Luftangriff mit über 100 Toten und vielen Verletzten bringt Bundeswehr in Bedrängnis

Das eine Mal sind es ein, zwei Dutzend Tote, das andere Mal knapp über 50, irgendwann bietet einer 75 Tote und nunmehr, so scheint es, sind es 125 Tote, die auf das Konto der Bundeswehr gehen. Genau weiß das offenbar keiner. Daß das nicht alles Taliban, also gegnerische Soldaten, die Jung und seine Untergebenen immer noch Terroristen nennen, sind, ahnte schon jeder Journalist, als die Deutschen an der Heimatfront noch laviert und die vor Ort Tote zählten.

Gut ist, damit Klarheit und Wahrheit ans Licht der Öffentlichkeit kommen, daß die Linksfraktion heute im Reichstag eine Aktuelle Stunde zur Eskalation des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan beantragt hat. Dagmar Enkelmann erklärt als 1. Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion Die Linke: "Gerade die bisherige Desinformationspolitik der Bundesregierung zu der von der Bundeswehr angeforderten Bombardierung zweier von den Taliban entführter Tankwagen, bei der Zivilisten getötet wurden, macht es erforderlich, dass sich das Parlament unverzüglich damit befasst."

Die Tötung und Verletzung zahlreicher Zivilisten ist eine dramatische Zuspitzung des Kriegseinsatzes der Bundeswehr in Afghanistan. Über diese Entwicklung darf der Bundestag, der den Bundeswehreinsatz mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen beschlossen, immer wieder verlängert und ausgeweitet hat, nicht schweigend hinweggehen. Darüber mußt die Öffentlichkeit unterrichtet werden. Zudem wäre es wünschenswert, wenn die für den nächsten Bundestag kämpfenden Parteien dieses brisante außenpolitische Thema nicht weiter unter den Teppich kehren würden.

Nato-Angaben zufolge traf nach der Anforderung von Luftunterstützung durch die Bundeswehr zuerst ein amerikanischer B-1-Bomber ein, dessen Besatzung die beiden entführten Tanklastwagen und Dutzende Personen in deren Umgebung sah. Die B-1 musste wegen Treibstoffmangels zu ihrem Stützpunkt zurückkehren. Etwa 20 Minuten später trafen zwei US-Kampfflugzeuge des Typs F-15E ein, deren Besatzung Videoaufnahmen zum deutschen Stützpunkt funkte. Etwa eine halbe Stunde nach der Ankunft der beiden F-15-Maschinen wurden dann Bomben auf die Tanklastzüge geworfen. Die Nachtaufnahmen seien von geringer Qualität gewesen, sagte Smith. "Man kann nur Schatten sehen."

Einem Bericht der "Washington Post" zufolge war im wesentlichen eine einzige Quelle ausschlaggebend für den Luftangriff. Demnach telefonierte der deutsche Stützpunkt mit einem afghanischen Informanten, der in dem Gespräch sagte, dass es sich bei der Menschenmenge rund um die gekaperten Tanklastzüge um Aufständische handele. Daraufhin wurde der Befehl zum Angriff gegeben.

Bei dem von der Bundeswehr angeordneten Luftangriff sind nach Angaben der Provinzregierung sechs Zivilisten getötet worden, darunter ein Kind. Wie der Gouverneur der Provinz Kunduz, Mohammed Omar, am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP sagte, kamen bei dem Vorfall am Freitag insgesamt 54 Menschen ums Leben. Davon seien 48 bewaffnet gewesen. Laut Omar wurden 15 Menschen verletzt, darunter zwei Taliban.

Was bereits die Engländer und später die Russen lernen mußten und jetzt die US-Amerikaner in Afghanisten gelehrt bekommen, ist die Erkenntnis, daß der Krieg am Hindukusch zwar geführt aber nicht gewonnen werden kann. Den „Terrorismus“ der Taliban, wie der Krieg hierzulande genannt wird, kann niemand wirksam mit Krieg bekämpft werden. Der Befreiungskampf gegen die Besatzungsmächte, wie es vor Ort oftmals heißt, wird durch Bundeswehrsoldaten keinesfalls erstickt werden.

Frieden und demokratische Entwicklung kann auch die Bundeswehr, die den Krieg endlich Krieg nennen sollte, um einen – wenigstens gedanklichen – Schritt zum Frieden machen zu können, nicht herbeibomben. Außerdem gilt nach wie vor, daß man Frieden mit dem Feind machen muß, mit wem auch sonst.

Verzicht auf Bomben, Raketen und Tod und eine Hinwendung zur Entwicklungsshilfe (zur Selbsthilfe) mit Diplomatie (und das heißt auch für Deutsche immer Scheckbuchdiplomatie) eröffnen den einzigen Ausweg aus der afghanischen Sackgasse. Das dies nur die Linkspartei ausspricht, das spricht nicht in erster Linie für die Partei, der Oskar Lafontaine und Gregor Gysi vorstehen, sondern gegen die von Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier weichgespülten Koalitionsparteien.

Wenn einem Verteidigungsminiter Sätze aus dem Mund rutschen wie „Wer uns angreift, muss wissen, dass er bekämpft wird“, dann sollte diesem Dummschwätzer endlich jemand erklären, daß deutsche Soldaten in Afghanistan nichts zu suchen haben und die Berliner Republik am Hindukusch keineswegs verteidigt wird.

Dann sollte jemand diesem Verteidigungsminister sagen, was in Afghanistan geredet wird. "Wir werden uns rächen", sagte ein vermummter Taliban-Kämpfer und: "Hier wurden viele unschuldige Menschen getötet." Ein 54-jähriger Dorfbewohner sagte, alle Familien hätten Opfer zu beklagen. Ganze Familien seien nach Informationen diverser Nachrichtenagenturen ausgelöscht worden. Nach Angaben von Dorfältesten wurden in Jakubi 50 Menschen beerdigt, weitere 70 wurden demnach in umliegenden Dörfern zu Grabe getragen. Nach Einschätzung des Roten Kreuzes und afghanischer Regierungsvertreter wird die Zahl der Opfer möglicherweise nie genau ermittelt werden.

Waren das alles Soldaten, wie Jung Glauben machen will? Oder waren das doch vielmehr Zivilisten, die sich von den von Taliban geklauten Tanklastzügen einfach etwas kostenlos in Kanistern abzapfen wollten?

Wir sind gespannt, was die Aktuelle Stunde ans Licht bringen wird, denn Aufklärung tut Not – nicht nur bei der Bundeswehr in Afghanistan.

Vorheriger ArtikelTechnik, die mitdenkt – Jeder Tag ist interessant auf der IFA
Nächster Artikel3D ohne Sehhilfe und virtuelles Pingpong – Das Fraunhofer-Institut auf der IFA