Neustart im Ü30-Modus – Deutsche Skilangläufer wollen zurück auf Erfolgskurs

Der deutsche Cheftrainer Jochen Behle zeigte sich vor der zweiten Hälfte der Tour nach vier von neun Etappen in Oberhof und Oberstdorf zufrieden. Das gelte für die Einzelergebnisse wie auch für die Ausgangspositionen vor dem Fünf-Rennen-Abschnitt in Toblach und Val di Fiemme mit dem berüchtigten Anstieg auf den Alpe Cermis.

Der 50-Jährige hatte nach bisher mageren Saisonergebnissen vier Top-Ten-Platzierungen am Schluss der Gesamtwertung gefordert. Gleiches galt für die Einzelränge auf den Etappen, wobei bei den Frauen die Zielsetzung etwas zurückhaltender angesetzt war.

Nach vier Etappen mit rund 150 Aktiven aus 21 Ländern haben die DSV-Vertreter im Wesentlichen die Vorgaben erfüllt. Tobias Angerer (8.) und Jens Filbrich (12.) sind in der Gesamtrechnung auf Kurs, nachdem der Klassikgewinner von Oberhof, Axel Teichmann, beim Skiathlon in Oberstdorf nach Skischaden weit zurückgefallen ist. Im nicht so dichten
Leistungsfeld der Frauen rangieren Katrin Zeller (11.) und Stefanie Böhler (12.)
aussichtsreich und nahe am erstrebten Top-Ten-Status.

Behles öffentlich bekundete Zufriedenheit ändert nichts an der Tatsache, dass die deutschen Langläufer momentan deutlich von ihren Glanzzeiten entfernt sind. Als die Männer zwischen 2004 und 2007 sich mit Rene Sommerfeldt, Tobias Angerer und Axel Teichmann viermal in Folge Platz eins im Gesamtweltcup holten. Und Angerer 2007 bei der Tour-Premiere die Nase vorn hatte. Und die Frauen vor allem dank Claudia Künzel-Nystad und Evi Sachenbacher-Stehle (Olympiasieg Teamsprint 2010) stets
Podest-Kandidatinnen waren.

Beide stehen derzeit nicht im Aufgebot. Sachenbacher-Stehle hat sich eine Auszeit zur Regenerierung genommen. Um die 32-jährige Künzel-Nystad ranken sich Gerüchte, man wolle sie im Hinblick für die Staffelambitionen bei den Winterspielen Sotschi 2014 zu einem Comeback animieren…

Ein Comeback der anderen Art  hat das Ü30-Trio Teichmann, Filbrich (jeweils 32) und Angerer (34) für diesen Winter gestartet. Im April letzten Jahres, so der zweimalige Weltmeister und 50-km-Silbermann von Vancouver 2010 Teichmann, sei die Idee geboren worden, mal für die Saisonvorbereitung andere Wege zu gehen. Vom üblichen Procedere, vom gewohnten, vielleicht zur Routine gewordenen Programm abzuweichen. Und sich außerhalb der Nationalmannschafts-Lehrgänge separat und eigenständig vorzubereiten. "Es war vergleichbar mit der Situation, dass ein Auto 10 Jahre mit 50 km/h gefahren ist und nun mit schnelleren Rennwagen der Weltspitze mithalten soll", sagte Teichmann in Oberhof.

Die Oldies wollten aus dem 50-km/h-Trott ausbrechen. Neue Reize, neue Impulse im Training setzen. Behle und der Skiverband gaben ihr Okay. Und als Berater gewannen sie den langjährigen Biathlon-Erfolgsgaranten Frank Ullrich. Derzeit im DSV im Nachwuchsbereich sowie im Weltverband IBU aktiv.

Die teilweise hämische Kritik nach schwachen Resultaten zu Saisonbeginn wies Teichman nach seinem Erfolg in Oberhof zurück: Journalisten und Öffentlichkeit sollten fair bleiben und "uns die Zeit geben, die man bei einem Neubeginn einfach braucht". Klar, werde man nicht alles richtig machen in der Rolle als eigenständige Profilangläufer, "aber wir werden ganz sicher eine Menge lernen in diesem Winter".

Behle meinte, dass man nicht ständig in jedem Rennen ganz vorne sein werde: "Aber wenn das Material optimal stimmt, die Tagesform passt und die Wettkampfkonstellation, dann sind Podiumsplätze möglich". Und der Lobensteiner Teichmann formulierte: "Wir sind noch nicht wieder in der Weltspitze, aber wir sind zurück in Schlagdistanz zu ihr."

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