein mittelschweres Pfeifkonzert.

Kovac, der u.a. auch in Leverkusen und Hamburg als Profi Fanreaktionen erlebt hat, wirkte angeschlagen: „Ich lese nicht viel. Aber was an mich herangetragen wird, das trifft mich schon. Ich bin auch nur ein Mensch. Aber ich versuche das auszublenden.“

Dass Kovac in München ganz allgemein und nicht zuletzt durch die turbulente Art seiner Anstellung – immerhin hat der Vertrag eine dreijährige Laufzeit – Vorbehalte erwarten, dürfte klar sein. So wurde seine Verpflichtung von den Medien teilweise als Dritt- oder C-Lösung beurteilt. Heynckes wollten Hoeneß und Rummenigge noch für ein weiteres Übergangsjahr haben. Doch der blieb standhaft beim Nein. Jürgen Klopp schwimmt gerade auf einer Erfolgswelle mit einem laufenden Vertrag in Liverpool. Der in Dortmund geschasste Thomas Tuchel ist menschlich kompliziert und hatte angeblich sein Wort einem Spitzenklub (Paris Saint-Germain Football Club wohl) gegeben. Und der in Hoffenheim durchaus erfolgreiche Jung-Trainer Julian Nagelsmann hat deutlich weniger Expertise als Kovac und keine FCB-Vergangenheit.

Mia san mia und in Lederhosen zum Oktoberfest

Allerdings sind da auch Meinungen, die Kovac als den geeigneten Fußball-Trainer für den mit Abstand erfolgreichsten deutschen Verein sehen. Zur Schar der Befürworter zählen unter anderem der einstige Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld, Kevin- Prince Boateng von der Frankfurter Eintracht sowie der aktuelle Bayern-Sportdirektor Hasan Salihamidzic. Der Tenor: Kovac mache jeden Spieler besser, er sei eine ehrliche Haut, geradeheraus und offen, ein akribischer fleißiger Arbeiter, bodenständig.

Eigenschaften mit Parallelen zu Heynckes und mit denen man in der bayerischen Metropole wohl besser zurechtkommt als mit sonst üblichen Gepflogenheiten eines Global Players im Fußball-Kommerz wie Real Madrid oder Manchester City. Guardiola und Ancelotti haben wohl auch wegen fehlender Deutsch-Kenntnisse nie den optimalen Zugang zur Mannschaft, den Medien, den Vereinsbossen, Sponsoren und Fans gefunden. Deshalb hatte die Bayern-Führung vor der Trainersuche öffentlich verkündet, man wolle einen Kandidaten, der Deutsch spricht.

Bayern München fühlt sich auf Augenhöhe mit der Creme de la Creme der weltbesten Teams, bleibt aber im Kern ein Großkonzern mit provinziellen Ritualen. Mit dem „Mia san mia“ und dem traditionellen Aufmarsch in Lederhosen und karierten Hemden zum Oktoberfest dürfte ein im Wedding zur Welt gekommener Kroate wohl eher zurechtkommen. Zumal er das ja schon zwei Jahre als Aktiver von 2001 bis 2003 kennengelernt und praktiziert hat.

Kovac beharrt auf seiner Aussage, er habe in dem als Treueschwur aufgefassten Statement nicht die Unwahrheit gesagt. Das lässt vermuten, dass ihm die Bayern nach unverbindlichen Gesprächen Knall und Fall telefonisch die Pistole auf die Brust gesetzt haben: Entscheide Dich sofort – ja oder nein.

Kovac hat die Chance ergriffen, auch wenn ihm klar war, dass es in München immer eine Spur härter und herausfordernder als anderswo sein wird.

Und was den Umgang mit kniffligen oder unangenhemen Medienfragen angeht, da hat er mit Uli Hoeneß den perfekten Lehrmeister in der Nähe. Als jener um Auskunft ersucht wurde, wann man Kovac das erste Mal kontaktiert habe, bügelt er die Frage einfach ab: „Wir sind hier nicht bei der Staatsanwaltschaft“. Noch Fragen?

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