Les Contes d’Hoffmann – Opére fantastique in fünf Akten – Wieder ein Geniestreich des australischen Intendanten Barrie Kosky

Szene aus "Les Contes d'Hoffmann" mit Uwe Schönbeck. © Foto: Monika Rittershaus, 2015
Die skurril-fantastische Oper "Hoffmann’s Erzählungen" von Jaqcues Offenbach erzählt er in seiner Neuinszenierung als verstörenden Alptraum eines Künstlers, der des eigenen Ichs mehr und mehr verlustig zu gehen droht. Das Stück basiert auf Erzählungen E.T.A. Hoffmann’s, in dem Opernlibretto Jules Barbiers ist jedoch der dem Alkohol verfallene Hoffmann die erzählende Person, brilliant verkörpert von drei Darstellern: Uwe Schönbeck als Erzähler, Dominik Köninger als Bariton (leider sehr leise, was beim Publikum zu Buhrufen führte) und Edgaras Montvidas als Tenor. Schönbeck fügt der in französischer Sprache aufgeführten Oper deutsche, witzige Kommentare hinzu, während er ansonsten der Gestalt des heruntergekommenen Alkoholikers Hoffmann in gekonnt überzeugender Art und Weise einen fast ekelerregenden Impetus verleiht und so den Niedergang des jungen, hübschen Liebhabers bis zum Tod auf der Bühne traurig in Szene setzt. Letztendlich liegt er krächzend Mozart singend im zugenagelten Sarg auf der Bühne – sehr bewegend!

Der Plot: Mozarts Don Giovanni wird in Hoffmanns übersteigertem Empfinden zum Ausgangspunkt einer vom Wahnsinn getriebenen Reise durch bizarre Welten.

Hoffmanns abgöttische Bewunderung für die Sängerin Stella in der Rolle der Donna Anna gebiert immer neue Frauenbilder: die Puppe Olympia, die seelenlose Kunststücke präsentiert; die Sängerin Antonia, die sich zu Tode singt; die Kurtisane Giulietta, die Hoffmanns Spiegelbild raubt. Skurrile Nachtgestalten wie Olympias Schöpfer Spalanzani oder der furchterregende Augenverkäufer Coppelius, Antonias gestrenger Vater Crespel oder der diabolische Doktor Mirakel, der überdrehte Pitichinaccio oder der zwielichtige Dapertutto lassen Hoffmanns imaginäre Reise zum albtraumartigen Horrortrip werden.
Am Ende bietet selbst Mozart keine Rettung mehr. Verfolgt von den eigenen Dämonen, hat sich Hoffmann längst in seinen Fantasien und Angstträumen verloren.
Die Lachmuskeln kommen hierbei jedoch nicht zu kurz – trotz des sehr steifen Premierenpublikums (Premiere ausverkauft), bei dem dann irgendwann dann auch „der Damm brach“ und sie sich dem komödiantischen, parodistischem Talent der herausragenden Sopranistin Nicole Chevalier als Puppe Olympia in Lachsalven ergeben mussten, die 4 Frauenrollen spielte: Stella, die Puppe Olympia, Antonia und Giulietta. Ihr slapstickartiges Grimassenschneiden während sie als Puppe Olympia nicht aus ihrem Schrank herausdarf ist wieder einmal Monty Python pur und sie selbst eine begnadete, witzige und vor Charme sprühende Sängerin und Künstlerin! Nur ihr Kopf ist zu sehen und aus dem Schubladen des Schranks fingern ellenlange Plastikarme hervor, während sie augenrollend, grimassenschneidend giggst und gurrt, dass es eine Freude ist. Auch als Kurtisane zeigt sie ihr sängerisches Können während sie mit Hoffmann einen Liebesakt simuliert. Sie ist der Star des Hauses!

Das Bühnenbild war dieses Mal in schlichten Farben gehalten und durch Nutzung der Hebebühne fast minimalistisch, auf dem der grandiose Chor der komischen Oper im selben Rokkoko-Kostüm wie Stella in Glatze und Totenkopf-Schminke Phantastisches leisteten – sie hüpften, tanzten und lieferten auch sonst akrobatische Akte, die Chöre im allgemeinen nicht beherrschen. Die bezaubernden Klänge des nicht enden wollenden Ideenreichtumgs der Offenbach’schen Partitur präsentierte das Orchester der KO unter Leitung Stefan Blunier. »Das Lied von Kleinzack«, die Arie der Olympia oder die berühmte Barcarole sind nur drei ihrer zahlreichen Glanznummern. Tosender Applaus goutierte das Oeuvre.

Die Komische Oper Berlin übertrug erstmalig einen Livestream im Netz!
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