Luca: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne ”¦ – Serie: Was von der großen Schau „Della Robbia“ in Arezzo bleibt (Teil 2/3)

Es sind die neuen Konzepte der Madonnendarstellung, die uns Hermann Hesses Diktum vom Anfang, dem der Zauber innewohne, verwenden lassen. Denn in Arezzo hatte man das große Glück, viele dieser frühen Fassungen dicht nebeneinander zu sehen und somit tatsächlich das Neue an der Darstellung auch besonders gut erkennen zu können. Der Katalog bewahrt dieses Zusammentreffen. Die Farbfassungen der Skulpturen sind ganz unterschiedlich, Blau spielt eine große Rolle beim Umhang der Maria und verweist auf deren Transzendenz als Himmelskönigin, aber auch Gold, die göttliche Farbe wird viel verwandt oder das königliche Purpur.

Bei der Madonna von 1425 aus Ravenna können sich die Kunstgeschichtler nicht entscheiden: Ist sie von Donatello oder von Luca? Aber auch die anderen Schöpfer der Frührenaissance spielen hier eine Rolle und geben Luca ein Stelldichein. Filippo Lippi, Pisanello – eine Mutter-Kindzeichnung aus Mailand trägt die Untertitelung „Pisanello bottega, da Luca della Robbia“ – und zwischen den Kollegen hat sich nun mit einer Lünettenmadonna aus Marmor auch Andrea Pisano eingefunden. Kurze Unterbrechung der Madonnendarstellungen durch sehr weltliche und vielfache ’maiolica policroma’ und weiß-blaues Porzellan, die uns vorbereiten auf die erste gebrannte und glasierte Madonna des Luca aus dem Jahr 1440/1445 als Halbrelief in strahlendem Weiß und auf diesem tief blaugetönten Hintergrund. Heute im Bargello in Florenz.

Ein munterer und sehr diesseitiger Knabe, der kleine Christus mit blauen Augen wie die der Mutter, die aber den Donatelloblick hat. Ganz weich wirken Mutter und Kind trotz des harten Materials und das hat sehr kunstfertig Luca della Robbia mitbedacht. Denn die Lebendigkeit der Darstellung, die geradezu eine Frische ausstrahlt, kommt gerade durch die Wohlbeleibtheit des Knaben zustande, in dessen Oberschenkeln die haltende linke Hand der Mutter tiefe Dellen erzeugt, wie es eben ein fester Griff auf weichem Fleisch zur Folge hat. Und schaut man genau hin, dann sieht man, daß auch die Finger des stützenden linken Armes, der Hand, die dem Knäblein unter dessen linken Arm greifen, ebenfalls durch den Druck auf das Fleisch dessen Bäuchlein nun hervortreten lassen. Unsere Augen werden durch solche wohlüberlegten Kunstgriffe getäuscht und sehen eine weiche Figurengruppe, wo das Material fest und kalt ist.

Wir sind so beeindruckt von der Kunst des Luca, daß wir die ganze Reihe der Madonnen noch einmal zurückgehen und nun noch einmal stärker wahrnehmen, wo er eine Figur als Vollrelief arbeitet oder die bei Donatello gelernte Flachreliefdarstellung bevorzugt. Jetzt sehen wir uns erneut die Ganzkörperskulpturen an, die Statue von 1435 aus Pisa ist wieder zu Hause, und merken, daß wir in unserer Konzentration auf den gewissen oben beschriebenen Madonnentyp abweichende zwar gesehen, aber nicht weiter beachtet hatten. Das gilt auch für die völlig anders gestaltete Madonna mit Kind des Luca della Robbia aus 1440/1450 ’del tipo Corsini’.

Im medaillonartigen Rund blickt keine ätherische Himmelmutter ihren Knaben an, sondern eine sehr diesseitige, hochgeschnürte Dame, sie kann auch aus bäuerlichem Milieu sein, die sehr innig ihr Kind anblickt, das sich an die Zipfel des herabfallenden Kopfputzes klammert und eher ängstlich in die Mutteraugen blickt. Angetan ist der kleine mit einem grünen Hänger über einem blauen Pullover und er trägt einen goldenen Kreuznimbus, während sich das dunkle Blau des Hintergrundes durch den goldfarbenen Heiligenschein der Maria vom helleren Blau des Kopftuches, über das der blaue Himmelsmantel geworfen ist, abhebt. Ja, es muß Purpur gewesen sein, nämlich ihr Kleid darunter, das jetzt braun geworden ist, genau wie der Kreuznimbus nun Braun im Gold trägt statt des ursprünglichen Purpur.

Und dann schlägt uns ein kleiner nur 28 x 20 cm großer Kopf ’Ritratto di giovanetto’ in Bann, den Luca um 1445 in glasierter Kermaik schuf. Wieder wundert man sich, wie man mit solch hartem Material eine so feinsinnige Ausdrucksweise zustande bringt. Das sind aber törichte Gedanken. Denn einmal hilft die Farbgebung – der Kopf ist weiß, die Haare braun, die Augen blau und die Lippen leicht getönt – auch, den bewegten Gefühlsausdruck herzustellen und außerdem ist Marmor als Material doch eigentlich härter und auch in Marmor lassen sich Gefühle ausdrücken. Das ist eine interessante Überlegung, welches Material das härtere ist. Nicht in der Realität, da geht die Keramik eher kaputt. Aber die Oberfläche der Keramik erscheint eben härter, gleichmäßiger, abgeschlossener, als der Stein, der so viele Schattierungen hat, daß er lebendiger wirkt als glatte Glasur über Terrakotta.

Das ist die Seite der Kunst. Die Ausstellung hat aber auch den Technologietransfer mitreferiert und sogar über die Seidenstraße das ferne China mit ins Spiel gebracht, was erklärt, daß Luca della Robbia eine Möglichkeit der Zeit entschlossen aufgriff, sich ab 1439 nur noch mit glasierter Keramik beschäftigte und diese zu einem Exportartikel weit über Florenz hinaus und auf jeden Fall viel weiter als nach Arezzo brachte. Die ganze Toskana ist voll davon. Da aber sind wir schon bei Andrea della Robbia angelangt, dem der dritte Artikel gilt. Wir aber registrieren verwundert, daß wir – die uns die Vorstellung von so viel versammelter glasierter Keramik, so vielen Madonnen erst einmal eher schaudern machte – nun gar nicht genug davon kriegen können. Das es umgekehrt verläuft. Eine glasierte Madonna zieht die nächste nach. Und uns gefällt’s. Die meisten Madonnen muß man jetzt allerdings wieder an ihren Hausplätzen aufsuchen.

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Ausstellung: bis zum 7. Juni 2009

Katalog: I Della Robbia. Il dialogo tra le Arti nel Rinascimento, a cura di Giancarlo Gentilini con la collaborazione de Liletta Fornasari, Skira , Milano 2009

Der nur auf Italienisch erhältliche Katalog entwickelt die Kunst des Luca aus seinen Lehren bei Donatello und Brunelleschi und bettet das Madonnenbild des Luca in die Vorstellungen der Frührenaissance ein, die inniger und himmelwärtiger erscheinen, als die stärker realistischen Züge bei Andrea della Robbia. Weil diese Ausstellung im Zusammenholen so vieler Einzelstücke einzigartig ist, ist es auch der Katalog, der ein Kompendium für jeden sein wird, der sich überhaupt mit den Della Robbia beschäftigt. und das werden nach dieser Ausstellung in Arezzo sehr viel mehr sein als vorher.

Fiamma Domestici, Die Künstlerfamilie Della Robbia, Scala 1992

Schon heute freuen kann man sich auf die von Alessandro Nova herausgegebene „Edition Giorgio Vasari“ aus dem Wagenbach Verlag, wenn der Band „“Das Leben der toskanischen Bildhauer der ’ersten Generation’. Jacopo della Quercia, Nanni di Banco, Nicolí² Aretino, Luca della Robbia“ im Oktober 2010 erscheint. Vasari hat so treffende wie oft unverschämte Wertungen den jeweiligen Künstlern verpaßt, die um so interessanter werden, wenn man das Gesamtgeflecht erkennt, innerhalb dessen der Mann aus Arezzo, der sich als Florentiner fühlt, die Florentiner Künstler für ewig als die ganz Besonderen darstellen kann. Von daher sollte man die bisher 24bändige Ausgabe sofort erwerben, zu der im Oktober Michelangelo und Bandinelli stoßen. Vier Bände pro Jahr lassen sich auch vom Lesen her verkraften.

Mit freundlicher Unterstützung von Enit Deutschland, in Person ihres Direktors, Marco Montini, der Journalisten auch an die weiter entfernten Ausstellunksorte außerhalb von Arezzo brachte.

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