Logenplatz im Whisky-Himmel – Mit dem „Royal Scotsman“ durch die Highlands

Whyskybestellung im Panoramawagen. © Foto: Dr. Bernd Kregel

Glückliche Engel, die leicht beschwipst über den Whisky-Destillerien ihre Kreise ziehen! Denn in deren dunklen Gewölben ruhen in langen Reihen die schweren Eichenfässer mit ihrer kostbaren Flüssigkeit, die  hier ungestört die langen Jahre der Reifung überdauert. Doch nicht ganz. Denn stets entweicht den Fässern ein geringer Anteil ihres Inhalts. Die einen halten diesen Vorgang für einen natürlichen Schwund von jährlich etwa zwei Prozent. Andere hingegen sehen darin einen „Anteil der Engel“, denen man dieses himmlische Vergnügen in whiskygeschwängerten höheren Sphären auch von Herzen gönnen mag.

Ahnt doch jeder, der bereits beim Betreten des Destillerie-Geländes den strengen Torfgeruch in seiner Nase verspürt, welches sinnliche Vergnügen sich hier selbst für irdische Genießer anbahnt. In jeder Halle ein anderer Geruchsakzent, vom Mälzen der Gerste über die Vergärung der Maische in riesigen Holzbottichen bis hin zur Destillation in eleganten Kupferkesseln, die Schwanenhälsen gleich sich nach oben hin verjüngen.

Whyskybestellung im Panoramawagen. © Foto: Dr. Bernd KregelIn jeder Flasche ein Stück Schottland

Es sind die wohligen Düfte von Toffee, Trockenobst und Orangenschale, von Ingwer, Sherry und Vanille, die hier in unterschiedlicher Konzentration in die Nase steigen. Sie alle sollen sich, so erklärt Barbara von der Glen Ord Distillery, am Ende des Reifungsprozesses zu einer jeweils individuellen Geschmacksrichtung des Single Malt vereinen. Stecke doch, so fügt sie in vollendeter Formulierung hinzu, in jeder Flasche Scotch auch ein Stück Schottland, bittersüß, tiefgründig und voller melancholischer Schönheit.

Und dies als ein etwas abseits im Norden Europas gelegener Landstrich, der stets den Naturgewalten von Feuer und Eis, von Wasser und Wind ausgesetzt war, die die Erhebungen des Hochlandes rund hobelten und die Küstenstreifen zerzausten. Wie in einem Breitwandfilm gleitet die Landschaft in unterschiedlichen Facetten an den langen Fensterscheiben des „Royal Scotsman“-Panoramawagens vorüber. Doch nirgendwo glaubt man sich der Natur näher verbunden als auf  der freien Aussichtsplattform am Ende des Zuges. Denn von hier aus ist sie fast mit Händen zu greifen.

Kartenstudium im Panoramawagen. © Dr. Bernd KregelGroßzügige Verkostung im Panoramawagen

Gleich nach Edinburgh erstreckt sich die Fahrtroute in weitem Bogen entlang der Nordseeküste und über das Hochlandgebirge hinweg bis hinüber zum Atlantik, an dessen Horizont sich die Inselkette der Inneren Hebriden abzeichnet. Als zuverlässige Meilensteine dienen dabei die nur schwer zu überbrückenden fjordartigen Meeresbuchten sowie die mit Wasser gefüllten Lochs im Landesinneren. Dazu die zauberhaften Städtchen und die zumeist etwas abseits gelegenen Burgen und Schlösser, die bei den Stopps des „Royal Scotsman“ zum näheren Kennenlernen einladen.

Und natürlich sind es die Destillerien, die sich mit großem Namen in mehr als einhundert Exemplaren über das ganze Land verteilen. Wenn sich in ihren abgefüllten Endprodukten tatsächlich ein Stück Schottland verbirgt, warum dann nicht die Gelegenheit beim Schopf ergreifen und sich das herbschöne Land auf der Zunge zergehen lassen? Gelegenheit dazu bietet sich genug während des Aufenthalts im Panoramawagen des stilvoll restaurierten Traditionszuges. Denn dessen Bar ist bestückt mit sechzig unterschiedlichen Whiskys, deren großzügige Verkostung im Reisepreis bereits inbegriffen ist.

Whisky-Angebot auf dem „Royal Scotsman“. © Dr. Bernd KregeSingle Malts von der Insel Islay

Das verführerische Angebot reicht von den Highlands im Norden bis hinunter zu den Lowlands im Süden, von der Speyside an der Nordsee bis zu den Inseln im Atlantik. Kaum zu glauben, dass ausgerechnet die kleine Hebrideninsel Islay ganz im Süden der zerfurchten Inselkette mit ihren zahlreichen Destillerien die anderen Regionen in den Schatten stellt. Denn hier entstehen – trocken und rauchig bei nicht allzu mächtigem Körper – die in Geruch und Geschmack intensivsten Single Malts.

Allen voran der legendäre Ardbeg, der auf Nachfrage umgehend von den stets hilfsbereiten Stewards Jain und Fraser serviert wird. Auch sie haben natürlich als langjährige Kenner der Scotch-Trgionen ihre Vorlieben und schwanken zwischen der „Royal-Scotsman“ -Eigenabfüllung des 18 Jahre lang gereiften Bunnahabhain und dem 16 Jahre alten Lagavulin. Zwei Geschmacksoffenbarungen, die in der Tat dazu einladen, sich zurückzulehnen und den sich öffnenden Logenplatz im Whisky-Himmel für eine Weile genießerisch in lockerem Gespräch mit anderen inzwischen vertrauten Fahrgästen zu teilen .

Dudelsackpfeifer in Aktion. © Dr. Bernd Kregel„Blüte Schottlands“ als heimliche Hymne

Da fügt es sich, dass an diesem Abend Jay Decker Forrest vom Nationalen Zentrum für gälische Sprache und Kultur in kleinem Kreis an Bord einen musikalischen Einblick vermittelt in die bis heute durchschimmernde Kultur des alten Schottlands. Alle Instrumente von der Maultrommel bis zur Piccolo-Metallflöte sind ihm bestens vertraut. Und natürlich der aus der schottischen Kultur nicht wegzudenkende Dudelsack mit seiner durchdringenden nasalen Klangfarbe. Und damit besonders gut geeignet für patriotisches Liedgut, das den Schotten noch heute bei jeder passenden Gelegenheit aus der Seele fließt.

Besonders beliebt, so erklärt Jay, ist die „Blüte Schottlands“, eine der drei inoffiziellen schottischen Nationalhymnen. Gemeint ist damit nicht etwa die als Nationalblume vertraute Distel. Vielmehr ist es die junge Generation, die einst im Kampf gegen Edward II. von England fiel. Damals, zurzeit von „Braveheart“ William Wallace und Robert the Bruce in der Schlacht von Bannockburn. Dem einzigen siegreichen Waffengang gegen den Erzfeind im Süden, der längst als historischer Mythos fest in der schottischen Volksseele verankert ist.

Formal Dinner auf dem “Royal Scotsman”. © Foto: Dr. Bernd KregelHighlander in der Stuart-Tradition

Nach der dramatischen Hochland-Kulisse ist mit dem Städtchen Kyle of Lochalsh schließlich die schottische Westküste erreicht. Von hier aus schweift der Blick hinüber zur Hebrideninsel Isle of Skye, die sich mit einem hohen Gebirgszug unvermittelt aus dem Atlantik erhebt. Längst verbindet in hohem  Bogen eine Autobrücke die Insel mit dem Festland. Bestens dazu geeignet auch jenseits des Schienenstrangs die Hebrideninsel für einen kurzen Ausflug auf Schusters Rappen zu nutzen.

Am vorletzten Abend, nun bereits auf der Rückreise, meldet sich nach stilvollem „formal dinner“ mit Ray Owens ein lupenreiner Highlander zu Wort. Eingehüllt in einen traditionellen Schottenrock mit unglaublich vielen Funktionen, weiß er die Waffen- und Kampftechnik zur Zeit der katholischen Stuart-Könige spannend zu erklären. Vor allem den vergeblichen Versuch des späten Stuart-Nachkommen „Bonnie Prince Charlie“, den gesamten englischen Thron für die durch Wilhelm von Oranien vertriebene Stuart-Linie zurückzugewinnen. Ein Misserfolg auf der ganzen Linie, der auf dem Schlachtfeld von  Culloden seinen unrühmlichen Abschluss fand.

Prächtiges Glamis Castle bei Dundee. © Foto: Dr. Bernd KregelHier irrte Shakespeare

Auch das strahlende Schloss Glamis nördlich von Dundee ein Schauplatz blutiger Machenschaften? Denn laut Shakespeare war dieser Prunkbau der Ort, an dem einst Macbeth unter dem Drängen von Lady Macbeth seinem Konkurrenten Duncan mit einem Dolch ein blutiges Ende bereitete. Auch wenn es hier noch heute einen Duncansaal gibt, zweifelt doch im Haus niemand daran, dass selbst große Geister wie Shakespeare irren können. Denn tatsächlich starb König Duncan in einer Schlacht, lange bevor Schloss Glamis erbaut wurde.

Unbestritten ist jedoch die Tatsache, dass das prachtvolle Anwesen große Bedeutung gewann für Königin Elizabeth II., die hier mit ihrer Mutter, „Queen Mum“, einen Teil ihrer Kindheit verbrachte. Von dieser schottischen Tradition der britischen Königsfamilie zeugen ganze Räume mit persönlichen Gegenständen. Und jenes ungewöhnliche Foto aus dem Jahr 1980, das die Königinmutter mit ihren beiden Töchtern wegen der gleichen Kleiderfarbe als „Blaue Trinität“ abbildet.

Brücke über den Firth of Forth. © Foto: Dr. Bernd KregelFirth of Forth

Die letzte Reiseetappe mit dem „Royal Scotsman“ gilt einem technischen Meisterwerk, neben dem sich der Eiffelturm geradezu bescheiden ausnimmt. Es ist die mächtige schon von weither in hellem Rot erstrahlende Stahlbrücke über die fjordähnliche Meeresenge des Firth of Forth, die noch heute eine unglaubliche technologische Meisterleistung darstellt.

Nur noch wenige Zugminuten sind es von hier in südlicher Richtung nach Edinburgh, wo die genüsslichen und stimmungsvollen Tage an Bord des „Royal Scotsman“ ihren Abschluss finden. Und wo schon demnächst erneut Geschichte geschrieben wird, wenn Schottland als bisheriger Teil Großbritanniens über seine eigene Unabhängigkeit abstimmt.

Reiseinformationen „Schottland/Royal Scotsman“

Anreise

nach Edinburgh mit Lufthansa von Frankfurt und München oder Germanwings von Köln/Bonn

Einreise

Die Einreise nach Großbritannien/Schottland erfolgt mit Reisepass oder Personalausweis

Reisezeit

Der „Royal Scotsman“ verkehrt von April bis Oktober.

Reiseveranstalter

Buchung über Venice Simplon-Orient-Express Deutschland, Reservierung Telefon: 0800-183 0781, Email: oereservations.germany@orient-express.com, Website: www.orient-express.com

Unterkunft

in Edinburgh vor oder nach der Abreise gegenüber dem Bahnhof zu günstigem Preis: Motel One Edinburgh-Royal, 18-21 Market Street, EH1 1BL Edinburgh, Telefon: 0044-131220073-0, Email: edinburgh-royal@motel-one.com, Website: www.motel-one.com

Auskunft

Royal Scotsman: www.royalscotsman.com, Orient-Express: www.orient-express.com; Tourismus Schottland: www.conventionscotland.com/de

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