Meerblick – Howard Halls neuer 3D-Streich „Under the Sea 3D“

Szene aus "Under The Sea"

Nicht wenig aus „Under the Sea 3D“ ist Restmaterial. So weit, übriggebliebene Filmschnipsel zu einem neuen Werk zusammenzuschneiden, gehen die IMAX-Produzenten noch nicht. Bei dem niedrigen Budgets und der streng begrenzten Laufzeit scheint es allerdings nur eine Frage der Zeit, zumal intellektueller Anspruch nie die Stärke der 3D-Filme war. Das Restmaterial ist bisher Inspiratives. Mehrmals erinnert „Under the Sea 3D“ an Howard Halls 2006 erschienenen „Deep Sea 3D“. Was an Meerestieren nicht prominent genug für den Vorgänger war, darf im Nachfolgefilm aus dem Sand kriechen. Die Aufnahmen Halls, der zu den ambitioniertesten Tiefseefilmern der letzten Jahre zählt, sind gewohnt spektakulär. Was einzig verlässliches Qualitätsmerkmal der IMAX-Filme ist, kann diesen beim kindlichen Publikum paradoxerweise zum Nachteil gereichen. Die großartigen Naturaufnahmen ist man inzwischen gewohnt. Der gefährliche Weiße Hai, Seehunde und gigantische Korallenriffe sind wunderschön, doch das allein reicht nicht mehr. „Kenn ich schon.“, werden einige der jüngeren Zuschauer kritisieren. Umso mehr, da schon „Whale und Delphine 3D“ und „Ozean Adventure 3D“ unter Wasser spielten.

Feuerfische, Kranzquallen und Oktopusse gleiten über den Meeresgrund. Letzte beobachtet Howard Hall beim Paarungsspiel. Auch Unterwassertiere, die feste Bindungen scheuen, gehen gerne eine Partnerschaft ein. Symbiose nennt sich die Nutzbeziehung zum gegenseitigen Vorteil und wie der Film das zu dem neckischen „Perhaps“ Doris Days inszeniert, amüsiert selbst ein erwachsenes Publikum. Hauptschwäche vieler Naturfilme ist deren betulicher Kommentar. Dass kindgerecht nicht kindisch bedeutet, müssen die Macher noch lernen. Bei „Under the Sea 3D“ überrascht dafür Sprecher Jim Carrey mit humorvollen Erklärungen. Neben den exzellenten Kameraaufnahmen zählen prominente Sprecher zu den Markenzeichen der 3D-Filme. Die deutschen Zuschauer haben hier wieder einmal das Nachsehen. Das Tintenfischweibchen ist das dicke aus der Gruppe, erklärt Carrey – aber natürlich würden die Männchen ihr das niemals sagen! In der Übersetzung wird daraus „das größere“. Die Pointe des Originals verpufft. Carreys lockerer, bisweilen ironischer Tonfall wird von dem des angestrengt gutgelaunten Synchronsprechers ersetzt. Als ob es hierzulande keine guten Kommentatoren gäbe. Den Herren zum Beispiel, der vor Filmbeginn mit dem Bariton von Bruce Willis aus den Lautsprechern droht, dass das Sicherheitspersonal einen daran erinnern wird, die 3D-Brille abzugeben, falls man dies „vergessen“ sollte. Die Warnung ist so markant, das man rätselt, wie hoch eigentlich der den IMAX-Kinos jährlich durch 3D-Brillen-Diebstahl zugefügte Schaden ist.

Interessanter als das gern als Schauplatz verwendetet Great Barriere Reef vor der Küste Australiens sind die Exkursionen nach Papua-Neuguinea und Indonesien. Hier begegnet man den exotischsten, seltensten Seetieren. Die Produzenten der 3D-Filme gehen gern auf Nummer sicher, getreu dem Motto, dass große Motive auch große Unterhaltung bieten. Der Grand Canyon, Dinosaurier, Pyramiden und Meeresriesen waren Themen vergangener Leinwandstreifen. „Under the Sea 3D“ hingegen eröffnet zur Abwechslung den Blick auf unscheinbare, kleinere Lebewesen. Das täuschende Mimikry des Seedrachens und die geschickte Tarnung des Steinfischs verdeutlichen besonders Kindern unaufdringlich, dass Leben auch dort ist, wo man es nicht auf den ersten Blick wahrnimmt.

Anstatt hier mit einem Hinweis auf die bedrohte Natur anzuknüpfen, leistet Hall sich seinen gröbsten Patzer. Ein durch Umweltverschmutzung verursachter Mangel an Kaliumkarbonat im Wasser führt zum Schwinden der Korallenriffe. Doch eine neue Generation habe ein verändertes, besseres Bewusstsein für die Natur. Dazu wiegen einen die Aufnahmen putziger Robben in azurfarbenem Wasser in Sicherheit. Dabei hat die Zerstörung der Weltmeere durch Umweltbelastung und Überfischung einen Höhepunkt erreicht. Der Mann mit der roten Mütze ist nicht mehr da, um vor der Zerstörung der Meere zu warnen. Das sollten seine Nachfolger tun.

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Originaltitel: Under the Sea 3D

Deutscher Titel: Under the Sea 3D – Paradiese im Meer

Genre: Dokumentation

Land/Jahr: Kanada/USA 2009

Kinostart: 16. April 2009

Regie und Drehbuch: Howard Hall

Kamera: Howard Hall

Verleih: Warner Bros.

Laufzeit: 40 Minuten

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