Mit dem Spielen und der Spieltheorie begann er an der Frankfurter Universität – Nobelpreisträger Reinhard Selten wird achtzig Jahre

Als nämlich die mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät  der Goethe-Universität in den 50er Jahren entschied, Wirtschaftsmathematik als Nebenfach im Vordiplom zuzulassen, war Reinhard Selten der erste Student, der von dieser Möglichkeit Gebrauch machte. Der vielseitig interessierte Student hatte außer in der Mathematik noch Vorlesungen in diversen anderen Fächern gehört. Dann aber entdeckte er seine Leidenschaft für die Spieltheorie und hatte das Fach gefunden, das sein Leben bestimmte und den Nobelpreis einbrachte.

Reinhard Selten hatte ein typisches Flüchtlingsschicksal des Zweiten Weltkrieges, denkt man, das ja nicht erst mit der Kapitulation 1945 begann. Er auf jeden Fall kam schon 1944 mit seiner Familie über mehrere Stationen nach Hessen. Er bestieg einer der letzten Züge, bevor der Bahnverkehr wegen des Kriegs eingestellt wurde. Dann aber wird deutlich, daß er kein klassischer Vertriebener ist, sondern nationalsozialistische Gründe eine Rolle spielten, er also politisch vertrieben wurde. In seiner Heimat hatte man ihn wegen seiner jüdischen Abstammung von der Schule verwiesen und jede weitere Ausbildung verwehrt. In Melsungen in Nordhessen konnte er die Schule 1951 mit dem Abitur abschließen. An der Goethe-Universität absolvierte Reinhard Selten sein Mathematikstudium von 1951 bis 1957. Anschließend promovierte und arbeitete er bei dem Wirtschaftswissenschaftler Prof. Heinz Sauermann, einem der ersten Vertreter des Keynesianismus in Deutschland.

Dazu stellt die Frankfurter Universität fest: „Gemeinsam modellierten Sauermann und Selten mithilfe der Spieltheorie die Strukturen und Ergebnisse menschlicher Entscheidungen in der Wirtschaft. Anders als bis dahin der Einfachheit halber angenommen, ließen sie auch nur bedingt rationale Entscheidungen der Spielenden zu. Um typische Entscheidungsmuster beobachten und besser vorhersagen zu können, begründeten Sauermann und Selten in Frankfurt die experimentelle Wirtschaftsforschung. Bei diesem Ansatz treffen Versuchspersonen ökonomisch relevante Entscheidungen in simulierten Situationen.

In Sauermanns Gruppe an der Goethe-Universität entstand 1965 Reinhard Seltens erste bedeutende Arbeit zum Konzept des teilspielperfekten Gleichgewichts. Er verfeinerte eine von dem amerikanischen Mathematiker John F. Nash aufgestellte Theorie so, dass die Zahl der möglichen Spielergebnisse reduziert wurde. Dies ermöglichte präzisere Vorhersagen, auf denen ein eigener Zweig der Wirtschaftswissenschaften beruht. Selten teilte sich den Nobelpreis mit seinen Kollegen John F. Nash und John C. Harsanyi.

Seinen Frankfurter Studenten ist Selten als geduldiger Lehrer in Erinnerung geblieben, der sich für sie einsetzte. Bei den Denksportaufgaben in seinen Seminaren setzte er zuweilen Geldbeträge als Gewinn für den denjenigen aus, der ihn schlagen konnte. Er musste nie bezahlen. Mit seinen Kollegen diskutierte Reinhard Selten gern mathematische Probleme bei Spaziergängen durch den Grüneburgpark.

Nach einem Aufenthalt als Gastprofessor in Berkeley, California, folgte Reinhard Selten 1969 einem Ruf an die Freie Universität Berlin. Von 1972 bis 1984 forschte und lehrte er an der Universität Bielefeld, anschließend an der Universität Bonn. Dort baute er das Laboratorium für experimentelle Wirtschaftsforschung auf, an dem er auch nach seiner Emeritierung aktiv tätig ist. 1991 verlieh ihm die Goethe-Universität die Ehrendoktorwürde.“

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