Nach 20 Jahren im selben Verein – das Eisbären-Urgestein Sven Felski hängt die Schlittschuhe in den Spind

Nach 20 Jahren und rund 1000 Spielen für die Eisbären und dessen Vorgänger SC Dynamo, nach sechs Meister-Titeln sowie einer erfolgreichen Karriere in der Nationalmannschaft (zeitweise Kapitän) inklusive Teilnahme an Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen!

Das sei der "schwerste Tag meiner Karriere gewesen", gibt er gleich zu Beginn seiner Ausführungen Einblick in seine Gefühlswelt.

Grund für seine schwerwiegende Entscheidung waren Gutachten und Berichte der Ärzte, die ihm wegen der Befunde über sein linkes Kniegelenk (nach Kreuzbandriss, Meniskus-OP, Innenbandprobleme) "dringend davon abgeraten haben, den Leistungssport weiter fortzusetzen." Ansonsten sei mit Dauereinschränkungen im weiteren Leben zu rechnen.

Felski ist 37, demnächst 38, ansonsten körperlich fit. Hätte noch zwei, drei Jahre dem Puck nachjagen können. EHC-Manager Peter John Lee hat den Schläger erst mit 40 in die Ecke gestellt. Jaromir Jagr, Tschechiens Superstar, ist nach seiner Glanzzeit in der NHL jetzt mit 41 nicht nur Besitzer des Eishockey-Klubs Kladno, sondern noch immer ihr spiritus rector auf dem Eis!

Deswegen – "und weil ich diesen Sport so liebe und ihn lebe" -, hat er nach den vergangenen Meisterschafts-Play-offs, die er wegen der Kniebeschwerden nur mit Schmerz-Tabletten durchstand, die Entscheidung so lange hinausgeschoben. Die Ärzte konsultiert, das Knie behandeln lassen, Fitnesstraining betrieben. Warum er denn nach diesem umjubelten und gefeierten Jubiläum nicht aufgehört habe, war eine der ersten Fragen. Das wäre doch ein "optimaler Zeitpunkt" gewesen!
Sicherlich unter medialen Schlagzeilen-Aspekten mit einem Touch von Hollywood-Happy-End. Aufhören, wenn es am Schönsten ist!

Aber so tickt ein Felski nicht. Der Mann, nahe der früheren Eisbären-Arena Wellblech-Palast ("Welli") in Hohenschönhausen aufgewachsen und seit Jahren im Ostberliner Stadtteil Pankow wohnhaft, war und ist stets Sportler und Eisbär mit Leib und Seele. Das haben die Fans, deren Ruf und Image bis nach Nordamerika in die Topliga NHL gedrungen ist, immer empfunden und erlebt. Und deswegen ist sein Status und sein Ruf als "Eisbären-Urgestein" bis zum Regierenden Bürgermeister der Hauptstadt, Klaus Wowereit, gedrungen, der ihm vor einigen Wochen den Verdienstorden der Stadt überreichte.

"Sven hat soviel wie kein anderer Sportler für den Club und die Stadt getan", sagte Billy Flynn am Montag. US-Amerikaner und außerordentlich erfolgreicher Geschäftsführer für den wirtschaftlichen Bereich bei den Eisbären. Felli sei "menschlich und sportlich" ein Vorbild für die jüngeren Spieler gewesen. Habe ihnen gezeigt, wie hart man arbeiten müsse, um siegreich bleiben zu können: "Auch in seinem Ehrgeiz, immer alles zu geben, war er vorbildlich."

Lobende Worte, die Felski zurückgab, als er nach dem Trainer gefragt wurde, den er in über zwei Jahrzehnten als Besten empfunden habe: "Da gab es in den 20 Jahren eine ganze Menge…und drei von ihnen sitzen hier mit mir im Raum (sein Entdecker Hartmut Nickel und Peter John Lee, d.A.). Da muss ich mir schon überlegen, was ich sage…na ja, vielleicht Billy."

Der Kanadier Lee, dem Felski in seinem Eingangsstatement neben den Fans, dem Verein, den Mitspielern und natürlich seiner Familie (anwesend Ehefrau Manuela) ausdrücklich dankte, "dass er immer hinter mir gestanden und mich unterstützt hat, nun als Geschäftsführer Sport erklärter Architekt der Eisbären-Erfolge, hob Felskis Loyalität zu den Eisbären hervor: "Er hätte auch woanders hingehen können, auch in die NHL, als es uns nicht so gut ging (als die Eisbären Ende der 90-er Jahre vor dem wirtschaftlichen Aus standen, ehe US-Milliardär Anschutz in Hohenschönhausen einstieg, d.A.). Aber er ist immer bei uns geblieben. Hat alles für den Verein und die Stadt getan und ist so ein Aushängeschild der Eisbären geworden. Dafür sind wir sehr dankbar." Sein Trikot ist mit Abstand das meistverkaufte im Eisbären-Fan-Shop.

Lee stand auch dann hinter dem Urberliner mit der mitunter "vorlauten Schnauze", wenn jener damit bei dem einen oder anderen Trainer aneckte. Felski war als Spieler – trotz der Herkunft aus den im Westen oft zu Unrecht geschmähten Plattenbauten – nie ein pflegeleichter oder angepasster Typ (wie derzeit die Fußball-Millionäre unter Löw z.B., d.A.). Er war selbstbewusst und von seinen sportlichen Qualitäten überzeugt. Und hat dies auch NHL-erprobten Trainern zu verstehen gegeben…

Seine häufigen Strafzeiten auf dem Eis kontrastieren zum kontrollierten und beherrschten Auftreten außerhalb der Bande. "Er ist mir in der Sauna beim damaligen SC Dynamo aufgefallen, als er für einen kleinen Eiskunstläufer ungewöhnlich, mit großer Begeisterung ins Entmüdungsbecken sprang. Der hatte Bewegungsdrang und war nicht ängstlich", erinnert sich Eisbären-Co-Trainer Hartmut Nickel an die ersten Begegnungen. Nickel, nach einer Karriere als DDR-Nationalspieler damals Eishockey-Nachwuchs-Trainer beim SC Dynamo, lotste den 10/11-Jährigen, dem Ballett und dergleichen beim Kunstlauf nicht so lag, in die Eishockey-Abteilung. Schmal und leicht sei der kleine Felski zwar gewesen, aber flink, mutig und erfolgshungrig.

Das dürfte eine Erklärung für Felskis mitunter überaggressive Spielweise sein: Körperlich lange Zeit immer ein wenig schmächtiger als die Gegner – das wollte er partout mit Schnelligkeit und Draufgängertum ausgleichen. He, du irrst, wenn du glaubst, mich mit Körperattacken beeindrucken zu können!

Sein bitterster Moment als Sportler: Der Kreuzbandriss bei der WM 2003 im linken Knie – mit Spätfolgen wie das jetzige vorzeitige Karriereende! Und dass er das erste Spiel in der O2 World mit dem "grandiosen 11:0 über Augsburg" nicht mitmachen konnte.

Die schönsten Augenblicke: Die erste Meisterschaft 2005 und die letzte mit dem 1000. Spiel!

Was nun kommt, ist "eine Zeit als Praktikant. Er wird im geschäftlichen und sportlichen Bereich assistieren und sehen, was für ihn und für die Eisbären das richtige Betätigungsfeld für die Zukunft bei den Eisbären sein wird. Er hat von der Spielerbank aus geholfen, sechs Meisterschaften einzufahren und wird uns nun hoffentlich von der anderen Seite behilflich sein, die nächsten sechs Titel zu erkämpfen", wie Lee verkündet.

Ein schwerer Tag für Felski, aber vermutlich ein richtiger und nachvollziehbarer Schritt ("die Knieverletzung hat mir die Entscheidung leichter gemacht"). Ein Abschied mit allseits Respekt und Anerkennung, der allemal gelungener ist als die missglückten never-ending-stories eines Michael Schumacher, Michael Ballack oder Martin Schmitt.

Felski wird "ein Abschiedsspiel mit alten Kumpels" in der O2 Arena erhalten, wo sein Trikot mit der 11, die nicht mehr vergeben wird, als Banner neben dem von Mark Beaufait einen Ehrenplatz unter Dach erhalten wird.

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