In Lederhose und auf journalistischer Jagd oder Zwischen Hoffen und Zweifeln in Israel – Allerhand Anekdoten im Buch „Allein unter Juden“ von Tuvia Tenenbom

Tuvia Tenenbom: Allein unter Juden. Eine Entdeckungsreise durch Israel. © Suhrkamp

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Nachdem sich Tuvia Tenenbom „allein unter Deutschen“ wähnte, jedenfalls lautete der Titel des 1957 im israelischen Bnei Berak, wo besonders viele ultraorthodoxe Juden in einer eher armen Stadt leben, geborenen israelisch-amerikanischer Dichters und Denkers, der seine Vorstellungen, Ideen und Begriffe auf die Bretter, die die Welt bedeuten, bringt und als Bücher verbreitet, begab er sich in Lederhose durch ein Land, in dem sich die Leute viel Unheil bereiten, Gutes und Schönes tun. Tenenbom kam auf Station in den Gazastreifen, nach Judäa und Samaria, fuhr von Eilat am Golf von Akabar beinahe bis Ghadschar auf den Golanhöhen. Kurzum: Tenenbom reiste kreuz und quer durch das Land und sprach mit manchen Leuten: „mit Ultraorthodoxen und Atheisten, mit Fundamentalisten jeglicher Couleur, mit Kibbuzniks und Siedlern, Rabbis und Imamen, mit Mystikern und Intellektuellen, Militärs und Geheimagenten, mit israelischen Prominenten und palästinensischen Politikern, mit Journalisten und NGO-Aktivisten“, wie der Suhrkamp-Verlag mitteilt.

Tenenbom zieht auf seinen Ausflügen die Aufmerksamkeit an sich und die Leser aus der weiten Welt rein ins Abenteuer einer sechsmonatige Recherche in Israel. Er nimmt die lesenden Begleiter mit auf seinen auch journalistischen Entdeckungstortouren, lässt sie an seinen teils skurrilen Erfahrungen teilhaben und oft mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück. „Ich werde über das berichten, was ich sehe, nicht über das, was mir lieb wäre“, erklärt er noch im Vorwort (S. 14). Dann folgend 55 Stationen, bis die Lederhose wieder in den Koffer kommt. Über jede Station berichtet Tenenbom, indem er die Charaktere seiner Gesprächspartner scharf konturierte, bisweilen karikiert, das Erlebte und Erzählte aufs Wesentliche reduziert und die Pointe nie außer Acht lässt, so dass „Allein unter Juden“ mehr ein Anekdoten-Buch als ein journalistisches Sachbuch ist. Ist das noch Journalismus oder schon Literatur?

Tenenbom versteht zu provozieren und sich zurückzunehmen. In seinen Interviews tänzelt er wie ein Boxen, bietet die Stirn, bleibt bissig, behält die Oberhand oder wirft das Handtuch, wenn es nichts zu gewinnen gibt und Reden Silber ist. Tenenbom, der immer anständig zu bleiben scheint, aufrichtig in seinen Worten wirkt und aufklärte über den ganz alltäglichen Wahnsinn in Israel schwankt zwischen Hoffnung und Verzweiflung. „Logisch betrachtet“, schließt er im Epilog (S. 470), „wird Israel nicht überleben. Kein Land, das so von äußerem und innerem Hass belagert wird, kann sehr lange überleben.“

Die Juden, erklärt der kluge Kopf mit reichlich Chuzpe, würden sich selbst hassen, sich selbst belügen, seien „voller Ängste, und viele von ihnen haben nichts Eiligeres zu tun, als sich einen ausländischen Pass zu besorgen. Sie wollen nach Polen, Österreich oder Deutschland zurück – in die Ländern, in denen ihre Ahnen gejagt und ermordet wurden.“

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Tuvia Tenenbom, Allein unter Juden. Eine Entdeckungsreise durch Israel, Verlag Suhrkamp, ISBN: 978-3-518-46530-1, Preise: 16,99 EUR (D), 17,50 (A)

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