Klassische Jugendbücher – Serie: Zum Jahresübergang die alten und neuen Bücher aus vielen Bereichen (Teil 7/20)

Auch die Bibel? Kinderbibeln haben es in sich, weil der Erwachsene regelmäßig merkt, wie dünn und wenig belastbar sein eigenes Bibelwissen ist. Und so ist auch dieses Buch eines, das alle anspricht, insofern ist der lustige Titel ’KleineUndGroßeLeute BIBEL` auch zutreffend. Und wenn man erst einmal das Inhaltsverzeichnis studiert, ist man überwältigt, daß tatsächlich die ganze Bibel dran kommt, das Alte Testament mitsamt dem Neuen und dann auch noch die Briefe des Neuen Testaments! Wenn im Vorwort steht: „Die Bibel ist schwer zu verstehen, auch für Erwachsene“, dann sollte man gleich einmal den Test machen und in einem herkömmlichen Alten Testament nachlesen und gleich steckenbleiben, wenn ein Name auftaucht und ihm erst alle Vorfahren und Stammesleute zugegeben werden.

Also müssen alle heutigen Bibelversionen den Kern der jeweiligen Geschichte herausarbeiten, damit der heute so flüchtig und schnell lesende Mensch den Zusammenhang verstehen kann. Das gelingt dem Autor sehr gut und man kann ihn sich gut vorstellen, auf einem spätmittelalterlichen Markt, wie er wie ein Marktschreier sein Wissen kundtut, Geheimnisfragen stellt, aufklärt und am Schluß auf jedes Töpfchen ein Deckelchen setzt. Wir haben nur das Alte Testament einem Kind vorgelesen und es Stichworte mitschreiben lassen, so daß das Kind für sich ein kleines BibelABC erstellte. Das macht Spaß und gibt dem passiven Hören oder Lesen eine aktive Note.

„Knallkopf Wilson“ von Mark Twain aus der Manesse Bibliothek der Weltliteratur hat hier nur insofern etwas zu suchen, als „Jugend“ eben nach oben keine Grenze findet. Das ist ein Spaß, wie Mark Twain hier zum Krimischriftsteller wird. Denn sein Held ist Jurist, aber eigentlich ein Eigenbrötler, der beispielsweise Fingerabdrücke und andere Merkwürdigkeiten sammelt, aber in seiner Umgebung am Mississippi nicht weiter auffällt, denn dort sind alle leicht verrückt, was ja nur heißt, daß jeder seine Eigenheiten pflegt. Die allerdings von Knallkopf Wilson sind deshalb so wesentlich, weil dann wirklich ein Mord geschieht und nun mit seiner Hilfe aufgeklärt wird. Dieses Werk war verschollen und macht gleich Lust auf mehr Mark Twain, der ja 2010 seinen hundertsten Todestag hatte und Deutschland ausgesprochen gut kannte. Ja, und mochte.

Bei Sauerländer/ Patmos Verlag ist eine besonders schöne Ausgabe von Robert Louis Stevensons „Die Schatzinsel“ erschienen. Großzügig sind die Zeichen gesetzt und großzügig auch die Bilder in Holzschnittmanier (John Lawrence) eingefügt. Die Geschichte in sechs Teilen ist bekannt, wie Jim Hawkins die geheimnisvolle Schatzkarte findet und sich auf den Weg in die Südsee macht, um den Schatz, das sagenhafte Gold des Käpt`n Flint zu finden. „Englische, französische, spanische, portugiesische Goldstücke, Guineen, Louisdore, Dublonen und Zweiguineenstücke, Moidore und Zechinen, die Köpfe aller europäischer Könige der letzten hundert Jahre, seltene orientalische Münzen mit Prägungen, die wie Bündel von Bindfäden oder Spinnweben aussahen, runde, viereckige und solche, die in der Mitte durchbohrt waren, damit man sie um den Hals tragen konnte – fast jede Geldsorte aus der ganzen Welt muß wohl einen Platz in dieser Sammlungen gefunden haben.“ Aber „Soviel ich weiß, liegen die Barrensilber und die Waffen noch dort, wo Flint sie vergraben hat, und sie können meinetwegen dort ruhig liegen bleiben.“, sagt der heil zurückkehrende Held, was doch der Auftakt zu einer neuen Geschichte ist.

Hören wir mit einem anderen Klassiker auf, dem KNAURS SPIELEBUCH aus dem Verlag Knaur, wo Johanna Preetorius sage und schreibe 500 Kinderspiele von früher aufgelistet hat, in einer überarbeiteten Ausgabe, die ursprünglich auf die von 1953 zurückgeht. Unterteilt sind die Spiele in zwölf Abteilungen, in : Abzählen und Auslosen, Schoß- und Fingerspiele, Hüpf-, Fang- und Versteckspiele, Wurf- und Kugelspiele, Lauf- und Staffelspiele, Jahreszeiten-Spiele, Sprech-, Denk- und Ratespiele, Spiele drinnen, Würfel-, Karten- und Brettspiele, Spiele für Geschicklichkeit, Kraft und Mut, Tanz-, Kreis und Pfänderspiele und Zaubertricks und Kunststücke. Luft holen.

Wir waren erst einmal über die Reime begeistert, von denen wir manche nur mehr halb wußten: „Eine kleine Dickmadam fuhr einst mit der Eisenbahn. Eisenbahn, die krachte, Dickmadam, die lachte. Eins-zwei-drei – und du bist frei! Oder: „Ritz und Ratz – Maus und Katz – Katz und Maus – du bist raus.“ Aber dann haben wir noch solch halbfertige Abzählreime im Kopf, die wir in diesem Spielebuch nicht fanden und uns ein andermal an deren Vervollständigung machen wollen! Sicher sind bei Abzählreime die regionalen Besonderheiten durchschlagend, weshalb es überall auch andere gibt. Hier stehen also die ’klassischen` von überall.

Wir sind inzwischen schon beim Losen. Sicher das bekannteste und von Kindern in der U-Bahn ständig angewandte Spiel ist das mit Papier, Stein und Schere, das ja tatsächlich ein philosophisches ist, weil es keinen allgemeinen Sieger gibt, sondern immer nur eine Materie über eine andere ’siegen` kann. Habe ich mich für ’Stein` entschieden und die Faust geballt, werde ich vom Papier (flache Hand) eingewickelt, schleife aber siegreich die Schere, die wiederum das Papier schneidet. Ein geniales Spiel, das ewig weitergeht und den Ausgleich der Natur und Welt zeigt.

Sie finden wirklich alles. Das Teekesselchen gibt es auch noch, das Schattenprofil sowieso. Aber am meisten haben uns die Fadenspiele begeistert, denn die hatten wir fast alle vergessen und nur noch so rudimentäre Handhaltungen zuwege gebracht, die noch in den Knochen stecken, auch wenn der Faden, den sie bewegten, gar nicht mehr vorhanden ist. Das werden wir üben, haben wir beschlossen, zum Beispiel bei Redaktionskonferenzen, die allzu geschwätzig werden: die Milchstraße, der Mund, der See, der Schnellzug und den Hexenbesen, wenn wir ihn hinkriegen. Davon dann also ein andermal.

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Info:

Peter Spangenberg, Die KleineUndGroßeLeute Bibel, Schwabenverlag 2010

Mark Twain, Knallkopf Wilson, Manesse Bibliothek der Weltliteratur 2010

Robert Louis Stevenson, Die Schatzinsel, Bilder von John Lawrence, Sauerländer/Patmos Verlag 2010

KNAURS SPIELEBUCH, Johanna Preetorius, Knaur Verlag 2009

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