„Ich wollte Frauen immer schön aussehen lassen“ – „Valentino. Eine italienische Legende“ im Taschen Verlag

Während wir nicht müde werden, dieses auf blendendem Weißt prunkende Bild zu betrachten, stellen wir uns vor, was sich eine Nachwelt dächte, die dieses Bild als einzigen Ausweis der Lebensgewohnheiten des Endzwanzigstenjahrhunderts überliefert hätte. Wie war die Frage? Ob man so ein Buch braucht? Der Soziologe von heute gewiß, denn an diesem Geschichtenwerk kann er Schichten der gegenwärtigen Gesellschaft freilegen, was eben in Zukunft dann die Archäologen mit diesem Buch machen werden. Mann und Frau vom Fach brauchen dieses Buch als Ausbildungsgegenstand, der Schneiderei hätte man früher gesagt, danach dann Haute Couture und heute schwafelt man im Anglizismusrausch lieber vom Design und dem Modedesign, das nun auch Kleidung umfaßt und doch als ’disegno’ der Renaissance viel dichter an dem dran bleibt, was ein Modeschöpfer können muß: Ideen haben und diese zeichnen.

Die Frage ist also nicht, ob ein ominöses ’man’ dieses Buch braucht, sondern was es einem gibt, wenn man sich in Ruhe hinsetzt und den dicken Wälzer im Schoß erst einmal umblättert, sich dann festliest, die prominenten Ladies betrachtet, die alle vom Meister angezogen wurden, aber die ihn nicht anzogen, denn dieser Modeschöpfer Valentino, als Valentino Clemente Ludovico 1936 in Oberitalien geboren und schon 17jährig nach Paris zum Modestudium, eigentlich der Schneiderlehre unterwegs, der also, wie er betonte „Ich wollte Frauen immer schön aussehen lassen“, der liebte Männer. Erst heimlich, zeitgemäß damals, und dann mit sich verändernden Zeiten auch offiziell und immer den einen: Giancarlo Giammetti, seit sie sich 1960 trafen. Dieser wurde auch geschäftlich sein Partner und dieses schriftliche Liebeswerk an Valentino zeigt eben auch, daß es in solchen beruflichen Verhältnissen kaum eine Trennung von Öffentlich und Privat geben kann, denn das wäre glatt geschäftsschädigend.Prominenz wie Jackie Kennedy, die Valentino anzog und die in seinen Kleidern Onassis heiratete, die sind nicht nur Kunden, sondern brauchen die persönliche Ansprache und Schauspielerinnen wie die Loren oder Elizabeth Taylor und Joan Collins und erst recht fürstliche Hoheiten und auch Industriellengattinnen, möchten vom Meister lieber Freundin genannt werden, als Käuferin seiner Modelle. Dann dichten sie ihm auch einen Lobgesang:

„Am Nachthimmel der Modestars, die man kennt,

Der sich von Riad bis nach Reno dehnt,

Aus einer Entfernung, Lichtjahre weit:

von den Fünfzigern bis in die heutige Zeit,

gibt’s keinen, der heller als Valentino brennt.“

So Meryl Streep im November 2005 und von ihr auch öffentlich vorgetragen.

Und in dem Gedicht findet sich der Hinweis darauf, warum dieses Buch sehr viel mehr Lesern und Leserinnen etwas bringt, als diese auf den ersten Blick glauben täten: die 50 Jahre. Valentino nämlich ist schon in jungen Jahren eine Legende geworden, wenn man ihn in einem Atemzug mit Chanel, Dior, Balenciaga, u.a. nennt, die schon lange tot sind, erkennt man nach dem Schauen und Lesen des Buches mit tiefem Bedauern: Valentino hat als Letzter noch zuwege gebracht, was heutzutage die Modeindustrien „durchziehen“. Er hat als einzelner eine Idee gehabt, hat die mit seinem Freund geschäftlich gut vermarktet, ist zwar kein Aschenputtel gewesen, aber dennoch zum strahlenden weißen Schwan geworden, er hat als Individuum an den Seilen der Welt kräftig gezogen, zwar nicht an den allerwichtigsten, aber an denen der Mode und des sich Wohlfühlens in Stoffen und auch dem, was man heute leider nicht mehr Lebensgefühl, sondern ’lifestyl’ nennt. Daß heute ein Siebzehnjähriger wie er nach Paris fährt und ein Modeimperium aufbaut, das gibt’s heutzutage vielleicht noch bei Internetportalen, aber schon lange nicht mehr in der genormten Modebranche.

Und weil er all die Jahrzehnte erfolgreich dabei blieb, sind die Seiten ab 100 auch wie ein Geschichtsbuch zu lesen, von Zeiten, die man selbst noch kennt. Die Sechziger: genau, solche weiten Röcke trug die Mama, und solch einen Topfdeckelhut hatte die Tante – sicher nicht von Valentino – und dies kleine Schwarze zwischen Unterrock und Rüschenkleid, das trug Monica Vitti, und dort das Etuikleid mit der hochgezogenen Taille. Alles bekannt. Es ist also ein Ausflug durch das eigene Leben, wo einen die Erinnerungen an die Kleider der Leute kommen, denn Valentino ließ zwar nicht für den Massengeschmack schneidern, sondern für seine Modelle wie Claudia Schiffer und für die Kunden. Aber die Modeindustrien nahmen seine Zielsetzung schnell auf und machten kleidsame Mode für viele daraus.

Seit 1966 dann der geometrische Stil, auch Valentino paßte sich an, wenngleich er diese ScharzweißMode nicht erfunden hatte. In einem allerdings leistete er Widerstand. Hosen waren modern, Hosenanzüge nicht minder, aber Valentino zog den Frauen die Hosen wieder aus. Mit einer kleinen Variante. Den jungen, gutgewachsenen Modellen zog er die kurzen Hosen unter den weiten offenen Rücken wieder an, aber das war ein kurzer Ausflug ins indezent Vulgäre. Er bleibt lieber der, der den Damen das lange Abendkleid anpaßt, am liebsten in Schwarz, wenn es Rot nicht sein darf und mit einem tiefen Ausschnitt noch lieber, wie ihn Anjelica Huston trägt. Oder die halbausgezogenen Dame inmitten der asymmetrischen auf dem Gruppenbild mit Butler von Seite 262/3 Und wer bitte ist Mafalda von Hessen?

Uns haben besonders gut die Modezeichnungen ab Seite 467 gefallen, denn hier fanden wir wieder, was wir vor vielen Jahren in einer so ungewöhnlichen Ausstellung in der Wiener Hofburg sahen: Roben und Rüstungen hieß diese und in der Tat konnte man sehen, wie ähnlich das Gefalte und Gekräuselte, das Puffärmelige und das schlicht Hängende bei Metall aus dem Mittelalter und der Mode von heute waren. Und so sieht man am Schluß, daß ein Buch, das für Modenarren Pflicht ist genauso wie für die, die von diesem Gewerbe leben, auch denen etwas bringt, die keine Garderobe von ihm im Schrank hängen haben oder keine Damen kennen, die darüber verfügte. Bücher gehören eben allen. Allen, die sie kaufen. Und so bekommt man auch einen Buch-Valentino günstiger als ein Modell von ihm in Stoff.

Armando Chitolina Hg., Valentino. Eine italienische Legende, zusammengestellt und produziert von Benedikt Taschen, Taschen Verlag 2009

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