Nicht kaiserlich, nicht bürgerlich aber spannend – Die Wiesbadener Maifestspiele 2012

Seit einigen Jahren hat sich für die Maifestspiele eine Angebotsstruktur herausgebildet, die zwar weiterhin Highlights aus Oper, Schauspiel und Ballett anbietet, darüber hinaus aber mit der „Jungen Woche“ auch Kinder und Jugendliche ansprechen möchte und in einem Rahmenprogramm Lesungen, Konzerte aber auch passende Filme vereint.

Eröffnet wird traditionell mit Festspielfanfaren, auch in diesem Jahr eigens komponiert von August Klötzke, und einer Inszenierung des Lohengrin, mit der sich der scheidende Musikdirektor Marc Piolett vom Wiesbadener Publikum verabschiedet. Die Titelrolle singt Endrik Wottrich, der seine Bühnenlaufbahn dereinst u.a. auch in Wiesbaden begonnen hatte. Die Oper Tel Aviv steuert zwei Inszenierungen bei. Als eine Symbiose von Theater und Film präsentiert sich Tosca, wobei Aufnahmen der Orginalschauplätze in den Ablauf eingemischt werden. Als zeitgenössisches Werk folgt dann die Oper „Kinderträume“ in hebräischer Sprache nach einem Theaterstück von Hanoch Levin, das die traumatischen Erlebnisse eines Kindes in Krieg und Vertreibung als Parabel aufgreift.

Kontrast kommt aus China mit der Chongquing Sichuan Opera, das die Handlung des „Kreidekreis“, den Brecht aus chinesischer Quelle übernommen und nach Kaukasien verlegt hat, wieder an den Ursprung zurück holt, wobei sich die Truppe aber weiterhin an dem Brecht ´schen Text orientiert.

Ein klassisches Angebot der Maifestspiele sind die „Galaabende“, laufende Inszenierungen, die durch den Einsatz  von Spitzenkräften aufgehübscht werden. Dieses Mal ist es nur eine Gala und zwar „Turandot“.

Das Wiesbadener Ballett unter Stephan Thoss ist inzwischen über Hessens Grenzen hinaus bekannt und hatte mit „Blaubarts Geheimnis“ den Erfolg, der es rechtfertigt, dieses Stück noch einmal anzubieten. Der Tänzer des Blaubart, Guiseppe Spota, der für seinen Blaubart den Faust-Preis 2011 bekam, tanzte vorher bei der Gruppe „Aterballetto“ aus der Emilia-Romagna, die in diesem Jahr bei den Festspielen mit von der Partie ist und „Wie ein Hauch“ nach Musik von Händel und Hochzeit (Strawinski) auf die Bühne bringt. Der Choreograph Christian Spuck hatte in Wiesbaden schon treffende Opernregie abgeliefert, zuletzt den Falstaff. In Stuttgart hatte er „Leonce und Lena“ choreografiert, aber nicht nur dort, sondern auch in Kanada. mit dem „Grands Balletts Canadiens de Montreal“ und auf seine Empfehlung hin ist diese Gruppe in Wiesbaden vertreten. Da braucht es eigentlich gar kein Büchner-Jahr, aber es passt dann schon. Eine andere Art des Tanzes bietet die vierte Truppe das „Fabulous Beast Dance Theatre“ aus Dublin mit dem Stück „Rian“.

Beim Schauspiel hält sich Wiesbaden mit Eigenproduktionen zurück. Höhepunkt wird sicher die Hamlet-Inszenierung des Hamburger Thalia-Theaters sein. Das deutsche Theater Berlin wendet sich mit „Tschik“ an Jugendliche oder solche Menschen, die deren Befindlichkeiten besser verstehen wollen. Als Fortsetzung kann man dann „Verrücktes Blut“ besuchen, jene für alle vom Burn-Out bedrohten Lehrerinnen und Lehrer purgatorische Geschichte, in der eine verzweifelte Lehrerin mit Hilfe einer bei einem Schüler konfiszierten Waffe die ganze Klasse zur Auseinandersetzung mit Schillers Räubern zwingt. Und wer sich dann wieder nach der verrückten Welt der Erwachsenen sehnt, kann in Tschechows „Platonow“ wieder in diese eintauchen.

Die Junge Woche bietet mit Stücken wie „Birds“ (Eigenproduktion Junges Staatstheater), Leo (Circle of Eleven), Punk Rock (Junges Theater Basel) aber auch die Möglichkeit, die Auseinandersetzung mit dem jugendstadium zu vertiefen. Und speziell für Kinder gibt es mit Kindur (Compania TPO) interaktives Theater über das Le-ben der Schafe in Island oder eine Tanzproduktion von Célestine Hennermann.

Und wer nicht am Samstag frierend in der Schlange stehen möchte oder einfach zu weit weg wohnt: Man kann die Karten auch online buchen – aber auch erst sams-tags ab 9 Uhr, Website: www.staatstheater-wiesbaden.de

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