Im Masterplan ein Doppel-Feiertag im Juni – Sieben Turniere trennen Kay Matysik/Jonathan Erdmann vom olympischen Beachvolleyball-Traum

Jonathan Erdmann (li) und Kay Matysik könnten als zweites deutsches Team hinter Julius Brink/Jonas Reckermann die deutschen Farben beim Olympiaturnier in London vertreten. © DVV

Wenn es einen Preis für olympische Ausdauer gäbe, Matysik hätte ihn  verdient. So mit 17/18 zeichnete sich ab, dass ihn der Mittelstreckenlauf wohl nie ganz nach oben und nicht zur olympischen Bühne führen würde. Also wechselte er zum Beachvolleyball. Ein völlig anderes Metier, in dem Technik/Taktik dominieren und keinesfalls Rennen, was Beine und Lungen hergeben.

Als sich sein bis dahin fünfter und neuer Beachkollege Christoph Dieckmann 2009 aus gesundheitlichen Gründen verabschieden musste, fand er sich mit dem neun Jahre jüngeren Potsdamer Jonathan Erdmann zusammen. Jener war zuvor in einer Saison Nachwuchs-Europa-und Weltmeister geworden. Was vor und nach ihm kein DVV-Talent schaffte.

Abiturient Erdmann, der Mann für die vordere Blockposition, trennte sich vom gleichaltrigen Temperamentsbündel Stefan Windscheif und ging die perspektivreiche Liason mit Matysik ein. Arbeitete sich mit dem Routinier 2009/2010 immer besser in die Szene der Sandplatzwühler hinein.

Nach Bandscheibenproblemen Erdmanns im Sommer 2010 starteten  beide 2011 durch: 9. der WM, 2. der EM hinter der nationalen Nr. 1, Julius Brink/Jonas Reckermann (Weltmeister 2009/Europameister 2011). Die Weltrangliste beendeten sie als Elfte, das Olympiaqualifikations-Ranking als Siebente, die DVV-Wertung als Nummer zwei. Jeweils deutlich vor Klemperer/Koreng (Essen). Und hinter Brink/Reckermann (Leverkusen/Köln, startend für den VCO Berlin), Weltmeister 2009, Europameister 2011 und  Weltranglistendritte. Kleiner Nebeneffekt für Erdmann/Matysik: Aufstieg in die Verbandsförderung als Nationalteam Nummer zwei!

850 Punkte Vorsprung beträgt das Polster der Newcomer in der Olympiaqualifikation vor dem Essener Duo. Ein hübscher Puffer: der Sieg bei einem Weltturnier wird mit 300 (GrandS lam 400) Punkten vergütet. Und nur je zwei Teams beiderlei Geschlechts pro Land dürfen beim olympischen Sandfestival an der Themse starten.

Aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Und so meint Matysik, spiritus rector und Cheforganisator im Miniteam: "Wir dürfen uns auf keinen Fall als qualifiziert betrachten. Haben eine sehr gute Ausgangsposition. Und die wollen wir mit größter Seriosität nutzen."

Also haben sie nach Saisonende im Oktober nur kurz die Beine aus dem Sand genommen und am Olympiastützpunkt Berlin "so früh und so intensiv wie noch nie" die Vorbereitung gestartet. Kraft- und Athletikübungen unter Anleitung von Erik Helm, Ballarbeit unter Regie von Trainer-Azubi und Lehramts-Student Florian Karl. Angriff, Block, Zuspiel, Abwehr, Aufschlag. Matches gegen Partner (sogar aus Holland). Fünf, sechs Stunden täglich. Ergänzt durch gymnastische Übungen, Massage oder Kurztrips in die Fontane-Therme Neuruppin. Im Januar zwei Wochen Training bei plus 20 Grad auf Teneriffa (u.a. mit Spaniens Olympiateam Herrera/Gavira). Wiederholung im Februar. Und im April geht vorzeitig nach Brasilien zum Auftakt der World Tour Serie. Um sich hinterher nicht Vorwürfe zu machen, alles für den Olympiatraum getan zu haben, nehmen sie erstmals die Dienste des Mentaltrainers Markus Flemming (u.a. Eisbären) in Anspruch.

Auch das ist nicht gratis zu haben. "Wir benötigen etwa 60 bis 70 000 Euro, um durch die Saison zu kommen", sagt Matysik. Und verweist darauf, dass gespart wird, wo es nur geht. Also bei knapp 50 Flügen im Jahr bei Zwischenstopps Verzicht auf Übernachtungen, permanente Suche nach Billigflügen- und Verbindungen. Bei Turnieren in Mitteleuropa stehen Leasing-Fahrzeuge des Sponsors aus Wolfsburg zur Verfügung. Knapp ein Viertel des Gesamtbudgets kommt nun nach der Aufwertung zum Nationalteam vom Verband. Dazu Zuschüsse von Sponsoren, Preisgelder aus den laufenden Turnieren. "Wir haben", so Matysik, "nie den Gesamtbetrag auf der hohen Kante, wenn wir in das Wettkampfjahr einsteigen. Vieles muss unterwegs realisiert werden." Und so ist er sich nicht zu schade, gegen eine Teilnahmegebühr Weiterbildungskurse Beachvolleyball zu geben. Dabei ist die Situation bei Matysik nach der bislang erfolgreichsten Saison  entspannter geworden, da ihm die Rückkehr in die Sportförderung der Bundeswehr ermöglicht wurde.

Diese Grundversorgung genießt seit längeren der Sportmarketing-Student Erdmann. Das Topteam Brink/Reckermann kann gut und gerne mit dem Dreifachen des Berliner Etats planen und wirtschaften. Da ist auch ein sechswöchiger Trainingsaufenthalt wie kürzlich in Neuseeland kein Problem – ein Luxus, den sich die Ich-AG aus der Hauptstadt nicht leisten kann.

Was fasziniert am Dasein als Beachvolleyball-Profi?- "Du lernst im Beachvolleyball mit Niederlagen umzugehen…2010 hatten wir auf der Welttour mehr Niederlagen als Siege. Im Vorjahr dann schon etwa zehn Siege mehr als verlorenen Spiele. Du lernst Rückschläge zu verkraften, denn nach dem größten Sieg kannst du schon im nächsten Spiel eins auf die Nase bekommen." Erfahrungen, die im Leben nach dem Leistungssport hilfreich sein können, wie Matysik glaubt. Er bedauert auch nicht, momentan berufliche Weiterentwicklung, Freizeitvergnügen oder Familienplanung zurückgestellt haben: "Ich habe in den Jahren soviel gesehen und erlebt, so viele interessante Menschen kennen gelernt – das hätte ich niemals in einem normalen Job haben können." Wenn es denn klappt mit dem sandigen Hürdenlauf über sieben Stationen bis zum 17. Juni, "dann wird der 18. für mich ein doppelter Feiertag – 33. Geburtstag und Olympiateilnahme fix", so Matysik.

Vor London wollen sich die beiden vom 10. bis 15. Juli den Fans noch beim Weltturnier (Grand Slam-Status) in der Berliner Waldbühne präsentieren. Dort, wo Placido Domingo, Anna Netrebko, die Berliner Philharmoniker oder lange davor in der Westberliner Ära große Profiboxkämpfe über die Bühne gingen. "Ein ganz besonderer Schauplatz", sagt Matysik.

"Ich hoffe, dass die Zuschauer den Standort annehmen und wir etwas zur Populaisierung unserer Sportart tun können."

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